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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reichsbank, deutsche

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Reichsbank, deutsche (Diskontogeschäft).

Äquivalent für die Ausstellung eines eignen Wechsels durch den Grundbesitzer. Die Verbindung des Lombardverkehrs mit solchen »Lombardwechseln« habe sich bei der Darlehnskasse in Königsberg trefflich bewährt.

Gegen die Wünsche der Landwirtschaft wurde von erfahrener Seite geltend gemacht, daß die stete Einlösbarkeit der Banknoten und damit die Sicherheit einer geordneten Währung von der Liquidität der diskontierten Wechsel ausschließlich abhängt. Mit diesem Grundsatz aber verträgt es sich nicht, ungezählten Mengen von Grundbesitzern langsichtige und zweifelhafte Kredite zu gewähren. Milliarden Gelder in Solawechseln und Lombardscheinen anzulegen, ist der sichere Ruin der Reichsbank. Die Landwirtschaft kann sich aber auch nicht darüber beklagen, daß ihr der Kredit der Reichsbank nur in beschränktem Umfang zugänglich sei. Denn sie erfreut sich hinsichtlich ihres Kreditbedürfnisses ganz ähnlicher Privilegien wie Handel und Industrie. Die privilegierten und konzessionierten Landschaften und Hypothekenbanken gewährten von jeher den Grundbesitzern langsichtige Annuitätenkredite durch Emission unkündbarer Pfandbriefe; die Reichsbank kann im Hinblick auf ihre währungspolitischen Aufgaben mit jenen Instituten nicht konkurrieren. Ja, es wurde das Bedenken geäußert, daß die von der Reichsbank zur Anwendung gebrachte Art der Beleihung von Spirituslägern an Korrektheit zu wünschen übriglasse; nur um einem augenblicklichen Mißstand abzuhelfen, sei diese Maßnahme angezeigt erschienen, insofern die Brenner durch die neue Steuer angeblich sehr gedrückt waren. Im Gegensatz dazu wurde von agrarischer Seite dem Wunsche Ausdruck gegeben, die Reichsbank möge auch Wälder auf kurze Fristen beleihen; es empfehle sich, zu diesem Zwecke das Kapital der Reichsbank zu vergrößern.

Den richtigen Weg, auf welchem die Mittel der Reichsbank der Landwirtschaft flüssig gemacht werden könnten, deutete der Bankpräsident in seinem Schlußwort an: »Wir haben in Frankreich ganz besondere Einrichtungen für den Grundbesitz: ein großes Zentralinstitut mit Zweiganstalten in den Provinzen. Dieses Institut steht mit der Banque de France in genauester, innigster Verbindung, der Kredit wird in reichstem Maße gewährt, und es kommt dem Grundbesitz dadurch indirekt der Kredit der Bank zu statten. Ich meine, daß es am besten wäre, wenn Sie sich bemühten, ein solches Zweiginstitut zu bilden. Aber das Verlangen, daß ich das thun möchte, und daß die Reichsbank die Leitung dieser Anstalt übernehmen möchte, kann ich nicht gerechtfertigt finden: einmal, weil die Reichsbank eine solche Aufgabe nicht übernehmen kann, ohne ihrer eignen Berufsthätigkeit zu schaden, und zweitens, weil es sehr bedenklich wäre, wenn die Reichsbank mit einer Sache sich befassen sollte, die mit einer großen Notenbank völlig unverträglich ist. Denn die Kombination zwischen einer großen Notenbank und einer Grundkreditbank halte ich für äußerst bedenklich.«

Auch von den Handwerkern war Beschwerde darüber geführt worden, daß sie in ihren Kreditansprüchen seitens der Reichsbank zurückgesetzt worden seien. Dem entgegen vermochte der Präsident der Reichsbank zu konstatieren, daß er am 25. Nov. 1887 eine Zirkularverfügung an sämtliche Reichsbankstellen erlassen habe, in welcher ausdrücklich geschrieben steht: »es soll kein Unterschied gemacht werden zwischen den verschiedenen Ständen; auch der Handwerker soll Kredit haben, wenn er ihn verdient«.

