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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kulturgeschichtliche Litteratur

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Kulturgeschichtliche Litteratur (außerdeutsche Länder Europas).

ausgegeben, der seiner Arbeit noch mehrere Urkundenbände folgen zu lassen beabsichtigt; während R. Jallifier ^[richtig: Jalliffier] (»Histoire des États-généraux«, 1885) denselben Stoff in populärer Weise behandelt. In Recht und Verfassung der spätkarolingischen Epoche führt das gelehrte, aber etwas breite Buch von E. Bourgeois über das »Capitulaire de Kiersy sur Oise« (1885), ein Gesetz Karls des Kahlen von 877, dem man früher zu große Bedeutung zugeschrieben hatte. Zur Geschichte der Zentralverwaltung im 14.-16. Jahrh. gibt N. Valois, »Le conseil du roi au 14.-16. siècle« (1889), durch mehrere in einem Band vereinigte Aufsätze über den französischen Staatsrat einen wertvollen Beitrag. Die innere Geschichte der zentralisierenden Monarchie, wie sie sich seit dem 17. Jahrh. ausbildet, stellt das vortreffliche Werk d'Avenels, »Richelieu et la monarchie absolue« (1884-89, 4 Bde.), dar; für die Finanzgeschichte des ausgehenden 17. Jahrh. ist ein gleichfalls aus Einzelaufsätzen erwachsenes Buch von Vuitry, »Le désordre des finances, etc.« (1885), zu nennen, während R. Stourm, »Les finances de l'ancien régime et de la Révolution« (1885), und A. Vuehrer, »Histoire de la dette publique en France« (1886), die Entstehung des gegenwärtigen Finanzsystems durch seine Vorgeschichte erläutern. Das Armeewesen in der Zeit vor der großen Revolution behandelt A. Babeau in einem groß angelegten Buche: »La vie militaire sous l'ancien régime«, dessen erster Band (1890) das Leben der gemeinen Soldaten in allen seinen Beziehungen verfolgt. Zur Wirtschaftsgeschichte ist Pigeonneaus »Histoire du commerce de la France« zu erwähnen, die mit dem 2. Bande (1889) die Handelsgeschichte das 16. Jahrh. und der Zeiten Heinrichs IV. und Richelieus erreicht hat; speziell mit dem Getreidehandel des 18. Jahrh. beschäftigen sich E. ^[richtig: L. für Léon] Biollay, »Études économiques sur le 18. siècle« (1886), und G. Bord, »Histoire du blé en France« (1887). Eine vortreffliche Geschichte des französischen Postwesens seit den ersten, von der Pariser Universität getroffenen Einrichtungen hat A. Belloc, »Les postes françaises« (1886), geschrieben. Sitten und Leben am Hofe Heinrichs II. schildert Bourciez, »Les mœurs polies et la littérature de cour sous Henri II« (1886), während A. Desjardins, »Les sentiments moraux au 16. siècle« (1887), ein reiches Material zur Geschichte der moralischen Anschauungen Frankreichs im Zeitalter der Reformation zusammengetragen hat und Douarche, »L'université de Paris et les Jésuites au 16. et 17. siècle« (1889), einen wichtigen Beitrag zur Unterrichtsgeschichte derselben Epoche bietet. Mit dem Privatleben der Pariser: Toilette, Annoncenwesen etc., beschäftigen sich die Aufsätze, die A. Franklin, »La vie privée d'autrefois« (1887, 2 Bde.), aus entlegenen, zum Teil bisher unbekannten Quellen zusammengestellt hat; speziell das bürgerliche Leben in der Zeit des ancien régime schildert A. Babeau, »Les artisans et les domestiques d'autrefois« (1885), »Les bourgeois d'autrefois« (1886), und demselben fruchtbaren Schriftsteller verdankt man auch das 1889 erschienene Buch über das Pariser Leben im J. 1789 (»Paris en 1789«), das als gründlich und gut geschrieben gerühmt wird. Aus F. Lotheisens Nachlaß haben wir wertvolle Studien, »Zur Kulturgeschichte Frankreichs im 17. und 18. Jahrhundert« (Wien 1889), erhalten; auch A. Rambauds »Histoire de la civilisation française« (1885-87, 2 Bde.), der sich von demselben Verfasser eine »Histoire de la civilisation contemporaine en France« (1888) anschließt, ist für die Zeit seit 1648 ein sehr nützliches und gut gearbeitetes Handbuch der französischen Kulturgeschichte, das vermöge seiner Anordnung (es gibt keine zusammenhängende Darstellung, sondern eine Reihe übersichtlich nach Stichwörtern geordneter kleinerer Artikel) insbesonders als Nachschlagewerk gute Dienste leistet.

