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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handfertigkeitsunterricht; Handfeuerwaffen

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Handfertigkeitsunterricht - Handfeuerwaffen.

Handfertigkeitsunterricht, s. Arbeitsschulen.

Handfeuerwaffen. Nachdem Österreich und Deutschland Schnellfeuergewehre kleinsten Kalibers eingeführt haben, sind die bezüglichen Versuche in den meisten Ländern so weit zum Abschluß gekommen, daß man sich über die Wahl eines Systems schlüssig machen konnte; selbst Rußland soll, nachdem langjährige Versuche mit den verschiedensten Systemen von Magazingewehren die Entscheidung nicht zu reifen vermochten, weil man das Berdan-Gewehr für vollkommen ausreichend hielt, sich schließlich für Annahme des französischen Lebel-Gewehrs entschieden und der französischen Regierung die Anfertigung von 1,5 Mill. dieser Gewehre übertragen haben. Da aber bereits darauf hingewiesen wurde, daß das Lebel-Gewehr veraltet sein wird, noch bevor die angeblich von Rußland bestellten Gewehre geliefert sind, so sind Zweifel um so mehr berechtigt, als von vielen das Lebel-Gewehr schon jetzt als veraltet betrachtet wird, zu welchem Urteil das Röhrenmagazin im Vorderschaft mit Einzelfüllung der Patronen und die Patronenhülsen mit überstehendem Auszieherrand berechtigen. Anderseits verlautet, daß Frankreich das Geheimnis seines rauchlosen Pulvers von Vieille an Rußland mitgeteilt habe und letzteres sich vorläufig auf die Verwendung dieses Pulvers beim Berdan-Gewehr beschränken wolle. Nach einem Vortrag des Obersten Patocki sei ein kleinkaliberiges Repetiergewehr für Rußland angenommen, bei welchem die Mängel des Lebel- wie des deutschen und österreichischen Gewehrs vermieden seien. Vom deutschen Karabiner 88 ist bekannt geworden, daß er die Munition des Gewehrs 88 verschießt; das Geschoß hat aber 25 m von der Mündung nur eine Geschwindigkeit von 570 m, die Gesamtschußweite von 3200 m wird bei einer Erhöhung von etwa 35° erreicht. Die Schußleistungen entsprechen denen des Gewehrs 88. In Österreich hat man Anfang 1890 Versuche mit dem in der Preßburger Dynamitfabrik hergestellten rauchlosen Kornpulver des Majors Schwab begonnen, bei welchem man mit einer Ladung von 2,75 g dem 15,8 g schweren, dünn gefetteten Stahlmantelgeschoß 600 m Anfangsgeschwindigkeit gab. Bulgarien hat 60,000 Gewehre des österreichischen Modells 88 in Steier bestellt. Belgien hat 1889 ein Gewehr System Mauser von 7,65 mm Kaliber mit 4 Zügen von 25 cm Dralllänge eingeführt. Die randlose Patrone gleicht der deutschen, sie ist 78 mm lang, das 14 g schwere Geschoß besteht aus einem Nickel-Kupfermantel mit Weichbleikern. Die Ladung von 3,05 g rauchlosem Wetterenpulver gibt dem Geschoß 615 m Geschwindigkeit. Hinter dem Laufe befindet sich ein unten geschlossener Magazinkasten, in welchen die 5 Patronen aus dem Patronenhalter abgeschoben werden. Dieser Halter ist ein Stahlbandstreifen von ^[img]-form, in welchem die Patronen durch eine Plattenfeder so gehalten werden, daß sie sich leicht abstreifen lassen. Lauf mit Laufmantel und Kolbenverschluß mit Drehbewegung und gegenüberstehenden Nasen am Kammerknopf zum Auffangen des Rückstoßes sind dem deutschen Gewehr nachgebildet. Eine Repetiersperre hat das Gewehr nicht. Letzteres ist (ohne Säbelbajonett) 1,275 m lang, wiegt leer 3,9, mit vollem Magazin 4,043 kg. 120 Patronen mit Patronenrahmen wiegen 3,576 kg, ein Rahmen wiegt 6 g. Dänemark hat Anfang 1890 nach vielen Versuchen das Repetiergewehr »Krag- (norwegischer Kapitän, Direktor der Gewehrfabrik zu Kongsberg und Erfinder des norwegischen Marinerepetiergewehrs M/77) Jörgensen« angenommen. Der ummantelte Lauf von 8 mm Kaliber mit sechs bogenförmigen Zügen (Madsen-Rasmussen) von 30 cm Dralllänge und 0,14 m Tiefe ist aus verdichtetem Stahl (Daelens Erfindung, verwertet von Marcotty in Berlin) gefertigt. Der Kolbenverschluß hat die allgemeinen Einrichtungen zum Selbstspannen, Auswerfen und Abfeuern, der Schlagbolzen ist jedoch mit dem eigentlichen Schlagstift durch eine Art Kugelgelenk verbunden, so daß der letztere nach Abnutzung der Spitze ersetzt werden kann. Der Kammerkopf bildet gleichzeitig den Verschlußkopf mit Lager für den Patronenboden, er trägt eine starke Nase (Stützwarze) a (Fig. 1), welche sich beim Rechtsdrehen der Kammer zum Schließen in eine Ausdrehung b (Fig. 2) der Verschlußhülse c legt und hier, senkrecht unter der Laufachse, den Rückstoß auffängt. Das Magazin d (Fig. 3) hat unter der Forderung, daß das Gewehr keine hervorstehenden, die gewohnte Handhabung störenden Teile besitzen solle, die Form eines flachen, unter der Verschlußhülse liegenden Kastens erhalten, der rechts die durch eine Thür e verschließbare Füllöffnung und links in einer Aufwärtsbiegung eine schlitzartige Öffnung f hat, durch welche die Patronen in den Lauf fallen. Diese Öffnung verengert sich

^[Abb.: Fig. 1. Verschluß und Magazinthür halb geöffnet.]

^[Abb.: Fig. 2. Wagerechter Durchschnitt durch die Verschlußhülse und die Magazinthür.]

^[Abb.: Fig. 3. Senkrechter Durchschnitt durch das gefüllte Magazin. Dänisches Repetiergewehr »Krag-Jörgensen«.]