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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gewerbesteuer (Das neue preußische Gesetz vom 24. Juni 1891)
Betriebe, bei denen weder der jährliche Ertrag 1500 Mark noch das Anlage - und Betriebskapital 3000 Mk. erreicht, bleiben von der G., nicht aber auch von der Betriebssteuer (s. unten) befreit. Die Freilassung beruht auf der Erwägung, daß diese kleinen Betriebe nach ihrer gegenwärtigen Lage im großen und ganzen kaum besser gestellt sind als viele gewerbliche Hilfspersonen, welche wegen der Unselbständigkeit ihrer Thätigkeit der G. überhaupt nicht unterworfen sind, und daß solche Betriebe über die persönliche Thätigkeit des Unternehmers hinaus, welche dem Wandel und dem Erlöschen ebenso wie die der Gehilfen ausgesetzt sei, keinen in Betracht zu ziehenden Wert darstellten, welcher nicht schon durch Personalsteuern ausreichend getroffen werde.
Die Zahl dieser zu befreienden Betriebe wird auf 300,000 geschätzt, d. h. auf wenigstens ein Drittel der jetzt auf 865,940 anzunehmenden Anzahl der steuerpflichtigen Gewerbe. Durch die Befreiung werden Veranlagung und Verwaltung der G. erheblich vereinfacht. Dann werden durch dieselbe eine große Anzahl bisher notwendiger Bestimmungen über die Abgrenzung des eigentlichen Gewerbebetriebs von andern gewinnbringenden Beschäftigungen und eine Anzahl von Bestimmungen über Befreiungen von unbedeutenden Betrieben ohne weiteres entbehrlich.
Veranlagungsbezirke für die Klasse I sind die emzelnen'Provinzen und die Stadt Berlin. Die Veranlagung erfolgt durch den für jeden Bezirk zu bildenden Steuerausschuß, dessen Mitglieder zu zwei Drittel vom Provinzialausschuß (in Berlin von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung) aus den Gewerbtreibenden des Bezirks gewählt, zu einem Drittel vom Finanzminister ernannt werden.
Die Steuer ist in dieser Klasse mit 1 Proz. des jährlichen Ertrags zu entrichten.
Veranlagungsbezirke bilden für Klasse II die Regierungsbezirke, für Klasse III u. IV die Kreise. Die Stadt Berlin bildet für jede Klasse einen besondern Bezirk. Die Steuerpflichtigen des Bezirks werden in jeder dieser Klassen zu einer Steuergesellschaft vereinigt, welche für das Veranlagungsjahr die Summe der für jeden Betrieb in Anrechnung kommenden Mittelsätze aufzubringen hat. Es sind in
Klasse ! die Mittclsätzc
II
III
IV
300 Märt 80 -16 die zulässigen
geringste!, z höchsten
Steuersätze
156
Mark 480 Mark
3^
192 4
30
Zur Veranlagung der G. der Klassen II, III und IV wird für jede Klasse und jeden Bezirk ein Steuerausschuß gebildet, welcher aus einem Kommissar der Bezirksregierung als Vorsitzenden und von den Steuerpflichtigen der betreffenden Klasse (Steuergesellschaft) aus ihrer Mitte für 3 Jahre gewählten Abgeordneten besteht. Letztere haben die Steu^rsumme nach ihrer Kenntnis oder Schätzung des Ertragsverhältnisses unter die einzelnen Mitglieder der Steuergesettschaft zu verteilen. Mit Ausnähme derjenigen Betriebe, welche bei geringerm als dem für die betreffende Klasse maßgebenden Ernag wegen der Höhe des Anlage- und Betriebskapitals der Steuergesellschaft zugehören, soll die Steuer der einzelnen Gewerbebetriebe den für Klasse I vorgeschriebenen Prozentsatz des Ertrags unter Berücksichtigung der zulässigelt Steuersätze nicht übersteigen.
