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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Geographentag (Karlsruhe 1887, Berlin 1889)

an Grundlinien sowie zur Einübung des Personals für Basismessungen befindet sich im südlichen Teil des Terrains eine straßenartige Bahn von 240 m Länge fest und eben hergerichtet, deren Endpunkte und Unterteilungen von 80 m mehrere Meter tief unterirdisch festgelegt sind. Das Studium der zeitlichen Veränderungen in der Länge der Grundlinien wird ein zu erreichender Nebenzweck sein. Ferner sind einerseits zu nivellitischen Übungsmessungen, anderseits zur Prüfung kleiner Bodenbewegungen auf einer 900 m langen, nahezu horizontalen Linie zehn Festpunkte in Höhe geplant. Dieselben sollen auch durch ein Wasserleitungsrohr verbunden werden, um Gelegenheit zu hydrostatischen Höhenvergleichungen zu erhalten, d. h. Teile desselben Wasserspiegels gleichzeitig an verschiedenen Punkten beobachten zu können. Gleiche Einrichtungen wie im geodätischen Institut bei Potsdam finden sich anderwärts nur vereinzelt und nirgends in diesem Zusammenhang. Aber nicht nur für die rein wissenschaftlichen Aufgaben und Fragen der Erdmessung und Geodäsie überhaupt wird diese Schöpfung befruchtend wirken, sie wird sich auch bei der innigen Beziehung, welche gerade auf diesem Gebiet zwischen Theorie und Erfahrung stattfindet, für die praktischen Anforderungen des Lebens als ein nützliches Glied des Staatsorganismus erweisen.

Geographentag. Trotz der allzu spät ergangenen Einladungen war der siebente deutsche G. in Karlsruhe 14.-16. April 1887 von mehr als 400 Teilnehmern besucht, worunter 80 auswärtige. Die Verhandlungen bewegten sich im wesentlichen um vier Fragen: um die antarktische Forschung, um Afrikaforschung, um Schulgeographie, um Landeskunde. Neumayer-Hamburg konnte mitteilen, daß die jahrelangen Bemühungen der deutschen Geographentage, die Erforschung der antarktischen Gebiete in den Vordergrund des Interesses zu bringen, anfangen, Früchte zu tragen. Eschenhagen berichtete über die Resultate der erdmagnetischen Forschungen auf den internationalen Polarstationen. Stein schilderte Marokko und seinen Kulturzustand nach seinen 1872 gemachten Erfahrungen, Reichard in seinem Überblick über die von ihm durchzogenen Gebiete Ostafrikas die klimatischen Verhältnisse, den geologischen Ausbau, die Tier- und Pflanzenwelt und die Einwohner, Büttner sprach über den Stand der Erforschung der südwestafrikanischen Schutzgebiete, Zöller erörterte die neuern Erfolge in der Erforschung von Togoland und Kamerun. Stauber-Augsburg gab in seinem Vortrag über Förderung des geographischen Studiums und Unterrichts eine Skizze der Erörterungen, welche er in der mit dem belgischen Preis von 25,000 Frank prämiierten Schrift niedergelegt hatte. Perthes-Bielefeld betonte die Notwendigkeit eines einheitlichen Atlasses für die Schüler einer Klasse, eine Forderung, die von Sallwürk zur Einführung eines und desselben Atlasses für ganz Deutschland verallgemeinert wurde. Eine Resolution des deutschen Geographentages, die den Ministerien und Schulbehörden zur Kenntnis gebracht werden sollte, sprach sich gegen den Gebrauch verschiedener Atlanten in derselben Klasse aus. Schmidt-Wien erklärte sein einfach konstruiertes Tellurium und den Foucaultschen Pendelversuchsapparat; Böhm hielt einen Vortrag über Gebirgsgruppierung, Kirchhoff-Halle berichtete über die Thätigkeit der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland, zu der Jordan-Hannover in seinen Ausführungen über die Entwickelung und den heutigen Stand der deutschen Vermessungen einen wichtigen Beitrag lieferte. Mit dem Rhein beschäftigten sich Honsell in einem Vortrag über den natürlichen Strombau des Rheins, und Gothein über die Naturbedingungen der kulturgeschichtlichen Entwickelung im Rheinthal und im Schwarzwald. Die sich anschließende Ausstellung reihte sich in ihrer Fülle wie in ihrer Mannigfaltigkeit ihren Vorgängerinnen würdig an; sie umfaßte fünf Abteilungen: eine historische, topographische, ethnographische, pflanzengeographische und eine Abteilung, welche die jüngsten geographischen Erzeugnisse der deutschen Verlagsthätigkeit repräsentierte.

