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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gewerblicher Unterricht - Gewitter
Das Gesetz stellt einen neuen Begriff der Nachsteuer auf. Steuerpflichtige, die entgegen den Vorschriftendes Gesetzes bei der Veranlagung übergangen oder steuerfrei geblieben find, ohne daß eine strafbare Hinterziehung stattgefunden hat, sind zur Entrichtung des der Staatskasse entzogenen Betrags verpflichtet, und zwar erstreckt sich die Verpflichtung zur Zahlung dieser Nachsteuer auf drei Steuerjahre zurück.
Eine Mehreinnahme durch die Abänderung der G. Zu erzielen, ist nicht beabsichtigt. Übersteigt das Veranlagungssoll für das Jahr 1893/94 einschließlich der Betnebssteuer die Summe von 19,811,359 Mk. um mehr als 5 Proz., so findet in dem Verhältnis des ganzen Mehrbetrags zu der genannten Summe eine Herabsetzung der Steuern statt. Bleibt aber das Soll hinter jenem Betrag um mehr als 5 Proz. zurück, so sollen die Steuern in entsprechenden: Maße erhöht werden. Es wird angenommen, daß bei normaler Entwickelung der Ertrag der G. von Jahr zu Jahr um2 Proz. steige. Diese Steigerung um 2Proz. soll bei der zukünftigen Steuerausmefsung mit in Rechnung gezogen werden.
Gewerblicher Unterricht, s. Fachschulen.
Gewitter (Kugelblitze). Die Blitze werden je nach der verschiedenen Form, unter welcher sie erscheinen, nach Arago in drei Klassen eingeteilt, und zwar in zickzackförmige Blitze mit scharf begrenzten Rändern, in Flächenblitze, deren diffuses Licht gröbere Teile der Wolken oder diese ganz erleuchten, und in Kugelblitze. Die letztern, welche nur selten auftreten und in ihrer Entstehung eine noch rätselhafte Naturerscheinung bilden, haben die Gestalt von Feuerkugeln von verschiedenein Volumen und durchlaufen die Atmosphäre meistens mit so geringer Geschwindigkeit, daß sie mehrere Sekunden lang sichtbar bleiben, während die Blitze der ersten beiden Gattungen, wie Wheatstone nachgewiesen hat, bestimmt weniger als den tausendsten Teil einer Sekunde dauern.
Seitdem diesem Gegenstand von den meteorologischen Beobachtern ein eingehendes Interesse geschenkt wird, sind eine Reihe von Kugelblitzen beobachtet, die in ihrem Auftreten und in ihrem Verlauf bestimmte charakteristische Merkmale gezeigt haben.
Während eines heftigen Gewitters wurde meist in der Nähe der Erdoberfläche eine Feuerkugel von verschiedener Größe und verschiedener Farbe, weiß, gelblich oder rötlich bis tiefrot, gesehen, die zuweilen kurze Zeit an derselben Stelle stillstand und sich dann in fast allen Fällen langsam fortbewegte, bis sie bald darauf unter einem ungewöhnlich heftigen Knolle, bei nielchem das gewöhnliche Rollen des Donners nicht gehört wurde, verschwand. Zuweilen war das Verschwinden der Feuerkugel mit einem Platzen derselben verdun^ den, bei welchem dieselbe feurige Strahlen nach allen Seiten hin aussandte, die erhebliche Zerstörungen oder Brandschaden verursachten. In vielen Fällen, namentlich wenn die runde Feuerkugel im Innern eines geschlossenen Raumes beobachtet wurde, war ein starker Schwefelgeruch zu bemerken, der eine Benommenheit des Kopfes und Kopfschmerz hervorrief. Die Kugelblitze erscheinen zuweilen auch unmittelbar als eine feurige Kugel, die aus einer dunkeln Wolkenmasse mit gleichmäßiger Geschwindigkeit langsam herabschwebt und dann in der Luft ohne ein besonderes Geräusch zerplatzt. Das bei den Kugelblitzen auftretende Geräusch wird fehr verschieden beschrieben; meistens erfolgt die Bewegung der Feuerkugel ohne Geräusch, zuweilen ist sie von einem starken Knattern begleitet, das Verschwinden oder Platzen findet aber fast ausnahmslos mit einem
starken Knolle statt, der in gleicher Starke bei keiner andern Erscheinung auftritt. Von besonders interessanten Beobachtungen von Kugelblitzen soll hier die 30. Nov. 1888 gemachte hervorgehoben werden. Während einer Fahrt von Brest nach Vrescanvel bemerkten die Insassen des Wagens einen dunkelroten Lichtschein in Gestalt einer Halbkugel an der rechten Seite des Vrustriemens des Pferdes. Die dem Wege zugewandte Seite leuchtete in weißem blendenden Lichte. Das Pferd stürzte, sprang wieder auf, stürzte noch zweimal, ohne daßder an ihm haftende Lichtschein auch nur für einen Augenblick verschwand.
