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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Inkasso

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Inkasso (»schwarze Listen«, Gebühren, Verantwortlichkeit der I.-Geschäfte).

der schuldigen Forderung und dem Datum ihrer Fälligkeit genannt. Der Name des Gläubigers wird verschwiegen. Die Aufnahme des Schuldners in die Listen geschieht auf Gefahr des Gläubigers. Dasjenige Mitglied, welches eine auf Unwahrheit beruhende Benachrichtigung einsendet und dadurch bewirkt, daß eine Person unrechtmäßig als säumig bleibender Schuldner in die Privatmitteilungen aufgenommen wird, soll mit Angabe dieser Thatsache während eines Jahres in allen Privatmitteilungen vorkommen. Über die strafrechtlichen Folgen eines solchen Gebarens siehe am Schluß. Jedes Mitglied ist ferner verpflichtet, das Büreau von der Berichtigung der Schuld sofort zu benachrichtigen, damit der Name des Schuldners in die Privatmitteilungen nicht aufgenommen werde. War die Aufnahme bereits erfolgt, so wird in der nächsten Liste den Abonnenten von der Tilgung der Schuld Kenntnis gegeben. Sehr ähnlich ist das Verfahren der Vereine Kreditreform (s. d.). Bei diesen hat sich bereits eine bestimmte Praxis in der Führung der Listen ausgebildet. So bedeutet ein Sternchen, daß mehrfaches Material vorliegt und oster fruchtlos gemahnt wurde, zwei Sternchen, böswillig und insolvent. Was die wirtschaftliche Seite der Listen anlangt, so ist es zu beklagen, daß nicht selten der ehrliche, momentan in Verlegenheit geratene Schuldner gerade so wie der notorische Lump in die Pressionsliste gesetzt wird. Es ist an sich bedenklich, eine Person auf die Angabe irgend eines Mitglieds hin vor der öffentlichen Meinung als schlechten Zahler bloßzustellen, weil sie vielleicht im Bewußtsein, ihren Verpflichtungen stets aufs pünktlichste genügt zu haben, auf die Mahnbriefe des Büreaus einfach keine Antwort gab. Der spätere Widerruf macht eine solche falsche Beschuldigung nicht wett. Anderseits mag ja die Drohung mit den Listen säumige Schuldner nicht selten zur Zahlung veranlassen. Doch die Gefahr liegt nahe, daß böswillige Schuldner sich auch an die Listen gewöhnen, zumal sie hoffen dürfen, daß der nächste Kreditgeber von ihrer Aufnahme in die Privatmitteilungen eines Privatinstituts oder in die Listen eines Vereins nichts weiß. Diese Hoffnung war und ist gegenüber den von den gewerblichen Schutzgemeinschaften (s. d., Bd. 14) geführten Listen weniger berechtigt. Denn diese, von Handwerkern in Dresden ins Leben gerufen (Gründer waren der Schneidermeister J. G. Theilig und der Schuhmachermeister K. Knöfel), beschränken sich zumeist darauf, die Handwerker und kleinen Kaufleute vor säumigen Schuldnern in ihrer Stadt oder ihrem Bezirk zu warnen. Was nutzt es aber dem Kreditgeber in Nürnberg, wenn er durch den Verein Kreditreform oder durch ein Privatinstitut vor böswilligen Schuldnern aus München gewarnt wird, während er über derartige Existenzen an dem Orte seiner eignen geschäftlichen Niederlassung nichts erfährt?

Gebührenfrage. Beim I. zeigen sich zwei verschiedene Zahlweisen. Außer der Provision von dem eingegangenen Betrag verlangen die Büreaus für jeden Auftrag eine Entschädigung, welche entweder im voraus in einem Jahresbeitrag entrichtet oder jedesmal besonders erhoben wird. Das Büreau von Schimmelpfeng berechnet für jeden Auftrag sowie für jede Mühewaltung bei der Ausführung eines und desselben Mandats eine Vergütung. Bei den Auskunftsbüreaus pflegen auch hier die Zahlungen der Gebühren in Abonnementszetteln zu erfolgen. So beansprucht Schimmelpfeng zunächst für die Anmahnung einen Abonnementszettel, sollen weitere außergerichtliche Verhandlungen gepflogen werden, eine zu vereinbarende Gebühr, bei Einleitung von Prozessen endlich 2-4 Zettel, worauf der Zettel angerechnet wird, welcher bei der Anmahnung eingereicht wurde.