In England nimmt die Verfassungsgeschichte in der historischen Litteratur noch immer den hervorragendsten Platz ein; eine Einleitung in das Studium derselben haben O. Wakeman und A. Hassall, »Essay introductory of the study of constitutional history« (1887); ähnliche Zwecke verfolgt einer der namhaftesten Oxforder Professoren, A. V. Dicey, in seinen »Lectures introductory to study of law of the constitution« (2. Aufl. 1886). Neu sind die Gesamtgeschichte der Verfassung von Boutmy, »Le développement de la constitution et de la société politique en Angleterre« (1887), und H. Taylor, »The origin and growth of the English constitution« (1889). Die zahlreichen neuen Auflagen älterer Werke übergehen wir, und von Einzelschriften für die Verfassung nennen wir nur Plummers vortreffliche Ausgabe des für die letzten Zeiten des Mittelalters ungemein belehrenden Traktats von Sir J. ^[John] Fortescue, »On the governance of England« (1885), R. Gneists aus seinen größern Werken ausgezogene populäre Schrift: »Das englische Parlament in tausendjährigen Wandlungen« (Berl. 1886) und die vortreffliche Geschichte des Zollwesens von R. Hall, »History of the customs revenue« (1886), sowie der direkten Steuern von S. Dodwell, »History of taxation and taxes in England« (1885, 4 Bde.). Zur Wirtschaftsgeschichte liegen der 5. und 6. Band des ganz besonders bedeutenden Werkes vor, in welchem J. Th. ^[James Thorold] Rogers, »A history of agriculture and prices in England« (1887), eine Geschichte des Ackerbaues und der Preisbewegung in England bis zum Anfang des 18. Jahrh. fortführt; hierhin gehört auch ein beachtenswertes Buch über die Entwickelung des Gemeindelandes: T. E. Scrutton, »Commons and common fields« (1887), und desselben preisgekröntes Werk: »Land in fetters« (1886), das die Geschichte der Gesetzgebung über die Beschränkung des freien Verfügungsrechts am Grundbesitz schreibt. Eine Geschichte der ältesten Wollindustrie in England hat W. J. ^[William James] Ashley (Baltimore 1887) geliefert, die Anfänge der britischen Handelsbeziehungen mit Ostindien H. Stevens nach den Protokollen der Ostindischen Kompanie dargestellt (1887); auch eine kleine, aber sehr wertvolle Arbeit von Rogers über die Geschichte der ersten 9 Jahre der Bank von England (1887) verdient Erwähnung. Auf guten Studien beruht auch E. F. Aschrott, »Das englische Armenwesen in seiner historischen Entwickelung« (Leipz. 1887). Die Geschichte der Universität Oxford haben Brodrick und Maxwell Lyte (beide 1886), letzterer nur bis zur Reformation, geschrieben; für Cambridge ist besonders das Prachtwerk von Willis und Clarke über die Baugeschichte der Universität zu erwähnen (1886, 4 Bde.). Eine von S. Goldschmidt begonnene »Geschichte der Juden in England« erschöpft das Thema nicht völlig, bringt aber in seinem 1. Teil (Berl. 1886), der das 11. und 12. Jahrh. behandelt, viel Neues und Beachtenswertes bei. Von Sammelwerken seien schließlich Th. Vatkes »Kulturbilder aus Altengland« (Berl. 1887), Ashtons Skizzen aus dem 18. Jahrh. (»Eighteenth century waifs«, 1887) und A. Jessops glänzend geschriebene Aufsätze erwähnt, deren Sammlung nach dem ersten derselben, welcher das Auftreten der Bettelmönche dar-^[folgende Seite]