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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreich

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Österreich (Kaisertum: Handelspolitik, Eisenbahnen etc.).

Guld. (gegen 10,75 im Vorjahr) und der Betriebsüberschuß nur 55,000 Guld. (gegen 572,000 Guld. im Vorjahr).

Die Elbeschiffahrt zeigte nach den Aufschreibungen des Zollamtes Schandau im J. 1889 eine Ausfuhr von 18,365,936 metr. Ztr. und eine Einfuhr von 2,214,018 metr. Ztr. (gegen 20,201,442, resp. 2,041,797 metr. Ztr. im Vorjahr). Die Hauptartikel sind in der Ausfuhr neben Mineralkohlen (14,660,894 metr. Ztr.) Getreide (hauptsächlich Gerste und Malz), Hülsenfrüchte, Mahlprodukte, Steine und Ziegel. Hierbei ist das hauptsächlich über das Zollamt Herrnskretschen austretende Werk- und Brennholz (1889: 1,592,018 metr. Ztr.) nicht eingerechnet.

Auf der Weichsel und ihren Nebenflüssen war der Schiffs- und Warenverkehr im J. 1889 ein sehr lebhafter; er übertraf mit 1,688,963 metr. Ztr. das im Vorjahr verschiffte Quantum um 642,754 metr. Ztr. oder um 61,4 Proz. Die Hauptartikel waren Brennholz (1,149,905 metr. Ztr., hauptsächlich nach den preußischen Holzmärkten), dann Steinkohle und Koks (446,684 metr. Ztr., zumeist auf der Przemza nach Krakau). Zur Bewältigung dieses Verkehrs wurden 3670 Fahrzeuge in Anspruch genommen (gegen 3227 im Vorjahr).

Auf dem Gebiete der Handelspolitik kommt der nächsten Zukunft infolge des herannahenden Ablaufes der zwischen den maßgebendsten Staaten Europas bestehenden Handelsverträge eine entscheidende Bedeutung für die Gestaltung der internationalen Verhältnisse zu. Ö. hat gegenwärtig nur mit zwei Staaten Tarifverträge, die im J. 1892 ablaufen, den Vertrag mit Italien vom 7. Dez. 1887 und den Vertrag mit Serbien vom 6. Mai 1881. Alle andern Verträge sind Meistbegünstigungsverträge, die einer zwölfmonatlichen Kündigung unterliegen. Auf dem natürlichen Thätigkeitsfeld der österreichischen kommerziellen Interessen, dem Orient, ist inzwischen die handelspolitische Aktion bereits in Fluß gekommen. Durch die provisorische Verlängerung des Handelsvertrags mit der Türkei vom 22. Mai 1862 bis Ende 1890 ist die Neuregelung der Handelsbeziehungen mit jenen Ländern, mit welchen Ö. auf Grund dieses Traktats verkehrte, eingeleitet worden. Außer der Vereinbarung eines neuen Tarifvertrags mit der Türkei selbst wurden auch Verhandlungen mit den Tributstaaten Bulgarien und Ägypten betreffs besonderer Konventionen zur Regelung der wechselseitigen wirtschaftlichen Beziehungen gepflogen. Mit Ägypten haben dieselben bereits zur Unterzeichnung einer Handelskonvention 16. Aug. 1890 geführt. Der noch immer fortdauernde Zollkrieg mit Rumänien, welcher neuestens noch dadurch verschärft wurde, daß der bisher im Wege der Warennaturalisierung in der Schweiz und Holland unterhaltene Export im Dezember 1889 seitens der rumänischen Regierung dem allgemeinen Tarif unterstellt und somit gänzlich lahmgelegt wurde, bereitet der Geschäftswelt Österreichs und speziell Wiens großen Schaden. Über die Handelsbeziehungen zu Serbien s. unten: S. 673.

