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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Straßen

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Straßen (römische Heerstraßen und Handelswege).

Ähnliches läßt sich noch von manchen alten Verkehrsverbindungen anführen.

Römische Heerstraßen und Handelswege.

Mit der Herrschaft der Römer begann eine weitere und sehr wichtige Fortentwickelung des Straßenbaues. Zum erfolgreichen Fortgang ihrer Eroberungen und zur Behauptung der unterworfenen Länder bedurften die Römer eines Netzes von durch Kastelle und Stationen gesicherten Straßenverbindungen (viae militares). Schon in Italien zeichnete sich dieses große Kulturvolk besonders durch die Anlage großartiger S. aus, von welchen die 40 deutsche Meilen lange sogen. Appische Straße (via Appia) zwischen Rom und Capua, die 315 v. Chr. erbaut und später bis Brundusium verlängert wurde, die berühmteste ist. In Verbindung mit derselben stand die vom Kaiser Domitian angelegte via Domitiana von Sinuessa bis nach Puteoli. Zu den ältesten römischen Militärstraßen gehört ferner die via Flaminia, 220 v. Chr. vom Zensor C. Flaminius angelegt, von Rom durch Etrurien nach Ariminum, mit zwei Fortsetzungen: der vom Konsul M. Ämilius Lepidus 188 v. Chr. angelegten via Aemilia, von Ariminum nach Aquileja führend, und der gleichnamigen von M. Ämilius Scaurus 115 v. Chr. angelegten Straße, die über Pisa und Cumä nach Ligurien führte. Eine Seitenstraße der via Appia war die nach Kampanien führende via Campana, die mit der via Albana und Tusculana in Verbindung stand. Die Via Cassia führte von Rom nach der Militärkolonie Florentia in Etrurien (dem heutigen Florenz). Eine der schönsten und längsten römischen S. war die via Valeria, welche von Rom durch das Gebiet der Sabiner, Äquer und Marser bis an das Gebiet der Päligner sich erstreckte, als Fortsetzung der via Tiburtina, die in östlicher Richtung nach Tibur führte. Die Via Latina führte vom capenischen Thor durch das Liristhal bis Teanum und mündete schließlich in die Via Appia. Die Via Ostiensis ging auf der Westseite des Tiber bis zur Mündung desselben bei Ostia. Die via Postumia verband Cremona und Mantua. In den jenseit der Alpen liegenden schnell unterworfenen Ländern benutzten die Römer die angeführten Handelswege zum raschen Vorschieben ihrer Legionen, aber es waren doch auch noch, namentlich an der germanischen Grenze, zum Schutze derselben neue Marschlinien nötig.

Zur Zeit der Römerherrschaft bestanden schon folgende S. über die Alpen zur Verbindung von Italien mit Gallien und Germanien: 1) Über die Cottischen Alpen von Augusta Taurinorum (Turin) nach Arelate (Arles) im Süden von Gallien. 2) Über den Kleinen Bernhard (Alpes Grajae) von Augusta Praetoria nach Vienna (Vienne) und Lugdunum (Lyon). 3) Über den Großen Bernhard (Summus Poeninus) von Aosta nach Octodurum (Martigny) und von da über Vevey, Avenches nach Augusta Rauracorum (Augst bei Basel). 4) Die S. von Mediolanum (Mailand) über die Rätischen Alpen nach Brigantium (Bregenz): a) über den Splügen, b) über den Septimer von Chiavenna aus, c) von Como aus über den Bernhardin nach Chur. 5) Die Straße von Verona über den Arlberg nach Brigantium. Diese Straße, von hier mit Augsburg in Verbindung, ist unter dem Namen Via Claudia bekannt. 6) Die Straße über den Brenner und von da über Partenkirchen nach Augsburg wurde erst in der letztern Zeit der Römerherrschaft nutzbar gemacht. An diese S. reiht sich die Hauptquerverbindung von Lyon und Vienne an dem Rhône nach Genf und Vevey an. Ebenso von Bedeutung waren die S. von Lousanna (Lausanne) über den Jura nach Vesontio (Besançon) und von da über das heutige Belfort nach dem Oberrhein, nämlich nach Augusta Rauracorum und nach Argentoratum (Straßburg).

