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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Geodätisches Institut (bei Potsdam)

das Grundstück bei Potsdam, auf welchem das astrophysikalische Observatorium und das Observatorium des meteorologischen Instituts sich befinden, als Ort für die Diensträume des geodätischen Instituts erwählt. Das Hauptgebäude, ein mächtiger zweistöckiger Backsteinbau, enthält im Erdgeschoß neben Büreau- und Verwaltungsräumen, der Bibliothek, der Werkstatt des Institutsmechanikers und einem kleinern, für physikalische Vorarbeiten bestimmten, auch als Dunkelkammer für photographische Zwecke benutzbaren Raum den großen Instrumentensaal von 20 m Länge und 8 m Breite mit vier großen, nach N. gehenden Fenstern. Der Saal ist unterwölbt; in der Nähe der beiden äußern Fenster befinden sich zwei Pfeiler, welche zur Untersuchung von Instrumentalkonstanten bestimmt sind und sich, isoliert vom Fußboden, auf starken Fundamenten vom Kellerraum aus erheben. Ein^[richtig: Eine] Anzahl kleinerer Pfeiler, auf dem Fußboden des Saales aufgebaut, dient zur Aufstellung von verschiedenen Instrumenten. An diesen großen schließt sich ein kleinerer Instrumentensaal, 8,5 m lang und 5,5 m breit, dessen drei Fenster gleichfalls nach N. liegen und der ebenfalls zur Untersuchung dient. Das Innere des Gebäudes wird von zwei Sälen für Maßvergleichungen und Pendelmessungen gebildet, von den Büreau- und Verwaltungsräumen durch einen 2,5 m breiten Korridor getrennt. Die in diesen Sälen auszuführenden Arbeiten verlangen die Möglichkeit, die Temperatur des Beobachtungsraums innerhalb gewisser Grenzen, etwa von 0-30°, beliebig wechseln zu können. Zu diesem Zweck sind beide Säle von starken, mit zahlreichen Ventilationsröhren versehenen Mauern umgeben. Innerhalb, im Abstand von 0,5 m von diesen letztern, befinden sich ringsum Blechwände. Durch Gasflammen kann die Luft zwischen den Mauern und Blechwänden erwärmt werden; die Wärme teilt sich dann durch die Blechwände den Arbeitsräumen mit, und es ist auf diese Weise der Temperaturwechsel nicht nur schnell und sicher zu erzielen, sondern der Raum ist auch dauernd auf einer bestimmten Temperatur innerhalb der angegebenen Grenzen zu erhalten. Da zur Vermeidung gewisser Schwierigkeiten die Versuche an den Basis- u. Pendelapparaten nur in den Wintermonaten ausgeführt werden sollen, so unterliegt die Abkühlung der Räume durch von oben eingeführte kalte Luft keinem Anstand. Die Lage der Säle im Innern des Gebäudes macht sie gegen die äußern thermischen Einflüsse in jeder Jahreszeit wenig empfindlich, und es lassen sich somit zu jeder Zeit gewisse Untersuchungen, bei denen es nur auf Unveränderlichkeit der Temperatur ankommt, ausführen. Bei der Heizung des Pendelsaales muß eine horizontale Schichtung der Temperatur, also eine Änderung derselben von unten nach oben, thunlichst vermieden werden. Die wärmenden Gasflammen liegen deshalb in einem Raume unter der Mitte des Fußbodens, und die heiße Luft steigt durch Hohlräume unter dem Fußboden in den Raum zwischen den Doppelwänden auf. Man gelangt in die nebeneinander liegenden, aber durch eine starke Wand getrennten Säle durch eine Thür vom großen Instrumentensaal aus. Im Komparatorsaal liegt unter dem Fußboden, von ihm und den Umfassungsmauern vollständig isoliert, ein äußerst starkes Fundament, von etwa 100,000 Ziegeln gebildet, welches zur Aufnahme von Festpunkten sowie als Grundlage für die Einrichtungen des Komparators, der Pfeiler für die Mikroskope und der Schienengeleise für die Wagen zur Verschiebung der Meßstangen dient. Unter dem Pendelsaal liegt gleichfalls ein starkes Fundament, doch hat man es hier für vorteilhafter gehalten, die Masse, weil sie kleiner als die andre ist, in Verbindung mit den Wänden zu bringen, um den Pendeln eine möglichst erschütterungsfreie Aufstellung zu geben. Beide Säle haben nur eine ganz schwache Beleuchtung von oben durch dicke Glasdecken, bei Tage gerade ausreichend, um sich zurechtzufinden. Zur Beleuchtung bei der Arbeit dienen zunächst in den Zwischenwänden angebrachte Gasflammen. Beide Säle sind auch nach oben thermisch gut geschützt. Über ihnen befinden sich im Oberstock des Gebäudes zwei Isolierhallen. Von diesen ist der über dem Komparatorsaal liegende Raum zu einer Gedenkhalle für berühmte Geodäten bestimmt und wird eine entsprechende Ausstattung erhalten; auch werden in diesem Raume ältere Instrumente Aufstellung finden. Die über dem Pendelsaal liegende Halle dient als Aufbewahrungsort für Akten, als Archiv etc. Rings um diese Isolierhallen geht ein Korridor, welcher zu den übrigen Räumen des obern Stockwerkes, Amtswohnungen und Büreauräumen, führt. Auf dem Dache des Gebäudes erheben sich über beiden Treppenhäusern auf Gewölben Pfeiler, welche eins allseitige Rundsicht gestatten und für untergeordnete geodätische Messungen wie zur Einübung von Beobachtern bestimmt sind. Die Kellerräume dienen zum Teil zu Beobachtungen bei möglichst konstanter Temperatur, zur Unterbringung von elektrischen Batterien etc.

