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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Selenotropismus

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Selbstreinigung - Selenotropismus.

tatoren sind zu dem Schlusse gelangt, daß die oxydierenden Bakterienarten erst auftreten, wenn eine gewisse Verarmung der Bodenschichten an Nährstoffen Platz gegriffen hat. Noch andre halten die Mitarbeit der Wasserbakterien an der Bodenreinigung für sicher und selbstverständlich, weil ein gewisser Teil von Feuchtigkeit, die Sicker- und Grundwässer, unter realen Verhältnissen vom Boden nicht zu trennen sind. Jedenfalls aber spielen wie bei der S. des Wassers auch auf dem Boden die phanerogamen Pflanzen eine große Rolle. Beachtenswert für die S. des Bodens ist der Umstand, daß die Fäulnisbakterien nicht nur infolge des Aufzehrens des Nährmaterials absterben, sondern daß in weit höherm Grade die Einwirkung der von ihnen selbst gebildeten, immer massenhafter und konzentrierter auftretenden aromatischen Stoffwechselprodukte, die dem Phenol nahestehen, die weitere Entwickelung der Fäulnisbakterien hemmt. Auf diese Weise wird der Fäulnisprozeß geregelt und eine exzessive Ausbreitung desselben verhindert. Man wird auf Grund dieser Erkenntnisse die Bedenken fallen lassen können, welche der ausgiebigen Verbreitung rationeller Bodenberieselungsmethoden an so vielen Plätzen Deutschlands entgegengestanden haben und noch entgegenstehen, wie auch aus den Anforderungen an die Reinhaltung der Flüsse unter Mitberücksichtigung der S. manche Härte beseitigt werden konnte.