Hier ist noch einiger Maßregeln zu gedenken, welche auf die Förderung des Handels Bezug haben. Eine Neuerung auf dem Gebiete der Vertretung der auswärtigen Handelsinteressen ist die ständige Bestellung von Rechtsanwalten bei den Konsularämtern, bisher in Belgrad, Petersburg, Moskau, Sofia und Varna. Um ferner die künftigen Konsulatsbeamten zu fruchtbringender Thätigkeit zu befähigen, werden in jüngster Zeit einzelne Konsulatseleven behufs praktischer Ausbildung und näherer Kenntnis der heimischen Produktions- und Handelsverhältnisse den wichtigern Handelskammern zu zeitweiliger Dienstleistung überwiesen. Ein Gesetz vom 28. April 1889 betrifft die Errichtung und den Betrieb öffentlicher Lagerhäuser und die von denselben ausgestellten Lagerscheine. Durch die Einführung des Zweischeinsystems ist dem Warrant die erwünschte Umlaufsfähigkeit verliehen worden. Auf dem Gebiet des Eichwesens ist es gelungen, Ungarn endlich zur Anerkennung des österreichischen Eichstempels zu bewegen, wodurch insbesondere dem österreichischen Weinhandel ein schwer vermißter Vorteil gesichert wurde. Im österreichischen Handelsministerium wird gegenwärtig ein Zollbeirat errichtet, welcher die Aufgabe haben wird, über kontroverse Fälle der Bemessung der Zollgebühren sein Gutachten abzugeben. Mit 1. Jan. 1891 trat ein Gesetz, betreffend die Statistik des auswärtigen Handels, in Kraft; hiernach sind alle Waren bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr außer, wie bisher, nach Gattung und Menge, auch nach Herkunfts- und Bestimmungsland anzumelden.

[Eisenbahnen, Post und Telegraph.] Im J. 1889 wurden in Österreich-Ungarn 770,3 km neue Eisenbahnen (gegen 936,65 km im Vorjahr) dem öffentlichen Verkehr übergeben. Hiervon entfallen 299,6 km auf Ö., 470,7 km auf Ungarn. Die durchschnittliche Betriebslänge der österreichisch-ungarischen Eisenbahnen bezifferte sich Ende 1889 auf 25,661 km. Zu den wichtigern Eisenbahnbauten, welche seither in Angriff genommen wurden, gehört die Herstellung des zweiten Geleises auf der Linie Krakau-Lemberg der Karl-Ludwigbahn und die Linie Jaslo-Rzezow, welche Bauten namentlich im strategischen Interesse ihre Begründung finden. Die auf dem österreichisch-ungarischen Eisenbahnnetz im J. 1889 erzielten Transporteinnahmen beliefen sich auf 280 Mill. Gulden gegen 269,6 Mill. Guld. im J. 1888, waren daher um 10,4 Mill. Guld. höher. Auf den österreichischen Staatsbahnen ist 16. Juni 1890 eine Reform des Personentarifs in Geltung getreten, welche insofern einen Fortschritt bedeutet, als an Stelle der Mannigfaltigkeit des Tarifwesens die Einheit tritt und die Verbilligung des Verkehrs zum Prinzip erhoben worden ist. Die neuen Taxen gelangen nach Zonen von je 10-50 km zur Erhebung und betragen für Personenzüge 1 Kreuzer für das Kilometer in der dritten, 2 Kreuzer in der zweiten und 3 Kreuzer in der ersten Klasse. Für Schnellzüge tritt ein 50proz. Zuschlag hinzu. Das bisher gestattete Freigewicht von 25 kg für die Person fällt fort, und für je 10 kg und 1 km wird die Taxe von 0,2 Kreuzer berechnet. Die Regierung ist bestrebt, diesen Zonentarif auch bei den Privatbahnen zur Geltung zu bringen.

Ein Rückblick auf das österreichische Post- und Telegraphenwesen in den Jahren 1884-88 zeigt, in wie stetiger Entwickelung sich dieser Verwaltungszweig befindet. Die Zahl der Postanstalten wurde in diesem Zeitraum von 4191 auf 4554, die der Staatstelegraphenstationen von 1336 auf 1788, die der Eisenbahn- und Privattelegraphenstationen von 1567 auf 1743 vermehrt. Das Staatstelegraphennetz hat eine Erweiterung von 24,086 km Linien und 65,308 km Drähten auf 26,238 km Linien mit 71,742 km Drähten erfahren. Von den einzelnen Verkehrszweigen zeigt der Briefpostverkehr von 404 auf 480 Mill. Stück den größten Aufschwung; insbesondere haben Briefe von 288 auf 338, Korrespondenzkarten von 66 auf 85, Drucksachen von 41 auf 47, Warenproben von 8,2 auf 9,8 Mill. Stück zugenommen. Der hier nicht eingerechnete Zeitungsverkehr beläuft sich un-^[folgende Seite]