Etwa 100 Schritt vom Hauptgebäude befindet sich das astronomisch-geodätische Observatorium. Um einen kleinen Zentralbau von 45 qm Grundfläche gruppieren sich hier drei Beobachtungsräume zu ebener Erde, im W. zwei Meridianzimmer, im N. ein Raum für Beobachtungen im Ostwest-Vertikal. Dieselben sind nicht unmittelbar an den Zentralbau angebaut, sondern von ihm durch 10 Schritt Abstand getrennt, wie die beiden Meridian-Zimmer untereinander. Wände und Dach bestehen zum Zweck erleichterter thermischer Ausgleichung aus doppeltem Wellblech mit Zwischenraum, durch den die Luft frei hindurchstreichen kann. Sie bilden zwei bewegliche Teile, welche beim Auseinanderschieben für Beobachtungszwecke einen Spalt von 1 m Breite öffnen. In jedem Raume befinden sich in der Richtung des Spalts zwei Beobachtungspfeiler. Der Zentralbau dient zur vorübergehenden Aufstellung verschiedener Instrumente, auch gestattet er gewisse instrumentelle Untersuchungen im geschützten Raum bei Oberlicht. Der darunter befindliche Keller wird zur Aufnahme einer Normaluhr dienen. Wenige Schritte nördlich von dem Raum für Beobachtungen im Ostwest-Vertikal steht der astronomisch-geodätische Turm. Er ist so angelegt, daß die Möglichkeit gegeben ist, eine ferne Meridianmarke für fortlaufende Azimutmessungen anwenden zu können. Er genügt auch zur Gewinnung der nötigen Fernsichten für geodätische Zwecke und um cölestische Messungen in beliebigen Azimuten anstellen zu können. Zu diesem Zweck ist der Turm mit Drehdach versehen. Zur Zeit ist derselbe allerdings nur Projekt, das noch der Genehmigung harrt.

Die Lage des Instituts auf einem großen fiskalischen Grundstück bietet für allerlei Versuchsmessungen an geodätischen Apparaten ein günstiges Feld. Zunächst sind solche an Basisapparaten und Nivellierinstrumenten in Aussicht genommen, wofür Einrichtungen getroffen werden, die noch andre Zwecke nebenher erreichen lassen. Für Versuchsmessungen