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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mac Kinley-Bill

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Mac Kinley-Bill (Wirkung auf außereuropäische Länder, Repressivmaßregeln).

Ausfuhr aus den Vereinigten Staaten während des Fiskaljahres 1888/89 (Mill. Doll.):

^[Liste]

Baumwolle 247,9 Pelzwerk 5,0

Brotstoffe 123,8 Sämereien 3,8

Fleisch- und Meiereiprodukte 104,1 Terpentinessenz 3,7

Ackerbaugeräte 3,6

Öl 52,6 Hopfen 2,8

Holz und Holzwaren 26,9 Kupferwaren, ausschließlich

Tabak u. Tabakfabrikate 22,6 Kupfererz 2,3

Eisen 21,1 Spirituosen 2,2

Tiere 18,3 Schiffsvorräte 2,1

Leder und Lederwaren 10,7 Zucker 2,1

Kupfererz 7,5 Paraffin 2,0

Ölkuchen 6,9 Bücher etc. 1, 7

Steinkohlen 6,6 Wagen und Teile davon 1,6

Fische 5,9 Flachs 1,6

Chemikalien 5,5 Gemüse 1,4

Früchte 5,0 Alle andern Artikel 28,9

Wirkungen der Bill auf außereuropäische Länder.

Wie aus der Tabelle I, welche den Anteil der europäischen Staaten an der Ausfuhr nach Amerika darstellt, hervorgeht, führt ganz Europa etwas über die Hälfte, nämlich 54,14 Proz. aller Waren, welche überhaupt nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika versandt werden, in dieselben ein. Die andern vier Erdteile exportieren mithin nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika zusammen nur 45,86 Proz. des Gesamtimports der letztern. Davon entfallen auf Westindien 10,46 Proz., auf Mexiko 2,86 Proz., auf Zentralamerika 1,15 Proz., auf Südamerika 12,36 Proz., auf Kanada 5,77 Proz., auf Asien und Australien zusammen 12,51 Proz., auf Afrika nur 0,48 Proz., auf alle andern Länder, Inseln und Plätze 0,27 Proz. Die obigen Angaben zeigen, daß außer der Ausfuhr Südamerikas, welches im Fiskaljahr 1888/89 insgesamt Waren im Werte von 92,14 Mill. Doll. nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika versandte, die Ausfuhr von Kanada gefährdet ist. An dem wirtschaftlichen Gedeihen Kanadas, als britischer Kolonie, hat auch England ein hervorragendes Interesse, und deshalb sind die Wirkungen der M. auf Kanada auch für Europa von großer Wichtigkeit. Im Fiskaljahr 1888/89 betrug die Gesamtausfuhr Kanadas rund 330 Mill. Mk. Am Ausfuhrhandel Kanadas sind fast ausschließlich England und die Vereinigten Staaten von Nordamerika beteiligt gewesen und zwar ungefähr zu gleichen Teilen, also je zur Hälfte. Es handelt sich also für Kanada scheinbar um die volle Hälfte seines Exports. Nun kommt aber in Betracht, daß über 30 Proz. der Ausfuhr Kanadas in die Vereinigten Staaten in Holz- und Waldprodukten bestehen, für welche der Zoll im allgemeinen nicht erhöht, vielfach aber um die volle Hälfte erniedrigt worden ist. Weitere 50 Proz. der Ausfuhr Kanadas nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika bestehen in landwirtschaftlichen Erzeugnissen: Heu, Vieh, Eiern und vor allem in Gerste. Bei diesen Produkten ist allerdings der Zoll beträchtlich erhöht, so z. B. bei Gerste um das Dreifache. (Der Zoll für Gerste betrug früher 10 Cent das Bushel von 48 Pfund, jetzt beträgt er 30 Cent.) In diesen Produkten wird also die Ausfuhr Kanadas wenn nicht aufhören, so doch erheblich zurückgehen. Indessen kann England, welches nur den dritten Teil seines Gebrauchs an Getreide selbst produziert, den hierdurch entstehenden Ausfall ohne Mühe decken, ebenso wie sich anderseits für England in Kanada möglicherweise eine neue Absatzquelle bezüglich derjenigen Waren eröffnet, deren Ausfuhr nach Amerika bei den erhöhten Zollsätzen nicht mehr möglich ist. England bezog, wie unsre letzte Tabelle lehrt, bisher Getreide und sonstige landwirtschaftliche Produkte in großen Massen aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Wie in Europa durch den Erlaß der M. der Arbeiterstand mancher Industrien schwer getroffen wird, so werden sich in Amerika die Folgen der Zollerhöhung hauptsächlich der großen Klasse von Konsumenten gegenüber schwer fühlbar machen. Das Gefühl der Unzufriedenheit mit dem neuen Gesetz wird dadurch ohne Zweifel im Volke genährt werden. Nicht bloß der arme Teil der amerikanischen Bevölkerung, welchem durch die Bill die notwendigen Bedarfsmittel verteuert werden, wird sich gegen das Gesetz auflehnen, sondern auch jene große und wohlhabende Gruppe der amerikanischen Farmer, welche für die Ausfuhr ihrer landwirtschaftlichen Produkte aus Furcht vor Repressivmaßregeln des Auslandes besorgt ist und von der Zollerhöhung auch sonst nur Nachteile hat, wird auf eine baldige Änderung des Zolltarifs hinarbeiten.

