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Deutsche Kolonisation in Posen und Westpreußen
den in Piemont (Freib. i. B. 1891); F. Galanti, I Tedeschi sul versante meridionale delle Alpi (Rom 1885); G. Giordani, La colonia tedesca di Alagna-Valsesia e il suo dialetto (Turin 1891).
Deutsche Kolonisation in Posen und Westpreußen. Um das deutsche Element in den von Polen stark bewohnten Provinzen Posen (800,000 Polen) und Westpreußen (400,000 Polen) nachhaltig zu stärken, hatte man bereits früher den Plan gefaßt, größere Güter in diese Provinzen, namentlich von polnischen Besitzern zu kaufen, zu parzellieren und derartige kleine Güter an Deutsche, insbesondere an protestantische Bauern unter günstigen Bedingungen zu verkaufen. Für die Provinz Posen liegen eingehende Arbeiten über die dortigen Besitzverhältnisse vor. Danach verteilen sich die Güter dieser Provinz wie folgt:
Personen Güter Hektar
Körperschaften u. regierende Familie:
Staatsforsten 46 173499
Staatsdomänen - 53 43105
Kirchen und Stiftungen - 27 965?
Königliches Haus 3 15 12006
Fürst von Hohenzollern 1 6 23482
^[horizontaler Abstand]
Fürstliche, gräfliche u. größere Besitzer:
Deutsche Regentenfamilien 7 21 36229
Andre deutsche Fürsten 6 28 42793
Fürsten polnischer Abkunft 9 44 34980
Deutsche Grafenfamilien 16 32 41 594
Polnische Grafenfamilien 66 175 138606
Sonstige Adlige mit größerm Besitz 59 169 184258
Bürgerliche mit größerm Besitz 29 79 92095
^[horizontaler Abstand]
Übriger Besitz:
Adlige Familien 450 560 )
}698131
Bürgerliche Familien 897 778 )
^[Additionslinie]
Zusammen: 1543 2033 1580435
Von dem gesamten Grundeigentum der deutschen Regentenfamilien und andrer Fürstenfamilien deutscher und polnischer Abkunft kann man annehmen, daß es in ähnlicher Weise wie die Domänen und Forsten des Staates vor Veräußerung gesichert ist, da, wo kein Familiengesetz die Unveräußerlichkeit verbürgt, der Reichtum und die Traditionen der fürstlichen Familie die Güter vor dem Verkauf schützen. Bei dem gräflichen Grundbesitz ist allerdings schon viel in kleine Anteile zersplittert, dennoch wiegen die großen, in einer Hand vereinigten Güter durch ihre Masse dermaßen vor, daß man im ganzen das den gräflichen Familien gehörige Grundeigentum als ein nahezu ebenso befestigtes wie das im Besitz fürstlicher Familien stehende ansehen kann. Die weitverbreitete Meinung, es seien durch Handel und Gewerbe reich gewordene Bürger zu Scharen die Nachfolger der ehemaligen polnischen Grundherren geworden, erscheint als eine durchaus irrtümliche, da herrschaftliche Besitzungen von mehr als 2000 Hektar in bürgerlichen Händen sich weniger befinden als in denen des einfachen Adelstandes. Die durch Gesetz vom 28. April 1886 ins Leben gerufene Ansiedelungskommission für Posen und Westpreußen mit den: Sitz in Posen hat die Aufgabe, Güter von polnischen Besitzern anzukaufen, zu parzellieren und an deutsche Kolonisten zu veräußern. Die preußische Regierung wies zu diesem Zweck 100 Mill. Mark an. Obschon man sich auf Erfahrungen nicht stützen konnte, da in Preußen seit 80 Jahren kein neues deutsches Dorf mehr auf slawischem Boden aufgebaut worden war, so hat man nach einer von jener Ansiedelungskommission verfaßten Denkschrift bereits Bedeutendes geleistet. Bis Ende 1891 wurden 98 größere Güter angekauft mit einer Fläche von 48,66563 Hektar für 29,376,816 Mk. und 32 Bauernwirtschaften mit einer Fläche von 1334,37 Hektar für 904,295 Mk., zusammen also 50,000 Hektar für 30,281,111 Mk. Die 82 Rittergüter verteilen sich auf die einzelnen Jahre wie folgt:
