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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mac Kinley-Bill

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Mac Kinley-Bill (Wirkungen auf Deutschland).

Mac Kinley-Bill, das auf energisches Betreiben von Mac Kinley in den Vereinigten Staaten von Nordamerika seit 6. Okt. 1890 eingeführte Gesetz, durch welches die Zollsätze für ausländische, in Amerika eingeführte Waren im allgemeinen erhöht und an die Stelle der frühern neue Vollzugsvorschriften »behufs Vereinfachung« der auf die Zollerhebung bezüglichen Bestimmungen gesetzt wurden. In dem Jahresbericht vom 4. Dez. 1889 entwickelt Mac Kinley die Gründe, welche eine Erhöhung der damals zu Recht bestehenden Zollsätze nahelegen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika sei, so führt er aus, das Gefühl vorherrschend, daß bei Bemessung der Einfuhrzölle der Schutz für die heimischen Industrien eine geradezu ausschlaggebende Rolle spielen müsse. Dieser Gedanke habe die Staatsmänner Amerikas schon bei Erlaß der ersten Tarifakte vom Jahre 1789 geleitet und sich mit der Zunahme der Zivilisation und des territorialen Umfangs der Vereinigten Staaten von Nordamerika bewährt. Immerhin habe man bei Einführung dieser hohen Zölle in erster Reihe die Erzielung von Staatseinnahmen im Ange gehabt, und die zu Recht bestehenden Zollsätze seien mehr mit Rücksicht auf möglichst hohe Finanzeinnahmen als auf den Schutz und die Entfaltung der heimischen Industrien berechnet gewesen. Die Erwartungen, welche man sich bei Festsetzung der Zölle auf einen möglichst günstigen Abschluß des Budgets der Vereinigten Staaten von Nordamerika machte, wurden denn auch durch die enormen Einnahmen, welche Amerika aus der Zollerhebung der letzten Jahre zu verzeichnen hat, nicht bloß erfüllt, sondern geradezu übertroffen. Der Wert der im Fiskaljahr 1888/89 (d. h. vom 30. Juni 1888 bis 30. Juni 1889) nach Amerika importierten Waren betrug 745,131,652 Dollar. Schon seit einer Reihe von Jahren ergebe sich ganz besonders wegen der hohen Zollerträge ein gewaltiger Überschuß der Staatseinnahmen, so daß bereits die Ansichten darüber, wie der Überschuß am besten zu verwenden und wie einer die Erfordernisse der Regierung übersteigenden, unnötigen Ansammlung von Geldern im Bundesschatz Einhalt zu thun sei, sehr weit auseinander gingen. Das beste Mittel, um eine Verminderung der Regierungseinnahmen herbeizuführen, sei eine Verminderung der Zolleinkünfte. Dies könnte geschehen: 1) durch Ermäßigung der Zollsätze auf gewisse Artikel, vorausgesetzt, daß die erstern mit den bestehenden Verhältnissen nicht im richtigen Einklang stunden; 2) durch Erhöhung der Zollsätze auf Artikel, welche in Amerika um deswillen nicht vollkommen genug hergestellt würden, weil ihre Produktion nicht genügend geschützt sei. Die heimische Produktion werde auf diese Weise angespornt werden, und die Folge wäre eine Verminderung der Einfuhr und damit der Zolleinnahmen; 3) durch Erweiterung der Freiliste auf Artikel, welche aus verschiedenen Gründen in Amerika überhaupt nicht oder doch nicht derartig hergestellt würden, um die Konkurrenz mit fremden Waren dieser Art aufnehmen zu können.

