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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Geographentag (internationaler Kongreß Paris 1889)

tung einer Ausstellung der neuern Erscheinungen der Litteratur Abstand genommen und sich auf die Vorführung von Instrumenten für Höhenmessungen und deren Verwertung bei graphischen und plastischen Darstellungen beschränkt. Die ausgestellten Instrumente lieferten den Beweis, daß die deutsche Industrie in der Herstellung derselben sehr wohl mit England, woher man lange Zeit allein solche Reiseapparate beziehen konnte, in Wettbewerb treten kann, ja dasselbe bereits überflügelt hat. Die ausgestellten Karten führten namentlich die Entwickelung der Darstellung des Terrains durch Höhenschichten vor. Nach den in Berlin gefaßten Beschlüssen sollten fortan die Geographentage alle zwei Jahre stattfinden.

In Paris fand 5.-10. Aug. 1889 anläßlich der großen Ausstellung ein internationaler Geographenkongreß (Congrès international des sciences géographiques) statt, an welchem Vertreter Österreich-Ungarns, Rußlands, Großbritanniens, Belgiens, der Niederlande, der Schweiz, Italiens, Dänemarks, Schwedens, Portugals, Spaniens und Monacos teilnahmen. Deutschland war durch keine seiner Gesellschaften vertreten. Von außereuropäischen Ländern hatten Japan, Ägypten, Brasilien, Mexiko, Argentinien, Nicaragua, Bolivia und Venezuela besondere Abgeordnete geschickt. Es war die Einrichtung getroffen, daß der dem Kongreß vorzulegende Stoff teils in allgemeinen Versammlungen, teils in Sitzungen von sieben Sondergruppen behandelt werde. Den Vorsitz führte F. v. Lesseps. Der russische Generalkonsul Lessar sprach über die Veränderungen des Orusbettes, Martel über die Höhlen und die unterirdischen Wasserläufe in den Causses, Faure über die Eishöhlen des schweizerischen Jura, Griegoriew über solche in der Krim. In der Sitzung des nächsten Tages schilderte Schmidt die Durchquerung Grönlands durch Nansen, Hamy führte die Ergebnisse der Untersuchungen von Lumholtz in Queensland aus, Borelli schilderte seine Erlebnisse und Beobachtungen im Gallalande, M. v. Déchy die Zentralkette des Kaukasus. In der dritten allgemeinen Sitzung beschrieb Höhnel seine Expedition nach dem Kilima Ndscharo, Crampel seinen gefahrvollen Zug durch das Innere der französischen Gabun-Ogoweländer. Schließlich gab der Hauptkommissar des Kongresses, Graf von Bizemont, eine Übersicht der Arbeiten des Kongresses, dessen wissenschaftlicher Teil damit seinen Abschluß fand. Von den sieben Gruppen hatte die erste, als mathematische Geographie bezeichnet, vier Gebiete: die Geodäsie, die Topographie, die Hydrographie und die Kartographie, zugeteilt erhalten. Oberstleutnant Bassot sprach über die verschiedenen Arten der Breitenbestimmungen, Oberst Derrécagaix über die neuern Fortschritte auf dem Gebiete der Generalstabskarten, der Mineningenieur Lallemand über die Nivellements, besonders in gebirgigen Gegenden und an den Seeküsten, Bouquet de la Grye über die Bestimmung des mittlern Meeresniveaus; dann unterzog Defforges die Instrumente und Methoden, welche seit 100 Jahren bei der Messung der Schwerkraft angewendet werden, einer Prüfung. Nachdem sich die mathematische Gruppe mit der zweiten, der physischen, vereinigt hatte, besprach der Prinz von Monaco die von ihm gewonnenen Ergebnisse betreffs der Strömungen des Atlantischen Ozeans, Caspari den gegenwärtigen Stand der Kenntnis von den Meeresströmungen, Thoulet die verschiedenen Methoden zur Feststellung des