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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Straßen

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Straßen (vorgeschichtliche Straßen in Deutschland).

delsweg wurde in seiner ganzen Ausdehnung von den Römern übernommen und als Hauptmarschroute benutzt. Die zur Römerzeit unwirtlichen Zustände des obern rechtsseitigen Rheinthals zwischen Basel und Mainz erforderten die Anlage einer neuen römischen Militärstraße längs des linksseitigen Hochgestades des Rheines. (Vgl. Näher, Die römischen Militärstraßen und Handelswege in der Schweiz und Südwestdeutschland, Straßb. 1887.) 3) Ein ebenso wichtiger vorgeschichtlicher Handelsweg war der von Genua nach der Elbemündung, über die Apenninen nach Mailand (Mediolanum), den Splügen überschreitend, nach Bregenz. Von da ist es zweifelhaft, ob diese Straße dem westlichen Ufer des Bodensees folgte, oder ob sie über Augsburg führte. Den Übergang über die Rauhe Alb nehmen wir bei Heidenheim an, ebenso, daß der Weg bei Miltenberg den Main erreichte. Von dort soll er unter dem Namen Eselspfad dem Höhenrücken des Spessart gefolgt sein und die Kinzig bei Wirtheim überschritten haben. Das nächste Ziel war der Vogelsberg, dann Alsfeld und Kassel, wo eine Strecke desselben noch erhalten und unter dem Namen Bremer Straße bekannt ist. Von hier aus zieht der Weg östlich am Bad Hofgeismar vorbei bis zur Weser bei Herstelle. Jenseit des Flusses läuft der alte Weg dem Sollinger Wald entlang nach Holzminden, in das Thal der Leine bis Hannover und zieht sodann, eine nordwestliche Richtung einhaltend, über Zeven nach Bremervörde und Kuxhaven. Durch Italien und die Schweiz ist dieser vorgeschichtliche Weg die spätere römische Heerstraße, wie sie im Werke von Näher beschrieben und aufgezeichnet ist. 4) Als einen weitern größern vorgeschichtlichen Handelsweg bezeichnet Schneider den von der Donau in nordwestlicher Richtung nach der Emsmündung führenden. Er soll von dem berühmten Handelsplatz Carnuntum an der Donau über Preßburg und Wien nach Böhmen (Budweis und Pilsen) gezogen sein. Von Eger aus weiter führte er über den Frankenwald und über den Rücken des Thüringer Waldes, wo er unter dem Namen Rennsteig bekannt ist, nach Kassel. Von hier aus setzte er sich über Warburg und Paderborn nach Rietberg fort, von wo er der Ems bis Bingum (Leer) folgte. 5) und 6) Von der Ems aus sollen noch zwei vorgeschichtliche Handelswege in östlicher Richtung zur Elbe geführt haben; der eine von Lathen aus, der als eine rein germanische Völkerstraße zu betrachten ist und auch urkundlich 788 den Namen Falkweg führte; der andre Weg ging von Bingen aus ab, überschritt bei Minden die Weser und zog über die Gegend von Braunschweig nach Magdeburg an die Elbe. Einzelne Strecken dieses Weges sind noch unter den Namen: Kriegerstraße, Heerstraße bekannt. 7) Eine bekanntere vorgeschichtliche Straße, welche die Römer später zu Kriegszwecken benutzten, ist die von Xanten am Rhein bis zur Elbe bei Stade. Bedeutende römische Münzfunde sowie auch die Funde von Bronzegeräten, Bernsteinstücken längs dieser Straße bekunden, daß hier schon vor den Römern ein Tauschhandel zwischen dem Norden und Süden stattgefunden hat. Einen lehrreichen Überblick über diese vorgeschichtlichen Handelswege und über die von den Römern später übernommenen und zu Kriegszwecken benutzten Strecken derselben in dem Tiefland zwischen dem Rhein und der Elbe gewährt die Karte in Heft 9 des angeführten Werkes von Schneider.