1886 16 Güter mit 11749,59 Hektar
1887 27 14825,77
1888 19 9523,55
1889 8 4800,63
1890 12 7767,09
1891 16 8526,41
Von diesen 98 Rittergütern entfallen 68 mit 38,634 Hektar auf die Provinz Posen, 30 mit 18,558 Hektar auf Westpreußen. Dazu kommt noch ein angekaufter bäuerlicher Besitz von 1334 Hektar. Eine große Anzahl andrer Güter wurde von deutschen wie von polnischen Besitzern angeboten, aber aus verschiedenen Gründen nicht erworben. Der Ankauf deutscher Güter erfolgte meist, um der Konkurrenz polnischer Interessenten zu begegnen. Von den 82 angekauften Rittergütern waren bis Ende 1890: 42 vollständig parzelliert, und von diesen 33 vollständig oder zum allergrößten Teil mit deutschen Kolonisten besetzt, und zwar 30 Dörfer von deutschen Protestanten, 3 von deutschen Katholiken. In 16 Ansiedelungen ergab im November 1889 eine Zählung, daß neben 2441 Deutschen 415 Polen wohnten. Seit 1886 haben sich bei der Ansiedelungskommission 4337 Bewerber gemeldet mit einem Gesamtvermögen von 19,338,181 Mk. Von den 978 eingerichteten Stellen wurden bis Ende 1890 964 zum Verkauf gestellt. Von diesen wurden 712 Stellen begeben, auf denen 690 Ansiedlerfamilien wohnen, davon 183 aus Posen, 150 aus Westpreußen, 78 aus Schlesien, 61 aus Brandenburg, 51 aus Pommern, 31 aus Württemberg (evangelische Schwaben), 28 aus Westfalen, 21 aus Rheinland, 45 aus andern preußischen Provinzen; 36 waren aus Rußland zurückgewandert. Von jenen 712 Stellen wurden 555 zu Kauf gegen Rente, 146 zu Pacht auf Zeit begeben, 11 als freies Eigentum verkauft. Von den 4537 Bewerbern um Land waren 4092 Evangelische, 428 Katholiken, 12 Mennoniten und 5 Juden. Am 1. Dez. 1891 befanden sich in der selbständigen Bewirtschaftung von Ansiedlern im Regierungsbezirk Posen 194 Stellen, im Regierungsbezirk Bromberg 381, in der Provinz Westpreußen 196, zusammen 771 Stellen mit 5082 Köpfen, wovon 2670 Provinzialfremde. Die eingerichteten Stellen sind von sehr verschiedener Größe; 116 haben eine Fläche von 25 Hektar und darüber, 361 von 13-25, 381 von 4-13, 83 von weniger als 4 Hektar. Die bis Ende 1890 planmäßig parzellierten 20,799 Hektar verteilen sich auf 978 Ansiedlerstellen von 17,396 Hektar, auf Ländereien für öffentliche Zwecke (Kirche, Pfarre, Schule, Schulze etc.) 1124 Hektar und für spätere Begebung 2279 Hektar. Für den Unterricht ist in ausgiebigster Weise gesorgt. In den Jahren 1888 und 1889 wurden 12 Schulen errichtet, 1890 kamen 10, 1891: 11 weitere hinzu. Auch die kirchliche Versorgung ist mit besonderer Sorgfalt ins Auge gefaßt worden, und mehrere neue Kirchen sind im Bau begriffen. Die eingerichteten Volksbibliotheken werden namentlich in den ältern Kolonien fleißig benutzt. Postagenturen und Posthilfsstellen wurden an mehreren Orten errichtet. Der Obstbau bürgert sich rasch ein; 1889 wurden 5000 Obstbäume gepflanzt, 1890 erhielten durch Vermittelung der Ansiedelungskommission 262 Besitzer 7192 Obstbäume. Die deutsche Kolo- ^[folgende Seite]