Salzgehalts, der Temperatur und der Dichtigkeit des Meerwassers, Guerreiro drückte den Wunsch aus, die Seestaaten Europas möchten nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Nordamerika monatliche oder doch vierteljährliche Karten von den ihre Länder berührenden Meeresströmungen veröffentlichen. Endlich machte noch Caspari den Vorschlag, die meteorologischen Beobachtungen auf Schiffen zu vereinfachen, Baldes berichtete über die topographischen Arbeiten in Mexiko, Loevy setzte die Vorteile der dezimalen Zeiteinteilung auseinander, schließlich begründete Tondini-Bologna seinen Vorschlag, den Meridian von Jerusalem als gemeinsamen Anfangsmeridian anzuerkennen. Der zweiten Gruppe für physische Geographie waren 31 Fragen vorgelegt worden, welche sich auf allgemeine Geographie, Pflanzengeographie, Tierverbreitung, Meteorologie, Klimatologie und medizinische Geographie bezogen. Diese ungeheure Aufgabe auch nur annähernd zu lösen, war natürlich unmöglich. Der Arzt de Mahé sprach über Pestepidemien mit besonderer Beziehung auf die Jahre 1840-89, Bleicher legte sein Werk über die Vogesen vor, Y. Wada erklärte die Einrichtung der Erdbebenbeobachtungen in Japan, Oberst Blanchot besprach eine neue Theorie der Bildung der Kontinente und in einem zweiten Vortrag die Frage der Erosion und der Denudation, Baron v. Schwerin legte die Ergebnisse seiner Beobachtungen an der westafrikanischen Küste, namentlich an der Kongomündung, vor. Schließlich wurden noch Mitteilungen aus einer Arbeit von Carton: »Sur les relations entre l'humidité du sol et de l'impaludisme à Soukh el Arba«, gemacht. Die dritte Gruppe hatte sich mit wirtschaftlichen und statistischen Fragen zu beschäftigen. Die Argentinier Alexis Peyret und Carrasco verbreiteten sich über die Geschichte, Statistik und die allgemeinen Vorbedingungen der Einwanderung nach den La Plata-Ländern, wobei Argentinien als das dem Auswanderer günstigste Land dargestellt wurde, der Statistiker Turguan sprach über die Fremden in Frankreich und die Franzosen im Ausland, Hennequin verbreitete sich über die Schiffbarmachung der Seine für Seeschiffe von 6 m Tiefgang bis Paris, Lebourgeois hielt einen Vortrag über das Projekt einer Saharabahn u. a. Von der großen Zahl von längern und kürzern Mitteilungen, welche die vierte Gruppe für historische Geographie, Geschichte der Geographie und Kartographie entgegennahm, seien erwähnt eine Arbeit von Paty de Clam über die alte Geographie und Ethnographie des Golfs von Gabes, ein Vortrag von Brucker über die von den Jesuiten in China hergestellten Karten; Abbate Pascha besprach die Beziehungen der pharaonischen Ägypter zu den sogen. Kuschiten, Erckmann und Fr. Coëllo behandelten die Wegebauten, Bergwerke und andre Anlagen der Römer in Tunis und Spanien. Die fünfte Gruppe für Schulgeographie erörterte alle Fragen, welche die Stoffverteilung, die Unterrichtsmittel und die Lehrmethode der verschiedenen Unterrichtsstufen und Schulanstalten betreffen. Ferner behandelte man die Stellung der allgemeinen Erdkunde zur speziellen Länderkunde, das Verhältnis der Völkerkunde im höhern Unterricht, die bei den kartographischen Übungen anzuwendende Methode, die bei den Prüfungen zu stellenden Forderungen u. a. In der sechsten Gruppe: Voyages et explorations, für die kein bestimmtes Programm aufgestellt war, sprach Masqueray über die Tuareg, der Brasilier Cavalcanti über den Paramanema und die Eingebornen am Schingu, Timmerman über die Sundainseln, Kan über die Molukken, Leclerc über die Baudenkmäler