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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Porträt

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Porträt (im alten Griechenland und Rom).

wandte Männer in Form eines Januskopfes dar, z. B. Herodot und Thukydides, Aristophanes und Menander, Sokrates und Seneca. Ist nun der eine schon bekannt, so sind die Möglichkeiten für Deutung des andern Kopfes schon sehr eingeschränkt.

Wir wählen aus den neuerdings erst festgestellten Porträten fünf berühmte Namen aus; die uns erhaltenen Köpfe sind freilich meist nur dekorative Kopien nach guten Originalen, und daraus, nicht etwa nur aus der Holzschnittausführung, ist manche Schwäche der künstlerischen Darstellung zu erklären. Wir beginnen mit der Sängerin glühender Liebeslieder, der lesbischen Dichterin Sappho, welche durch Grillparzers gleichnamiges Drama auch weitern Kreisen nahegerückt ist. Sappho, geboren zu Mytilene oder Eresos auf Lesbos, lebte als jüngere Zeitgenossin des Alkäos zwischen 630 und 570 v. Chr. Außer einer Anzahl kürzerer Bruchstücke haben sich von ihren Oden, die meist in der nach ihr benannten, von Horaz viel angewendeten Sapphischen Strophe gedichtet waren, noch zwei erhalten. Sie zeigen große Innigkeit und Tiefe der Empfindung. Unsre Abbildung (Fig. 1) gibt eine Büste der Villa Albani zu Rom wieder. Daß sie die Sappho darstellt, lehren Münzen von Lesbos, welche genau denselben Kopf zeigen. Es ist natürlich kein wirkliches P., sondern zeigt uns nur, wie sich das spätere Altertum, etwa vom 5. Jahrh. an, seine große Dichterin vorstellte. Unsre Büste geht wahrscheinlich auf ein attisches Original des Silanion (ca. 350 v. Chr.) zurück (vgl. »Jahrbuch des archäologischen Instituts«, 1890). Ein wirkliches P. hingegen, wohl ebenfalls auf denselben Silanion zurückgehend, ist das des berühmten Geschichtschreibers des Peloponnesischen Krieges, des Thukydides, Sohnes des Atheners Oloros, vermutlich eines Nachkommen des gleichnamigen thrakischen Fürsten (lebte von ca. 471 bis 395 v. Chr.). Er nahm auf seiten der Athener selbst am Peloponnesischen Kriege teil und wurde von den Athenern verbannt, weil er 421 an der Spitze einer Flotte zu spät zum Entsatz des vom Lakedämonier Brasidas belagerten Amphipolis in Thrakien kam. Philosophischen Sinnes den Lauf dieser wunderlichen Welt betrachtend, immer nach den Gründen und Ursachen der Ereignisse forschend, hatte er gleich bei Beginn des Krieges, wie er selbst sagt, vorausgesehen, daß der Kampf an Größe und Merkwürdigkeit alle frühern übertreffen würde, und beschlossen, seine Geschichte zu schreiben. Seine Verbannung gewährte ihm Gelegenheit, selbst zu beobachten und zeitig mit der Ausarbeitung einzelner Teile zu beginnen. 404 kehrte er in die Vaterstadt zurück und fiel 395 durch Mörderhand. Wir sehen einen ernsthaften, ruhig beobachtenden, feinsinnigen Mann vor uns, den das Leben nicht zum Optimisten gemacht hat. Bekannt ist sein Bild durch eine Doppelherme in Neapel, welche seinen Kopf mit dem des Herodot, beide inschriftlich bezeugt, vereinigt. Unsre Abbildung (Fig. 2) gibt eine Büste in Holkham wieder. Vgl. Michaelis, Die Bildnisse des Thukydides.

Der dritte Grieche, dessen P. Silanion angefertigt haben soll, ist der Philosoph Platon, der Schüler des Sokrates (428-348 v. Chr.). Er war nicht nur ein großes dichterisches Genie, der, wie im Phädrus, dem Phädon und vielen Stellen des »Staates« den Leser unwiderstehlich durch den hohen Flug seiner Gedanken zu höhern Sphären mit sich fortreißt, sondern auch der scharfe Dialektiker und unerbittliche Logiker, der tapfere, ja leidenschaftliche Bekämpfer alles Schlechten. Namentlich diese letztere Seite scheint uns in dem hier gegebenen Bilde charakterisiert zu sein. Daß wirklich Platon gemeint ist, geht namentlich aus einer in Berlin befindlichen Herme mit wohlbeglaubigter Inschrift in den Schriftzügen des Zeitalters der Antonine hervor. Unsre Abbildung (Fig. 3) gibt eine Herme aus dem Casino di Pirro Ligorio zu Rom wieder. Es war ursprünglich eine Doppelherme, Sokrates und Platon vereinigend, die aber jetzt auseinander gesägt ist.

Etwas ganz Neues bietet der Kopf des großen Pompejus, des Triumvirn (106-48 v. Chr.), welcher nach der gegen Julius Cäsar verlornen Schlacht bei Pharsalus in Ägypten durch Mörderhand seinen Tod

^[Abb.: Fig. 3. Platon (Marmorherme in Rom).]

^[Abb.: Fig. 4. Büste des Pompejus (Paris, Louvre).]