Im obern Rheinthal von Basel bis Mainz hatte nur die linksseitige Rheinebene für die Römer einen strategischen Wert, und die von denselben besonders auf dem Hochgestade angelegte Militärstraße diente als eine Operationsbasis zur Deckung Galliens gegen die Einfälle der Germanen. Im rechtsseitigen Rheinthal längs der Schwarzwaldvorberge und längs des Odenwaldes, das für die Römer keinen militärischen Wert hatte, finden wir keine von den Römern angelegten S. Die sogen. Bergstraße, keltischen Ursprungs, diente als Handelsweg zwischen den wenigen keltischen und römischen Niederlassungen. Von einiger Bedeutung war die Querverbindung von Straßburg über Baden (Aquae Aureliae) und Pforzheim nach der Station Clarenna (Kannstatt) an der Straße nach Reginum (Regensburg). Diese letztere Straße begann nach der sogen. Peutingerschen Tafel (einer römischen Straßenkarte aus der Zeit des Kaisers Alexander Severus) in Vindonissa (Windisch), ging bei Zurzach über den Rhein, gewann sodann den Hohenranden und erreichte bei der Station Brigobanna das Donauthal. Von hier aus überschritt die Straße die Wasserscheide von Donau und Neckar und folgte dem linksseitigen Höhenrücken desselben über den Schönbuchwald nach Kannstatt. Eine Station weiter erreichte sie den limes (Pfahlhag), die Grenzwehr des römischen Reiches, und zog von da, einen weiten Bogen linksseitig der Donau beschreiben, nach Regensburg (Reginum). Auch von Heidelberg, d. h. von Wisloch, aus bestand eine Querverbindung mit den Stationen am limes. Alle diese römischen S. mit den Stationen, Niederlassungen und Fundorten sind auf einer von Paulus zusammengestellten archäologischen Karte für das Königreich Württemberg angegeben. Was die elsässische und pfälzische Rheinthalebene anbelangt, so war dieselbe zur Römerzeit sowohl von Kelten (Galliern) und von den deutschen Stämmen der Triboker, Nemeter und Vangionen als auch von den Römern bewohnt. Wir treffen daher auch hier außer der Militärstraße längs des Rheinhochgestades und der Bergstraße noch verschiedene Abzweigungen derselben. Alle diese S. ermöglichten einen raschen Aufmarsch der Legionen an den bedrohten Punkten und trugen wesentlich dazu bei, daß die Römer das gallische Rheinland noch ca. 150 Jahre länger behaupten konnten als das sogen. Zehntland oder das rechtsseitige Vorland des Rheins. Bezüglich der römischen S. am Unterrhein bieten die Angaben von Schneider die beste Belehrung. Im großen ganzen haben wir die Hauptmarschrouten, welche die Römer übernahmen, schon bei den vorgeschichtlichen S. erwähnt.

In der Tiefebene Norddeutschlands schreibt man jetzt die sogen. Bohlenwege durch die Moore ebenfalls den Römern zu. Sie sollen in ihrem Anfang und ihrer Richtung nach mit dem Eindringen der Römer in Verbindung stehen, da sie von W. nach O. liegen. Diese Wege sind angeblich die von Tacitus erwähnten pontes longi und bestehen aus gegen den Kern gespaltenen, auf Langschwellen ruhenden Blöcken von hartem Holz. Im sumpfigen Hochland von Lothringen werden die aus Lagen von gebrannten Lehmplatten bestehenden Überbrückungen (briquetage de la Seine) ebenfalls auf römischen Ursprung zurückgeführt.