Für die Industrie scheint das Zollgesetz auf den ersten Blick nur günstig zu wirken. Für sie ist es ja gemacht, die Konkurrenz des Auslandes ist nunmehr entweder ganz ausgeschlossen oder doch wesentlich beschränkt. Gleichwohl wird das Gesetz auch auf die Industrie einen Einfluß üben, welchen die Großindustriellen Amerikas bei ihrer lebhaften Agitation für das Gesetz (s. oben) vielleicht nicht voraussahen. Die Produktion, welche sich schon früher in den Vereinigten Staaten von Nordamerika infolge der hohen Arbeitslöhne erheblich teurer stellte als in andern Ländern, wird sich infolge der M. in allen Zweigen der amerikanischen Industrie nochmals außerordentlich verteuern. Denn der Arbeiter muß bei den erhöhten Preisen auch seine Lohnansprüche noch höher stellen als früher. Seine Forderungen aber werden um so eher Befriedigung finden, als die Nachfrage nach Arbeitskräften infolge der Spekulationslust der Fabrikanten, welche den ihnen zu teil gewordenen Schutz ihrer Interessen so viel wie möglich ausbeuten wollen, und infolge der gesteigerten Unternehmungslust sonstiger Kapitalisten erheblich zunehmen wird.

Repressivmaßregeln Europas.

Infolge des erschütternden Eindrucks, welchen der Erlaß der M. in den am schwersten gefährdeten europäischen Staaten hervorrief, fand der Gedanke, im Wege der Repression gegen Amerika vorzugehen, außerordentlichen Anklang. Der land- und forstwirtschaftliche Kongreß zu Wien und die Presse fast aller europäischen Staaten forderten zu Gegenmaßregeln gegen Amerika auf. Es wurde in Vorschlag gebracht, eine europäische Zollunion (s. d.) zu begründen, welche ihre Spitze gegen die Vereinigten Staaten von Nordamerika richten sollte. Diese Zollunion dachten sich sogar viele auf der Basis des absoluten Freihandels, ohne zu beachten, daß die Mehrzahl der europäischen Staaten noch des Schutzes ihrer Industrien und des Ackerbaues dringend bedarf, und daß alle europäischen Staaten, mit Ausnahme Englands, auf die Finanzeinnahmen aus den Zollerträgen angewiesen sind. Eine andre Meinung ging dahin, es sollten alle europäischen Staaten eine Vereinbarung treffen, durch welche an den zwischen ihnen bestehenden Verhältnissen nichts geändert und nur ein gemeinsames Vorgehen gegen die Vereinigten Staaten von Nordamerika in Aussicht genommen würde. Aber auch auf dieser Basis wäre eine Einigung mit England, welches jeder Repressivmaßregel von Anbeginn an feindlich gegenüberstand, nicht zu erzielen gewesen. Auch andre europäische Länder hat-^[folgende Seite]