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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Naturforschergesellschaft (Versammlung in Halle 1891)
Zugzeit in den Mittelmeerländern, zumal in Italien und Südfrankreich, alle Arten unsrer Wandervögel massenhaft vertilgt werden. Die Abstellung dieses Übelstandes ist mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft. Allerdings besteht eine Reihe von Vereinbarungen, welche zwischen Italien und Österreich-Ungarn 1875 zum Schutze der Zugvögel geschlossen wurden, aber diese Abmachungen sind vollkommen unzulänglich, sie stehen überdies nur auf dem Papier und konnten nicht verhindern, daß seit jener Zeit der Vogelfang nirgends eifriger als in Italien und genugsam auch in Österreich-Ungarn betrieben wurde. Um so bedauerlicher ist es, daß der zu Pfingsten 1891 in Budapest abgehaltene zweite internationale Ornithologenkongreß sich nicht gegen diesen unhaltbaren Zustand aufgelehnt hat, sondern den Text der Vereinbarungen von 1875 für geeignet erklärte, als Grundlage für entsprechende Vereinbarungen mit noch andern Staaten zu dienen. Redner unterzog die einzelnen Bestimmungen jenes Abkommens einer scharfen Kritik und wandte sich dann einer Besprechung des Vogelschutzgesetzes für das Deutsche Reich zu, welches nach langen und schwierigen Beratungen 1888 zu stande kam. In demselben bemüht man sich zwar, einen Anschluß an jene Vereinbarungen zwischen Italien und Österreich-Ungarn zu gewinnen, den wirklich lebensvollen Anschluß aber hat man von vornherein verfehlt durch die Beibehaltung des Kramtsvogelfanges und die Gestattung des Ausraubens der Kibitznester. Diese beiden Punkte werden uns von den Südländern vorgehalten, welche behaupten, daß die kleinen Vögel bei ihnen ein Volksnahrungsmittel bilden, und wenn dies auch nur zum Teil Berechtigung hat, so werden doch an dem leidigen Kramtsvogelfang alle Anläufe scheitern, welche eine feste internationale Vereinbarung zum Schutze der Vögel bezwecken. Ein großer Mißgriff im deutschen Vogelschutzgesetz liegt in der Aufzählung der Vögel, welche als völlig oder doch überwiegend schädlich zu jeder Zeit geschossen oder gefangen werden dürfen. Diese Liste bedarf dringend der Durchberatung und Richtigstellung. Würde die Fangzeit, in welcher an zuverlässige, achtbare Leute Vogelfangscheine verabfolgt werden müßten, festgestellt, so könnte dem allerschlimmsten Unfug gesteuert werden, dem nämlich, daß der Vogelfang als Gesetzesübertretung von den allerärgsten Strolchen betrieben wird.
Im Garten der medizinischen Klinik war ein Desinfektionsapparat von Rohrbeck-Berlin ausgestellt, welcher auch seit einiger Zeit auf dem Berliner Viehhof zu Versuchen benutzt wird, beanstandetes Fleisch, namentlich dasjenige lokaltuberkulöser Tiere unschädlich, bez. für menschlichen Genuß geignet^[korrekt: geeignet] zu machen. Die Erreichung dieses Zweckes erfordert das Eindringen einer Temperatur von mindestens 100° in das Innere des Fleisches, und zwar binnen nicht allzu langer Zeit, da alle solche Fleischteile immer von einem Schlachttage zum andern verarbeitet sein müssen. Der Apparat hat sich der gestellten Aufgabe durchaus gewachsen gezeigt, und seine Arbeit ist in Berlin nach und nach schon einer großen Anzahl von Medizinalpersonen und Hygienikern vorgeführt worden. Von den gewöhnlichen Desinfektoren unterscheidet er sich wesentlich durch zwei Eigenschaften. Zunächst ist bei der Dampfzuführung Sorge getragen, daß kein sogen, trockner, d. h. ungesättigter oder überhitzter, Dampf in den Desinfektionsraum