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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Lokomotive (Konstruktionsverbesserungen)
Dampfkanäle durch den schleichenden Schieber, die ungenügende Ausnutzung der Expansion des Dampfes und die Abspannung des Dampfes durch Abkühlung im Cylinder und in den Dampfkanälen herbei. Die Drosselung ließe sich durch Einführung einer Steuerung mit schnellem Abschluß beseitigen oder doch wesentlich vermindern. Eine derartige Steuerung (System Vonnefond) ist weiter unten beschrieben. Zur bessern Ausnutzung der Expansion und zur Vermeidung der Abkühlungsuerluste würde die allgemeinere Einführung des Verbund-(Compound-) Systems bei den Lokomotiven führen (vgl. Bd. 10, S. 887, und Bd. 17, S. 534). Es besteht somit allerdings die Möglichkeit, die Leistung der Lokomotiven bei der jetzt gebräuchlichen Achsenzahl ohne Vergrößerung des Kessels und des zugeführten Arbeitsvermögens innerhalb gewisser Grenzen zu erhöhen. Doch reicht diese Erhöhung bei weitem nicht für alle Fälle aus. Es ist daher eine vermehrte Arbeitszuführung und somit die Anwendung schwererer Kessel mit größerer Heiz- und Rostfläche geboten. Dies bedingt aber eine Vermehrung der Achsenzahl und damit im Zusammenhang eine Vergrößerung des Radstandes. Letzterer ist indes mit Rücksicht auf die vorhandenen Krümmungsverhältnisse der Geleise wiederum an enge Grenzen gebunden. Die Anwendung größerer Kessel bedingt daher getrennte, gegeneinander bewegliche Radgestelle. Als Nächstliegende Lokomotivenkonstruktion, welche für Personenzugmaschinen derFlach- und Hügellandbahnen im allgemeinen dem Bedürfnis genügen wird, kann diejenige bezeichnet werden, welche zwei gekuppelte Achsen sowie zwei in einem Druckgestell gelagerte Laufachsen besitzt. Es können hierbei ohne Schwierigkeiten Kessel von 120-130 qm Heizfläche zur Verwendung gelangen, und damit kann bei 16 Atmosphären Überdruck auf eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit um 30-40 Proz. gerechnet werden. Derartige Lokomotiven können unter Vergrößerung der Triebraddurchmesser gleichzeitig erhöhten Anforderungen an die Geschwindigkeit genügen. Für Gebirgsbahnen wird die genannte Konstruktion noch nicht allen Anforderungen entsprechen, vielmehr wird da eine wesentlich weitergehende Vergrößerung der Kessel geboten erscheinen. Da für eine rationelle Ausnutzung der Heizfläche die Rauchrohren an eine bestimmte Maximallänge gebunden sind, so werden für diese großen Leistungen Kessel mit Doppelfeuerung Verwendet werden müssen. Zu dem Behuf kann man entweder die Feuerbüchsen der Kessel aneinander stehen lassen (System Fairlin), oder man kann einen Kessel mit zwei Feuerstellen verwenden und denselben auf zwei Druckgestellen lagern, von denen entweder das eine mit einer Maschine oder auch beide mit besondern Maschinen zu versehen sind. Diese Doppelkessel dürften den weitgehendsten Ansprüchen genügen.
