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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Eisenbahnbetriebssicherheit

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Eisenbahnbetriebssicherheit (Oberbau, Schienen)

schen London und Dover, London und Brighton und zwischen London und Edinburg, vorkamen, während auf den übrigen Linien erheblich langsamer gefahren wird.

Fahrgeschwindigkeit der europäischen Schnellzüge

(Sommer 1890).

Land Schnellzug-Kilometer In Minuten Durchschnittliche Geschwindigkeit in der Stunde: Kilometer

England 74599 77557 57,7

Preußen (Staatsbahnen) 56192 64673 52,1

Norddeutschland 57570 66413 52,0

Holland 12236 14780 49,6

Frankreich 95192 117316 48,7

Belgien 12977 16127 48,3

Dänemark 1606 2068 46,6

Süddeutschland 31409 40600 46,4

Österreich-Ungarn 37975 50698 44,9

Italien 21005 29688 42,5

Rußland 25773 41498 37,3

Schweiz 10190 16829 36,3

Schweden 6946 11483 36,3

Übrigens hat auch der häufig als schnellster Zug der Welt bezeichnete Schnellzug von London nach Edinburg der Great Northern Railway, der sogen. Flying Scotchman, welcher die 632 km lange Strecke in 8 Stunden 30 Min., also in der durchschnittlichen Geschwindigkeit von 74,4 km in der Stunde, zurücklegt, einen beachtungswerten Konkurrenten in einem Schnellzug der preußischen Staatsbahnstrecke Berlin-Hamburg gefunden. Derselbe durchfährt die 269,5 km lange Strecke in 3 Stunden 44 Min. mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 77,5 km in der Stunde, wobei noch zu beachten ist, daß die 7,3 km lange Strecke von Berlin-Friedrichstraße bis Charlottenburg der Berliner Stadtbahn nur mit einer Grundgeschwindigkeit von 45 km in der Stunde befahren werden kann. Wenn auch der englische Zug durch die größere Länge der durchfahrenen Strecke noch einen gewissen Vorsprung vor dem Berlin-Hamburger Schnellzug hat, so dürfte durch den letztern doch erwiesen sein, was bisher von manchen Seiten bezweifelt wurde, daß auf den preußischen Staatsbahnen dasselbe Maß von Geschwindigkeit wie auf den englischen Bahnen geleistet werden kann. Wenn eine solche Geschwindigkeit bei den preußischen Staatsbahnen gegenwärtig noch nicht in weiterm Umfang zur Anwendung kommt, so hat dies nur darin seinen Grund, daß eben, abweichend von den englischen Verhältnissen, die übrigen dabei wesentlich mitsprechenden Umstände, namentlich die durch die Rücksichtnahme auf das Publikum der Zwischenstationen und auf anschließende Seitenstrecken bedingten zahlreichern Aufenthaltspunkte, noch bei den meisten Strecken von überwiegendem Einfluß sind.

Das berechtigte Drängen des Publikums und das Streben der Eisenbahnbehörden geht aber dahin, für die den internationalen Überlandverkehr vermittelnden Züge auch Geschwindigkeiten einzuführen, welche hinter denjenigen vereinzelter englischer Züge nicht mehr zurückstehen werden.

Eisenbahnbetriebssicherheit. Die Hauptgesetzbücher für die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs sind in Deutschland: das Bahnpolizeireglement und die Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands, beide vom 30. Nov. 1885 (in Kraft getreten 1. April 1886). Diese beiden Verordnungen sind vom Reichskanzler in Gemäßheit der vom

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Bundesrat auf Grund der Artikel 42 und 43 der Reichsverfassung gefaßten Beschlüsse erlassen. Beide enthalten die grundlegenden und einheitlichen Bestimmungen über den betriebssichern Zustand der Bahnanlagen, den Zustand und die Unterhaltung der Betriebsmittel, die Handhabung des Betriebes, die Befähigung und Pflichten der Bahnpolizeibeamten und schließlich im besondern die allgemein zur Anwendung gelangenden Signale für den Zugbeförderungsdienst. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist zunächst der dauernd und fraglos betriebssichere Zustand der Eisenbahn und aller Nebenanlagen, und hier wiedersteht in erster Linie der gute Zustand des Eisenbahnkörpers (Damm oder Einschnitt), der Brücken und des Oberbaues. Für die Konstruktion des Bahnkörpers, der Brücken und des gesamten Oberbaues, einschließlich der Weichen, Drehscheiben, Schiebebühnen und andrer hierher gehöriger Einrichtungen, sind überall von den Landesaufsichtsbehörden Normalbestimmungen erlassen, von welchen nicht abgewichen werden darf, und welche im Projekt bei jeder Neuanlage der landespolizeilichen Prüfung und nach Fertigstellung der Bahn der landespolizeilichen Abnahme unterliegen.

In den letzten Jahren ist bei den immer gesteigerten Anforderungen an die Betriebsleistungen der großen Überlandbahnen, die den internationalen Verkehr vermitteln, und der Forderung, immer schneller zu fahren, sowie bei den leider mehrfach vorgekommenen großen Unglücksfällen viel über die Haltbarkeit und Tragfähigkeit der zur Verwendung gekommenen Schienen gestritten worden. Die preußische Staatseisenbahnverwaltung verwendet auf den Hauptbahnen jetzt eine breitbasige Schiene aus Gußstahl von 9 m Länge, 134 mm Höhe, 58 mm Kopfbreite, 105 mm Fußbreite und 11 mm Stegstärke. Die Schiene wiegt 33 kg auf den laufenden Meter. Diese Schiene wird auf gewalzten eisernen Lang- oder Querschwellen oder auf hölzernen Querschwellen verlegt. Die letztere Art ist die häufigere. Die 9 m lange Schiene wird in diesem Falle mit sogen. schwebendem Stoß auf je 11 Schwellen verlegt, von denen jede eine eiserne, 10 mm starke Unterlagsplatte erhält. Noch vor wenigen Jahren wurden nur 10 Schwellen auf die 9 m lange Schiene verwendet, auch die Schiene selbst war in den Hauptabmessungen geringer; so z. B. betrug die Höhe nur 130 1/2 mm und die Stegstärke nur 10 mm. Die zumeist aus Kiefernholz bestehenden Schwellen werden vor der Verwendung mit einer Lauge aus Chlorzink und Kreosotöl imprägniert. Die Längsverbindung von Schiene an Schiene wird durch sehr kräftige und rationell konstruierte Laschen hergestellt, die Befestigung auf den Schwellen erfolgt durch Hakennägel und Schrauben. Dieser Oberbau muß als vollkommen ausreichend selbst für die mit 90 km Geschwindigkeit fahrenden Züge bezeichnet werden. Es kommen auch thatsächlich auf den preußischen Staatsbahnen, wie überhaupt in Deutschland, sehr wenig Unfälle vor, welche auf Schienenbrüche oder sonstige mangelhafte Beschaffenheit des Oberbaues zurückzuführen sind. Wenn in den letzten Jahren mehrfach vor Gericht und in der Öffentlichkeit die Unredlichkeit einiger Schienenwalzwerke bei der Herstellung und Lieferung von Schienen verhandelt worden ist, so sind derartige Vorkommnisse gewiß außerordentlich bedauerlich, sie lassen aber trotzdem den Schluß nicht zu, daß bei den deutschen Eisenbahnen geflickte oder sonst mangelhaft hergestellte Schienen zur Verwendung kommen und dadurch die