Ermäßigung bis auf den diesem Prozentsatz entsprechenden "Steuersatz kann von den Steuerpflichti gen im Wege des Einspruchs und der Berufung beansprucht werden. Sollte die Steuersumme einer Gesellschaft bei vorschriftsmäßiger Steuerverteilung. nicht aufgebracht werden können, ohne die Gewerbebetriebe, deren Ertrag die für die betreffende Klasse maßgebende Höhe erreicht, mit Steuersätzen zu belegen, welche das vorstehend bezeichnete Maß überschreiten, so hat der Finanzminister die erforderliche Herabsetzung der Steuersumme zu verfügen.
Eine Vorlegung der Geschäftsbücher des Gewerbtreibenden findet nur statt, wenn dieser selbst dazu bereit ist. Zur Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen ist derselbe in keinen: Falle uer^^cht,^. Mit der Besichtigung der Anlagen, Betriebsstätten und Vorräte können ohne Zustimmung des Gewerbtreibenden andre Personen als Staatsbeamte nicht beauftragt werden. Jeder Gewerbtreibende ist verpflichtet, auf Aufforderung des Gemeindevorstandes oder des Vorsitzenden des zuständigen Steuerausschusses schriftlich Zu erklären, welches oder welche Gewerbe er treibt oder zu treiben beginnt, welche Betriebsstätten er unterhält, welche Gattungen und wie viele Hilfspersonen, Gehilfen und Arbeiter und Maschinen einschließlich der Motore im Gewerbebetrieb verwendet werden. Ebenso hat er auch andre, auf die äußerlich erkennbaren Merkmale des Betriebes gerichtete Fragen zu beantworten und auf besondere Aufforderung hin in verschlossenem Schreiben oder mündlich zu Protokoll zu erklären, ob der jährliche Ertrag, bez. die Höhe des Anlage- und Betriebskapitals sich innerhalb der oben bezeichneten Grenzen von 1500 bis ausschließlich 4000 Mk. oder von 4000 bis ausschließlich 20,000 Mk. 2c. hält. Solche Erklärungen sind geheim aufzubewahren. Weitergehende Äuskunftserteilung über die Höhe des Ertrags sowie den Wert des Anlage- und Betriebskapitals ist der Gewerbtreibende abzulehnen berechtigt. Dem Steuerpflichtigen ist auf seinen Antrag in Fällen, in welchen es sich um einen nur durch Schätzung Zu ermittelnden Ertrag handelt, gestattet, statt der erwähnten Erklärung diejenigen Nachweisungen zu geben, deren der Steuerausschuß zur Schätzung des Ertrags bedarf.
Eine besondere Vetriebssteuer ist für den Betrieb der Gastwirtschaft, der Schankwirtschaft sowie des Kleinhandels mit Branntwein oder Spiritus zu entrichten, gleichviel, ob diese Gewerbe als Haupt- oder Nebengeschäft betrieben werden, ob sie Gewerbesteuern entrichten oder von denselben befreit sind.
Diese Steuer beträgt für jeden, welcher eins oder mehrere dieser Gewerbe, allein oder in Verbindung mit andern Gewerben, betreibt, 1) wenn er von der G. wegen eines hinter der Grenze der Steuerpflicht zurückbleibenden Ertrags des Anlage- und Betriebskapitals befreit ist, 10 Mk., 2) wenn er zur G. veranlagt ist, in der Klasse IV: 15 Mk., III: 25 Mk., II: 50 Mk., 1:100 Mk. Die Steuer wird bei allen Betrieben, welche geistige Getränkeverabfolgen, fürjede Betriebsstätte besonders erhoben. Diese besondere Besteuerung wird durch den Hinweis auf die Konzejsionserteilung undaufuolkswirtschaftlicheund ethische Gesichtspunkte gerechtfertigt. Durch die mit der Konzession eintretende Einschränkung der Konkurrenz würden erhebliche Vorteile gewährt; dann bedürfe die Schankwirtschaft keiner weitern, die Aufwendung von kostenverursachenden Vorbereitung und werfe einen verhältnismäßig hohen Ertrag ab. Infolgedessen sei der Andrang zum Gewerbe der Schankwirtschaft sehr groß, während doch eine Einschränkung desselben wünschenswert sei.