Auch im Südwesten von Deutschland lassen sich zahlreiche vorgeschichtliche oder keltische Wegverbindungen nachweisen. Sind doch gerade die in der neuesten Zeit gemachten Funde an Bronzegeräten, Bein- und Thongeschirren sowie an Steinbeilen bei den Pfahlbauten ein untrüglicher Beweis, daß schon vor den Römern Handelsverbindungen zwischen den keltischen Niederlassungen an den Seen der Schweiz und des Binnenlandes von Schwaben bestanden haben, welche bestimmte Wegrichtungen einhielten. Da die Lage der Ansiedelungen der ersten indogermanischen Stämme in Westeuropa bekannt ist, so kann man auch mit Wahrscheinlichkeit auf die ersten Handelswege schließen. Cäsar und Tacitus führen die Kelten als Urbewohner des Oberrheins an; diese behaupteten damals die Donauländer, die Schweiz und Frankreich und standen, als die Römer sie kennen lernten, auf einer hohen Stufe der Kultur. Schon etwa 200-300 Jahre v. Chr. singen die Einwanderungen der germanischen Stämme, der Sueven, Vangionen, Nemeter, Tribeker etc. an. Nur die erstern wurden nach der Niederlage ihres Führers Ariovist wieder nach Osten zurückgedrängt. Die zahlreichen keltischen Städte, die schon Ptolemäus in den Gebieten des Rheins, Neckars, des Mains und der Donau angibt, ferner die Beibehaltung der rein keltischen Benennungen für unsre meisten Berge, Flüsse, Gaue, Tiere, Pflanzen und Geräte etc. während der Römerherrschaft beweisen zur Genüge, daß die Kelten in der Kultur nicht so weit zurück waren, wie die römischen Schriftsteller sie schilderten. Bär (»Chronik der S. im Großherzogtum Baden«) weist bei der Beschreibung mancher Straße auf den keltischen Ursprung derselben hin und sagt ganz richtig: »Der beste Beweis, daß die römischen S. den keltisch-germanischen folgten, liefert der älteste Verkehr zwischen Italien und dem Norden.« Alle diese Straßenzüge liefern mehr oder weniger Funde von Bernstein aus der Nordsee (der ostpreußische Bernstein kam erst im Anfang unsrer Zeitrechnung in den Handel), Zinn aus Britannien sowie etruskische und keltische Bronzearbeiten. Am Oberrhein müssen wir namentlich die beiden sogen. Bergstraßen, welche einerseits den Vorhügeln des Schwarzwaldes und Odenwaldes, anderseits ebenso dem Vogesen- und Hardtgebirge folgten, auf keltischen Ursprung zurückführen. An diese schließen sich nach W. und O. Wege an, die längst vor der Römerzeit von den Ureinwohnern benutzt wurden, so von der Gegend von Schaffhausen über Stockach nach Ulm, von Breisach über Freiburg nach Zarten (Tarodunum) und von da über den sogen. Turner nach Villingen und dem obern Donauthal. Von Straßburg (Argentoratum), einer alten keltischen Niederlassung, ging ein sehr alter Handelsweg über die Hausberge (bei der Musau) und den Göftberg in ziemlich gerader Richtung nach Zabern. Mittels einer starken Steige erreichte dieser Weg das Gebirge und die lothringische Hochebene bei Saarburg und zog von da nach Metz, der Hauptstadt der keltischen Mediomatriker. Diese Straße wurde als eine wichtige Operationslinie aus dem Herzen Galliens an den Oberrhein von den Römern übernommen und unterhalten. Ein andrer sehr alter Handelsweg zog von Metz über Saarbrücken nach Kaiserslautern und von da über Alzey nach Mainz. Rechtzeitig war die Gegend von Heidelberg, namentlich Lopodunum (Ladenburg), schon vor der Römerzeit von Kelten und Galliern bewohnt und mit Verbindungswegen versehen. Speier (Noviomagus) war die Hauptniederlassung der Nemeter, und es dürften die Wegverbindungen nach Kaiserslautern, nach Worms und anderseits nach Heidelberg und Worms ebenfalls auf keltischen Ursprung zurückzuführen sein.