gelangt, und ferner wird vermieden daß Luftreste in den Poren und Hohl räumen der zu desinfizierenden Gegenstände zurückbleiben. Aus den Untersuchungen Kochs hat sich ergeben, daß heiße trockne Luft weit weniger wirksam zur Tötung organischer Keime ist als Wasserdampf von derselben Temperatur. Bei diesen Versuchen wurde aber strömender (nicht gespannter) Wasserdampf von 100° verwendet. Ein solcher Dampf ist, wie der Techniker sich ausdrückt, naß, d. h. er setzt bei der geringsten Temperaturerniedrigung Wasser ab. Dampf, welcher Heiher ist, als seinem Sättigungsgrad entspricht, der also nicht so viel Wasser enthält, als er seiner Temperatur entsprechend aufnehmen könnte, und der also bei Temperaturerniedrigung noch nicht gleich Wasser abscheidet, heißt trocken. Derselbe ist bestrebt, sich noch vollends mit Wasser Zu sättigen, und deshalb geeignet, feuchte Gegenstände, mit denen er in Berührung tritt, auszutrocknen. Ein solcher Dampf ähnelt in seiner Einwirkung auf Mikroorganismen mehr der trocknen Luft als dem gesättigten nassen Dampfe, welcher eigentlich allein für eine zuverlässige Desinfektion in Betracht kommt. Trockner Dampf kann im Dampfkessel entstehen, wenn die Feuerung direkt auf den Dampfraum einzuwirken im stände ist, so daß der dort befindliche, ursprünglich gesättigte Dampf überhitzt wird. Auf diese Thatsachen ist häufig bei Desinfektion mit Wasserdampf nicht gehörig geachtet worden, und daraus erklären sich die häufigen abweichenden Ergebnisse, die bei solchen Versuchen von verschiedenen Beobachtern erzielt wurden. Rohrbeck hat diesen Punkt in das richtige Licht gestellt und sorgt bei sei-nem Desinfektor durch eine Kühlvorrichtung dafür, daß der dem Desinfektionsraum zuströmende Dampf für den Fall, daß er überhitzt sein sollte, bis auf den Sättigungsgrad gebracht wird, und sichert ihm so die höchste Wirksamkeit. Weiter weiß er aber auch das Zurückbleiben von Luftresten in den zu desinfizierenden Gegenständen zu verhindern. Wenn beim ersten Zuströmen des Dampfes die Luft aus dem freien Raume des Apparates zunächst herausgeblasen wird, so gelingt es doch nicht, sie aus den Poren und Hohlräumen eines im Apparat befindlichen Ballens Lumpen zu entfernen. Läßt man nach Schließung der Ausströmungsöffnung den Dampf in gespanntem Zustande einwirken, so preßt er jene Luftmenge auf einen kleinern Raum zusammen, aber er kann sie nicht fortschaffen. Es bleibt also im Innern des Ballens ein Luftkern zurück, der sich zwar allmählich bis zur Temperatur des ihn rings einschließenden Dampfes anwärmen, aber selbst dann noch bei weitem nicht die Desinfektionswirkung ausüben kann wie der Dampf. Rohrbeck vermeidet dies durch einen sehr einfachen Kunstgriff. Er kondensiert plötzlich den im Apparat befindlichen Dampf durch Überrieselung einer innen angebrachten Doppeldecke mit kaltem Wasser. Alsbald entsteht ein luftverdünnter Raum, in welchen die vordem zusammengepreßte Luft sofort hineintritt, so daß nur noch ein wenig verdünnte Luft in dem Ballen zurückbleibt. Wird nun von neuem Dampf angestellt, so dringt dieser in den Ballen ein, und bei Wiederholung des Verfahrens wird die Luft vollständig ausgetrieben und vollständige Desinfektion erreicht. Auf diese Weise gelingt es auch, den Dampf mit großer Schnelligkeit in das Innere großer Fleischstücke hineinzutreiben. Die Wirksamkeit des Apparates bei Lumpenballen, Kleiderbündeln etc. wurde mit einem Hygrometer kontrolliert, der durch elektrische Zeichen angab, wenn im Innern der Ballen die nötige Feuchtigkeit erreicht war. Bei der Demonstration des