Mancherlei Bestrebungen sind gemacht worden, die Lokomotivkessel zu vereinfachen. Besonders die Feuerkiste und deren Mantel mit ihren überaus zahlreichen Verankerungen, die durch die ebene Gestalt der Wände bedingt sind, haben hierzu Veranlassung gegeben. Bei den am meisten üblichen Lokomotivkesseln erfolgt die Verankerung der Seitenwände der Feuerkiste und des Feuerkistenmantels durch kupferne Stehbolzen. Die Feuerkistendecke wird entweder durch Deckenanker versteift, von denen einige am Feuerkistenmantel aufgehängt sind, oder gleichfalls durch Stehbolzen damit verbunden. Jedenfalls sind bei den Verankerungen die kleinen Bewegungen der Feuerkiste gegen den Mantel, die von der verschiedenen Ausdehnung infolge verschiedener Erwärmung herrühren, zu berücksichtigen. Diese Verankerungen zwischen Feuerkiste und Mantel teilweise oder gänzlich unnötig, also beide voneinander möglichst unabhängig zu machen, war man längst bestrebt. Selbstverständlich geht das nur an, soweit von der ebenen Form der Wände abgewichen wird, weil ja gerade diese die Veranlassung zu den Verankerungen gewesen ist. Zuerst sing man an, die Decke der Feuerkiste und des Feuerkistenmantels halbcylindrisch zu wölben und die Deckenverankerungen zu vermindern oder ganz fortzulassen. Um die Widerstandsfähigkeit der gewölbten Feuerkistendecke zu erhöhen, stellte man sie aus Wellblech oder aus mehreren Stücken von U^[s. Abbildung in der Textzeile]-förmigem Querschnitt her. Bei der Feuerkiste von Wottiz enthält eine untere Kammer mit halbrunder Decke den Rost, während eine obere, vollkommen cylindrische Kammer in ihrer dem Langkessel zugekehrten Wand (Rohrwand) die Rauchröhren aufnimmt. Beide Kammern sind durch einen Hals verbunden. Durch diesen gelangen die Feuergase in die obere Kammer und von da in die Rauchröhren. Die Feuerkiste von Webb besteht gleichfalls aus zwei übereinander angebrachten Kammern von im allgemeinen vollcylindrischer Gestalt, welche am hintern Ende durch einen Hals verbunden sind. Die untere Kammer ist ihrer ganzen Länge nach vom Roste durchzogen, die obere ragt mit einer unten halbcylindrisch, oben flach gewölbten Verlängerung in den Langkessel hinein und hat als vordern Abschluß die Rohrwand. (Die andern Stirnwände der Feuerkiste werden durch ringförmig gewellte Bleche gebildet.) Die ganze übrige Feuerkiste steckt in dem Feuerkistenmantel von 8^[s. Abbildung in der Textzeile]-förmigem Querschnitt. An Verankerungen sind erforderlich vier Deckanker für die flach gewölbte Decke des in den Langkessel hineinragenden Teiles, Stehbolzen zwischen den Stirnwänden der Feuerkiste und des Mantels und an den flachen Seitenflächen des Halsstückes zwischen der untern und obern Kammer. Bei dieser Konstruktion ist besondersauf die Anwendung von Stahlblechen (statt Kupferblech) gerechnet. - Zwei nebeneinander liegende Heizkammern zeigen die Stronglokomotiven. Diesesindans Wellrohren HH von Stahlblech hergestellt (Fig. 1), die durch ein Mittelstück M mit einer gemeinsamen, durch die Rohrwand abgeschlossenen Verbrennungskammer Y verbunden sind. Letztere besteht gleichfalls aus einem Wellrohr. Der äußere Kessel (Fig. 2) besteht hinten aus zwei die Heizkammern umgebenden Cylindersegmenten C C, die da, wo sie zusammenstoßen, durch eine sich in: Querschnitt als gemeinschaftliche Sehne darstellende senkrechte Längswand verankert sind. Der hintere Abschluß erfolgt durch eine Wand, die auch die Enden der beiden Wellrohre aufnimmt. Vorn geht der Kessel in den cylindrischen Langkessel L über. Diese Kesselkonstruktion vermeidet alle Verankerungen und bezweckt eine besonders gute Verbrennung, weil die Anwendung zweier getrennter Feuerungsräume es gestattet, in dem einen stets ein helles Feuer zu unterhalten, während der andre frisch befeuert wird. Dabei
^[Fig. 1. Kessel der Stronglokomotive. Heizkammern.]