Von größter Bedeutung für die Beurteilung der S. des Bodens sind die Untersuchungen über das Vorhandensein Krankheit erzeugender (pathogener) Mikroben in den verschiedenen Erdschichten. Pasteur hatte angenommen, daß die Milzbrandbacillen im Innern der vergrabenen Kadaver Sporen bilden, welche durch die Thätigkeit der Regenwürmer an die Oberfläche des Bodens und von hier aus in Staubform auf die Futterstoffe gelangen. Durch Kochs Untersuchungen wurde die Unhaltbarkeit dieser Theorie in allen Einzelheiten erwiesen. Milzbranderkrankungen treten erfahrungsgemäß vielfach an solchen Örtlichkeiten auf, in deren Boden niemals Milzbrandkadaver beerdigt, noch Milzbrandstoffe von kranken Tieren abgesetzt worden sind. Dagegen werden Überschwemmungsgebiete an Flußufern, die Aufstauungszonen von Sümpfen und Seen äußerst häufig zu wahren Herden von Milzbrandausbrüchen, sobald Vieh auf den der Überschwemmung ausgesetzt gewesenen Strecken geweidet oder mit Pflanzen, welche auf diesen Stellen wuchsen, gefüttert wurde. Hieraus scheint sich zu ergeben, daß die Milzbrandbacillen an See- und Flußufern, an Sumpfrändern etc. auf halb abgestorbenen Pflanzengeweben aus abgelagerten Keimen sich entwickeln, zur Sporenbildung gelangen und diese sehr widerstandsfähigen Keime im Uferschlamm ablagern. Bei höherm Wasserstand und stärkerer Strömung des Wassers gelangen die keimhaltigen Schlammmassen auf Weideplätze und lagern sich hier auf Futterpflanzen ab, mit denen die Sporen von den Tieren aufgenommen werden. Wie auch andre pathogene Bakterien, sind die Milzbrandbacillen an die oberflächlichen Bodenschichten gebunden, sie entwickeln sich nicht mehr in einer Tiefe von 3 und nur ausnahmsweise in einer solchen von 2 m. Bei Impfung von Mäusen, Kaninchen, Meerschweinchen mit manchen Erdproben wird stets Tetanus erzeugt, und als Urheber wurden schlanke borstenförmige Bacillen erkannt, die sehr verbreitet im Boden vorkommen. Werden die Bodenproben über 100° erhitzt, so verlieren sie die Fähigkeit, Tetanus zu erzeugen, vollständig. Dem Typhusbacillus war als Entwickelungsgebiet eine Bodenschicht bis zu einer Tiefe von 50 cm zuerkannt worden. Es hat sich jedoch gezeigt, daß er noch in einer Tiefe von 3 m wächst und in unserm Klima während aller Jahreszeiten seine Entwickelungsfähigkeit bewahrt. Auch der Cholerabacillus erweist sich durch sein Vorkommen in entwickelungsfähigen Kolonien bei einer Tiefe von 3 m als zu den wenig empfindlichen Arten gehörig, doch scheint sein Wachstum an die Wärme und die Wasserverhältnisse gewisser Jahresmonate gebunden zu sein. Endlich sind auch die Malariakeime zu erwähnen, welche nur im Sumpfboden gedeihen. Bei der S. des Bodens handelt es sich nun auch um die Zerstörung dieser pathogenen Mikroben, welche durch Austrocknung, widrige Temperaturverhältnisse, Sauerstoff der Luft, Einwirkung des Sonnenlichts, meist aber wohl durch das Zusammenwirken mehrerer derartiger Faktoren herbeigeführt wird. Daß dabei aber die Stäbchenform der Mikroben sehr viel schneller erliegt als die Dauerform, ist bekannt. Ganz besonders mächtige Zerstörer der pathogenen Bakterien sind die Fäulnisbakterien. Sie entreißen jenen nicht allein die nötigen Nährstoffe und das unentbehrliche Wasser, sondern sie absorbieren auch den Sauerstoff und beladen die Grundluft mit Kohlensäure, wodurch die Bedingungen für die Entwickelung der pathogenen Bakterien aufgehoben werden. Für die Luft lassen sich Selbstreinigungsprozesse der besprochenen Art nicht mit Sicherheit nachweisen. Dem Sauerstoffverbrauch durch Tiere, durch Verwitterungs-, Verwesungs- und Verbrennungsprozesse stehen andre Prozesse gegenüber, welche Sauerstoff erzeugen. Ebenso verhält es sich mit der Kohlensäure. Als Verunreinigungen der Luft auftretende Gase, wie Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Kohlenwasserstoffe etc., unterliegen der Oxydation, wobei das Ozon, aber auch salpetrige Säure mitwirkt. Weiter geht unsre Kenntnis nicht. Manche Bakterien, die als Staub in die Luft gelangen, gehen durch Austrocknen zu Grunde, während andre die Entziehung des Wassers ohne Schaden ertragen. Auch das Licht tötet Bakterien. Alle diese Prozesse werden an Bedeutung weit übertroffen durch die Bewegung der Luft, welche eine so starke Verdünnung verunreinigender Beimischungen herbeiführt, daß man fast von vollständiger Beseitigung sprechen kann. Die Unterschiede im Gehalt der Luft an Bakterien je nach der Örtlichkeit zeigen dies sehr deutlich. Schließlich vollziehen sich Selbstreinigungsprozesse in den Organismen, in welche pathogene Bakterien gelangen. Treffen sie auf immune Individuen, so gelangen sie nicht zur Vermehrung, aber auch wenn letztere eintritt, wenn die Krankheit zum Ausbruch kommt, so werden doch nur unter bestimmten Verhältnissen die Bakterien Sieger über den ergriffenen Organismus. In andern Fällen tritt eine Stunde der Wendung ein, alle Körperausscheidungen beteiligen sich von einem bestimmten Krankheitsabschnitt an bei der Ausfuhr des Fremdartigen, alle Säfte, alle Zellen werden wieder frei und rein. Sie kehren in den vorherigen normalen Zustand zurück und erscheinen nach manchen akuten Ansteckungsleiden oft widerstands- und leistungsfähiger als vor dem Anfall.

Selenotropismus (Mondwendigkeit), eine der Sonnenwendigkeit (Heliotropismus) entsprechende Eigenschaft der Pflanzen, die Musset nach einer 1890 der Pariser Akademie vorgelegten Arbeit nachgewiesen haben will. Schon seit 1883 angestellte Versuche hatten ihn von der Thatsache überzeugt, daß sich junge Pflanzen in hellen Vollmondnächten dem Monde, wie sonst