Bei dem letzten Sturz explodierte die Kugel unter der Form eines Blitzes, welcher sich einen Äugenblick entfernte, dann aber auf das Pferd zurücksprang.
Das Tier war tödlich getroffen und verendete fast augenblicklich. Als die Reisenden die Augen öffneten, welche sie bei dem Blitzstrahl hatten schließen müssen, sahen sie nur noch eine rötliche Wolke, welche sich bald darauf zerstreute. Eine große Eiche, welche am Wege stand, war getroffen und in ihrer ganzen Länge gespalten worden. An ihrem Fuß hatte der Blitz ein Loch in der Böschung ausgewühlt und scheint von dort nach der Mitte des Weges übergesprungen und die genannten Erscheinungen hervorgerufen zu haben.
Das großartigste Auftreten eines Kugelblitzes, welches sich vielleicht überhaupt gezeigt hat, wurde ^5. Juni 1885 bei einer Besteigung des Säntis beobachtet. Etwa um 7 Uhr abends erhob sich ein ungewöhnlich starkes G., bei welchem Schlag auf Schlag folgte und ein wahres Feuermeer die Reisenden umgab. Auf einmal zeigten sich auf dem Bergkamm, welcher sich von der Säntisspitze gegen den Altmann hinzieht, aufflackernde Flämmchen, vermischt mit kleinen gelblichen Kugeln. Letztere liefen scheinbar an einem Seile oder Drahte dahin, näherten sich gegenseitig, bildeten zusammenstoßend eine größere Lichtmasse und sielen explodierend, einer Rakete ähnlich, in rötlichen und blauen Kugeln schlangelnd nieder. Diese merkwürdige Erscheinung wiederholte sich mehrmals nacheinander. Bald darauf schwebte auf demselben Bergkamm eine einzelne feurige Kugel, von der scheinbaren Größe einer Bombe oder eines kleinen Mondes, in flachem Bogen hin und her, etwa mit der Geschwindigkeit eines geworfenen Balles.
Am Ende ihrer Bahn schien die Kugel zu verschwinden, tauchte aber gleich darauf wieder empor und begann ihren ruhigen Lauf aufs neue. Da auf einmal erfolgte ein furchtbarer Krach, der den ganzen Berg in seinen Grundfesten zu erschüttern schien, und gleich zeitig stand die ganze Telephonleitung des Säntis, soweit sie auf dem Schneefelde dem Auge der Beobachter erreichbar war, in intensivstem Lichte. Nicht nur der Draht, sondern auch der zwischen diesem und dem Erdboden sich befindende freie Raum war mit einer Glutmasseausgefüllt. Zwischen je zwei Stangen waren 4-5 feurige Flächen ausgespannt, nach untenhin zerschlitzt und zersetzt und scheinbar mit bläulichem Sauine sich wellenförmig bewegend. Diese Flächen hatten verschiedene Größe, und zwar waren von den zwischen je zwei Stangen herunterhängenden die erste von oben die größte, die unterste die kleinste, was sich bei jedem Zwischenraum regelmäßig wiederholte. Diese wunderbare Erscheinung war keine momentane, sondern eine mindestens 2 Mmuten lang anhaltende. Plötzlich schien die ganze Lichterscheinung zu Boden zu fallen. Der Telephondraht war geschmolzen, die Leitung war zerstört. Auf der Erde, wo die Drähte lagen, schien es zu brodeln wie von flüssigem Metall. Eine am Morgen des nächsten