Für den schleunigen Erlaß der Bill fiel übrigens noch der Umstand entscheidend ins Gewicht, daß bei dem frühern Rechtszustand die Zollbemessung nicht einmal unter Importeuren derselben Ware und an denselben Häfen, geschweige denn in den verschiedenen Häfen eine einheitliche war. Zweifel hinsichtlich der Auslegung der verschiedenen Tarifbestimmungen führten zu steten Berufungen an den Finanzminister. Während des Fiskaljahrs 1888/89 wurden 25,349 Berufungen seitens der Importeure gegen Entscheidungen der Zollkollektoren eingelegt. Die bei den untern Instanzen angebrachten Klagen häuften sich so sehr, daß ihre Erledigung von den Behörden auf Jahre hinausgeschoben werden mußte, obwohl es sich teilweise um außerordentlich hohe Summen handelte. Schließlich haben auch die innern politischen Verhältnisse Nordamerikas auf den Erlaß der M. einen Einfluß geübt. In dem steten Zwiespalt der beiden großen Parteien in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, der Republikaner und der Demokraten, hatten die erstern, gestützt auf ihre Erfolge im Bürgerkrieg gegen den Süden (von 1860 bis 1864), bis zur Präsidentschaft des Demokraten Cleveland im J. 1884 das Zepter geführt. Bei der Wahl Clevelands waren die Republikaner zum erstenmal seit 25 Jahren unterlegen. Kein Wunder, wenn sie im J. 1888 alles aufboten, um wieder in den Besitz der Präsidentschaft zu kommen. Die Führer der republikanischen Partei verschmähten es nicht, mit den Großindustriellen des Ostens ein förmliches Geldgeschäft abzuschließen, in welchem sich die letztern als Gegenleistung eine Revision des Zolltarifs, d. h. extreme Schutzzölle, versprechen ließen. Durch die großen, ihnen somit zur Verfügung stehenden Geldmittel gelang es den Republikanern, bei der nächsten Präsidentenwahl im J. 1888 mittels massenhaften Stimmenkaufs die Wahl des Republikaners Harrison durchzusetzen. Die Gelddarleiher aber erhielten die vorgestreckten Summen mit hohen Zinsen durch die Einführung der M. zurück (vgl. die Ausführungen Anton E. Schönbachs in Nr. 470 der »Münchener Neuesten Nachrichten«).

Der neue Zolltarif und seine Wirkungen auf Europa.

Durch den neuen Zolltarif wird der Export vieler europäischer Produkte, welche bisher in großer Zahl nach Amerika eingeführt wurden, gehemmt. Wir beginnen mit Deutschland. Hier ist der Export von Spirituosen, ferner von Papierwaren und Textilwaren vornehmlich gefährdet. So ist beispielsweise der Zoll auf Ingwerweine und Ingwerliköre sowie auf Wermut in Gebinden von 20, resp. 50 Cent auf 75 Cent das Gallon erhöht worden. Werden die genannten Gegenstände in Flaschen oder Krügen von nicht mehr als ein Quart Inhalt importiert, so betrug der Zoll früher für das Gebinde von 12 Flaschen 1,60 Dollar, jetzt 2,50 Doll. Der Zoll auf Malzextrakt, flüssig, in Gebinden, betrug früher 20 Cent, jetzt beträgt er 35 Cent; in Flaschen oder Krügen früher 35, jetzt 60 Cent das Gallon. Sodann hat der Zoll auf Champagner eine beträchtliche Erhöhung erfahren. Auch die Ausfuhr von Wein und Bier ist erschwert, da nach dem neuen Zollgesetz (Abschnitt 19 des Gesetzes und Zusatz 8 der Mac Kinley Administrative Bin) der Wert der Verpackung zum Werte der Waren hinzugerechnet und von der Gesamtsumme der Zoll erhoben wird. Gerade bei der Versendung von Bier und Wein dürfte diese Bestimmung einen erheblichen Zollzuschlag zur Folge haben.

Die Papierwaren zeigen folgende Änderungen: mechanisch gemahlene Paste früher 10 Proz., jetzt 2,50 Doll. die Tonne trockenes Gewicht; chemisch hergestellte Paste früher 10 Proz., jetzt ungebleicht 6 Doll., gebleicht 7 Doll. die Tonne Trockengewicht. Papierkouverts früher 25 Proz., jetzt 25 Cent für 1000 Stück.

Um über die Folgen, welche der neue Zolltarif auf den Export Deutschlands nach den Vereinigten Staaten zu üben vermag, ein Urteil zu gewinnen, fügen wir die umstehende Tabelle bei, die einen Überblick über die an der Ausfuhr nach Amerika (1888/89) meistbeteiligten deutschen Industrien gewährt.