Rechtliche Verantwortlichkeit der Ausgeber der öffentlichen Listen. Ebenso interessant wie praktisch bedeutsam ist die Beantwortung der Frage, ob in der Veröffentlichung der sogen. schwarzen Listen eine strafbare Handlung liege. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß an sich in der Aufnahme in die Listen eine vorsätzliche Ehrverletzung des säumigen Schuldners liegt, demnach der gesetzliche Thatbestand des § 185 des Reichsstrafgesetzbuchs erfüllt ist. Fraglich ist nur, ob sich nicht der Ausgeber der Listen auf § 193 des Strafgesetzbuches berufen kann. Ist diese Frage zu bejahen, so bleibt der Führer der Listen straffrei. § 193 des Strafgesetzbuchs schützt nämlich jede zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemachte Äußerung, es sei denn, daß aus ihrer Form oder aus den sie begleitenden Umständen auf eine beleidigende Absicht zu schließen ist. Die Frage ist also die, ob der Ausgeber der Listen mit der Veröffentlichung derselben die Interessen von Kreditgebern, das wären berechtigte Interessen im Sinne des Gesetzes, zu fördern beabsichtigt. Diese Frage wird nun allerdings in der Mehrzahl der Fälle zu bejahen sein. Denn die Büreaus etc. verfolgen mit der Veröffentlichung der Listen einen doppelten Zweck; einmal wollen sie böswillige Schuldner zur Zahlung veranlassen, sodann aber die vorsichtige Geschäftswelt vor Verlusten schützen. Kommt der Richter bei der Prüfung der Verhältnisse des Einzelfalles zu der Überzeugung, daß bei der Aufnahme des Schuldners in die Listen dieser zweite Zweck mitverfolgt wurde, so hat er den Angeklagten freizusprechen, es sei denn, daß dieser durch absichtliche Beleidigung, wohl ein äußerst seltener Fall, die Grenzen des § 193 überschritt. Auch wenn die Notiz in der Liste derart abgefaßt wurde, daß sie geeignet war, den Genannten in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (§ 186 des Strafgesetzbuchs), bleibt der Urheber derselben straffrei. Denn auch einer Anklage aus § 186 des Strafgesetzbuchs gegenüber kann er sich auf Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Dies wird er natürlich nur dann thun, wenn er den Nachweis der Wahrheit nicht zu erbringen vermag. Nach dem Gesagten wäre also der Ausgeber der Listen, welcher auf eine wissentlich falsche Anmeldung hin den Namen eines vermeintlich säumigen Schuldners bona fide, aber unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt aufnimmt, nicht strafbar, da ihm der Schutz des § 193 des Strafgesetzbuchs nicht versagt werden kann. Nur in dem Falle, wo der Ausgeber der Listen wider besseres Wissen eine Person, die ihren Verpflichtungen nachgekommen ist, als säumigen oder gar böswilligen Schuldner aufnimmt, macht er sich einer verleumderischen Beleidigung aus § 187 des Strafgesetzbuchs schuldig und setzt sich einer Gefängnisstrafe nicht unter einem Monat aus. Selbstverständlich kann der unrechtmäßig in den Listen genannte Schuldner im letztern Falle auch den ihm aus der Mitteilung erwachsenen Vermögensschaden liquidieren, und zwar eventuell im Anschluß an den Strafprozeß eine Buße bis zum Betrag von 6000 Mk. verlangen (vgl. die ähnlichen Resultate bei der Betrachtung der rechtlichen Lage der Auskunftsbüreaus unter »Auskunftswesen«, S. 67 f.).

Eine völlig andre Frage, deren Beantwortung freilich von der Stellungnahme zu der oben besproche-^[folgende Seite]