Zwei Jahre später kehrte der deutsche G. zum erstenmal seit seinem Bestehen in den Tagen vom 24.-26. April 1889 nach seinem Ausgangspunkt Berlin zurück. Er wurde durch den Kultusminister v. Goßler unter Teilnahme vieler hochgestellter und politischer Persönlichkeiten eröffnet. Das Programm befaßte sich, der Strömung der Zeit entsprechend, in hervorragendem Maße mit den physikalischen Wissenschaften. Die Berichterstattung über neuere Entdeckungsreisen fehlte gänzlich, auch die Schulgeographie hatte geringere Berücksichtigung gefunden. Über Erfahrungen zur Entwickelungsgeschichte des Völkergedankens sprach v. d. Steinen, Neumayer-Hamburg über das gegenwärtig vorliegende Material für erd- und weltmagnetische Forschung, Kirchhofs-Halle erstattete einen eingehenden Bericht über die Thätigkeit der aus 15 Mitgliedern bestehenden Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde in Deutschland, Supan-Gotha über spezialgeographische (landeskundliche) Litteratur. Eine lebhafte Erörterung veranlaßte der Vorschlag Richters-Graz zu einer sachgemäßen Stoff- und Arbeitsverteilung unter den deutschen geographischen Zeitschriften, der aber, da die anwesenden Redakteure die Teilnahme an einer zu diesem Zweck einzusetzenden Kommission ablehnten, zurückgezogen wurde. Penck-Wien sprach über das Endziel der Erosion und Denudation, worauf drei klimatologische Vorträge folgten, von Brückner-Bern, der die Frage behandelte: »Inwieweit ist das heutige Klima konstant?«, von Partsch-Breslau, über Klimaschwankungen in den Mittelmeerländern, und von Günther-München über die Lehre von den klimatischen Schwankungen bei den Forschern des 18. Jahrh, über die Eiszeit wurden gleichfalls drei Vorträge gehalten, von Wahnschaffe-Berlin über die Bedeutung des Baltischen Höhenrückens für die Eiszeit, von Schenck über Glazialerscheinungen in Südafrika, endlich von v. Drygalski-Berlin über die Bewegungen der Kontinente zur Eiszeit und ihren Zusammenhang mit den Wärmeschwankungen der Erdrinde. Lediglich pädagogischer Natur waren die Vorträge von Holz-Linder-Basel über die Verwertung der Schulausflüge für den geographischen Unterricht und von Penck über die Notwendigkeit geographischer Bildersammlungen. Es folgten dann: ein Vortrag von Reyer-Wien über Typen der Eruptivmassen und Gebirgstypen, ein Bericht von Hußer-Berlin über den dermaligen Stand der Untersuchungen über die Wärme im Erdinnern. Jordan-Hannover sprach über die Methoden und Ziele der verschiedenen Arten von Höhenmessungen, Böhm-Wien über die Genauigkeit orometrischer Maßberechnungen. Obwohl seit dem letzten G. 2 Jahre verflossen waren (für 1888 war eine solche Veranstaltung wegen der Trauer-Ereignisse im preußischen Königshause unterblieben), hatte man doch in anbetracht der lokalen Verhältnisse von der Veranstal-^[folgende Seite]