Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Porträte, zusammengesetzte

726

Porträte, zusammengesetzte.

fand. Sein Bildnis ist bekannt durch die Münzen, welche seine Söhne Gnäus und Sextus, letzterer im Seekrieg gegen Oktavian (38-36), prägen ließen. Nach ihnen hatte man im Schatze der erhaltenen römischen Porträte lange nach feiner Marmorbüste gesucht und auch geglaubt, sie in einer großen Statue des Palazzo Spada in Rom gefunden zu haben. Helbig wurde auf einen in Paris befindlichen Kopf aufmerksam, welcher so auffällig mit den Münzen von Pompejus' Sohn Gnäus stimmt, daß die Identifikation zweifellos ward (s. die Abbildung der Münze und des Marmorkopfes, Fig. 4). Auf der Münze ist Pompejus abgebildet mit der Beischrift Neptuni. Gnäus Pompejus war auf seine Erfolge zur See so stolz geworden, daß er sich und seinen Vater als besondere Schützlinge des Neptunus betrachtete. Mit der Beschreibung, welche Plutarch von Pompejus gibt, stimmt unser Kopf vortrefflich, namentlich in dem Umstand, daß über der Stirn »das Haar sich aufbäumt«, ein Umstand, welchen Schmeichler benutzten, ihn mit Alexander d. Gr. zu vergleichen. Für die Beurteilung des Pompejus wirkt das Bild nicht günstig, ganz im Sinne Mommsens. Die breite, aber niedrige Stirn, sagt Helbig, deutet auf mäßige Intelligenz, auf Charakterschwäche die weichlichen Formen und die kleinen, verlegen blickenden Augen, die man meint, zwinkern zu sehen. Die aufgezogene und in drei tiefe Falten gefurchte Stirnhaut bedeutet fortdauerndes Nachdenken, also Unsicherheit der Entschlüsse. Der Eindruck der Gutmütigkeit wird aufgewogen durch die schmalen geschlossenen Lippen, in welchen Zurückhaltung und Mißtrauen liegt.

Wohl noch größer ist die Überraschung bei dem zweiten Römer, dessen Bildnis wir mitteilen, dem Philosophen Seneca (5 v. Chr. bis 65 n. Chr.), der auf ein Todesurteil Neros hin sich durch Öffnung der Adern den Tod gab. Man glaubte früher, sein Bild in einem Bronzekopf aus Herculaneum zu besitzen, welcher ein mageres, pathetisch erregtes Antlitz zeigt, doch ohne Grund. 1813 wurde auf dem Terrain der Villa Mattei in Rom eine Doppelbüste gefunden, welche den Sokrates auf der einen Seite, auf der andern den Seneca zeigt, beide durch Inschriften beglaubigt, deren eine auch auf unsrer Abbildung (Fig. 5) deutlich zu sehen ist. Doch kam die Herme in Vergessenheit, und erst als sie in den Besitz des Berliner Museums gelangt war, wurde ihr authentischer Wert allgemein bekannt (vgl. Hübner, Die Bildnisse des Seneca, in der »Archäologischen Zeitung« 1880). Der wohlgeformte Schädel mit dem an den Seiten nach der Mode der Zeit kurz geschornen Haar, die gefurchte Stirn, die lebendig blickenden, auffällig ungleichen Augen mit den hochgezogenen Brauen, der kleine Mund mit dem Doppelkinn und der kurze fette Hals auf breiten Schultern geben das Bild einer Individualität, wie man sie heute noch unter den Sechzigern in Italien und im südlichen Frankreich vielfach antrifft. Außerordentlich charakteristisch wiedergegeben erscheint der Zug des Denkers, die kluge, weltgewandte und von leichter Beredsamkeit überfließende Beobachtungsgabe des Staatsmannes, Redners und Schriftstellers.

Über die Porträtkunde nach Münzen geben Aufschluß: Imhoof-Blumer, Porträtköpfe auf römischen Münzen (Leipz. 1879); Derselbe, Porträtköpfe auf antiken Münzen hellenischer und hellenistischer Völker (das. 1885). Im Erscheinen begriffen ist ein umfangreiches Prachtwerk: »Griechische und römische Porträte«, nach Auswahl und Anordnung von H. Brunn und P. Arndt (Münch. 1891 ff.).

^[Abb.: Fig. 5. Seneca, der Philosoph (Marmorherme in Berlin).]

Porträte, zusammengesetzte, wurden 1879 von Galton und Spencer als Hilfsmittel für physiognomische und ethnologische Studien empfohlen, sofern durch Verschmelzung verschiedener Bilder derselben Person, Familie, Gesellschaftsklasse, von Stammes-, Berufs- oder Leidensgenossen die zufälligen Züge ausgeschieden und die bleibenden oder gemeinsamen mit verstärkter Kraft festgehalten werden. Die Verschmelzung kann auf verschiedenen Wegen bewirkt werden, entweder durch optische Mittel oder am besten mit Hilfe der Photographie. Zur Verschmelzung zweier photographischer Brustbilder, die in derselben Gesichtshaltung und Größe aufgenommen wurden, genügt ein einfaches Stereoskop, und man kann sich aus Aufnahmen, wie sie jedes photographische Familienalbum enthält, überzeugen, daß sich die unähnlichsten Porträte, selbst solche von männlichen und weiblichen Personen, sobald sie nur in Größe und Gesichtshaltung übereinstimmen, zu einem Mittel verschmelzen lassen, weshalb das sogen. Identiskop (Bd. 8, S. 875) ein sehr trügerisches Mittel ist, um damit die Identität zweier Personen erweisen zu wollen. Galton erdachte auch Apparate, um mittels Augengläsern aus isländischem Doppelspat 4-8 Porträte zur Deckung zu bringen; viel vollkommnere Ergebnisse liefert aber die von ihm angegebene, durch Batut und Bowditch verbesserte Methode der kombinierten Photographie, sei es der Personen selbst oder von deren Bildern, resp. deren Negativaufnahmen. Um eine genaue Deckung zu erzielen, bedient man sich einer besonders vorgerichteten Camera, in welcher sich ein beweglicher Spiegel befindet, der, zuerst unter 45° geneigt stehend, das zu verschmelzende Bild zunächst auf eine in die obere Wandung der Kammer eingesetzte halbdurchsichtige Glasplatte wirft. Auf dieser bezeichnet ein Kreuz (†) Mund-, Nasen- und Augenstellung, und das Bild wird nun so eingestellt, daß Augen, Nase und Mund der Ausnahmen der Vorderansicht auf die vorgezeichneten Linien fallen. Ist dies geschehen, so wird der Spiegel durch einen Druck in die Höhe geklappt, worauf er sich innen an die obere Kastenwand an-^[folgende Seite]