3) Das Diskontogeschäft der Reichsbank.

Der wichtigste Geschäftszweig der Reichsbank ist die Diskontierung von Wechseln, dem Lombardgeschäft an Bedeutung schon deshalb erheblich überlegen, weil nur Wechsel nach dem Bankgesetze das Äquivalent für ungedeckt verausgabte Noten bilden dürfen. Unter den Wechseln selbst wird vorsichtige Auswahl getroffen, nicht nur insofern, als eine höchstens dreimonatige Verfallzeit und das Vorhandensein zweier sicherer Unterschriften für unerläßlich gilt, sondern weiter durch sorgsame Rücksichtnahme auf die Entstehung der Tratten. Denn die Sicherheit soll nicht nur in der Person des Kreditempfängers liegen, sondern namentlich auch in der Art des Kredits. Der Kredit nun, welcher von einer Zettelbank gewährt werden kann, ist (wie wiederholt betont wurde) in fremden Ländern schon seit fast 200 Jahren und auch bei uns bereits seit geraumer Zeit umschrieben. Nur für das legitime Warenbedürfnis dürfen Vorschüsse gewährt werden. Als statthaft erweist sich also nur derjenige Kredit, der einem Verkäufer erteilt wird, weil es ihm gelungen, einen Teil seiner Vorräte an einen soliden Mann zu veräußern. Unter einem legitimen Wechsel versteht man einen solchen, der auf den Käufer gezogen wurde, vorausgesetzt, daß für den Absatz der von ihm gegen Accept angeschafften Waren zuverlässige Aussichten vorhanden sind. Dementsprechend heißt es in der allgemeinen Anweisung, welche den Reichsbankanstalten erteilt ist: »Es sind nur solche Wechsel zum Ankauf geeignet, welche entweder aus dem Ankauf oder Verkauf von Waren oder Handelsgegenständen oder aus der Kreditgewährung seitens eines soliden Bank- oder Handelshauses herrühren, und bei welchen mit Gewißheit auf pünktlichen baren Eingang gezählt werden kann.«

Mit Recht wurde darauf hingewiesen, daß die Zulassung der Wechsel, welche aus einer Kreditgewährung von Bankhäusern hervorgehen, wirtschaftlich nicht unbedenklich, und daß deshalb gerade hier besondere Vorsicht geboten sei. Denn die Reichsbank laufe Gefahr, durch Einhaltung obiger Richtschnur die ungesündeste Börsenspekulation zu fördern, welche sie mit gutem Grunde namentlich auch im Lombardgeschäft zu bekämpfen suche. So ist in den allgemeinen Bestimmungen über den Geschäftsverkehr vom Juli 1889 ausdrücklich vorgesehen, daß bei Lombarddarlehen am Schlusse oder zu Beginn eines Monats ein Zinsminimum von 8, bei solchen am Schlusse oder zu Beginn eines Vierteljahrs sogar ein Minimum von 14 Tagen in Anrechnung gebracht werde. Viel bedenklicher als die Lombardierung erscheine aber die Unterstützung der Börse durch Diskontierung von Wechseln, welche für die Zwecke der Ultimoregulierung auf die das Spekulationsgeschäft vermittelnden Banken und Bankiers von den Kunden derselben gezogen werden. Solche Tratten als Kreditgewährungen von Banken anzusehen, liegt nahe; für ihre Diskontierung aber bekunden die auf Tantieme angestellten Bankbeamten in anbetracht der zweifellosen Sicherheit solcher Wechsel große Vorliebe. Zur Klarstellung der unsoliden Unterlage der meisten sogen. Bankwechsel nahm man auf einen Artikel des »Deutschen Ökonomist« vom 23. Nov. 1889 Bezug, welcher betont, daß nur die dem auswärtigen Handel dienenden Banktratten eine innere Berechtigung hätten.

Der Hauptzweck der Geldmacherei (so führt der »Deutsche Ökonomist« aus) ist die Versorgung der in Effekten spekulierenden Kundschaft der Bankiers mit den nötigen Mitteln. Der Bankier behält die für sei-^[folgende Seite]