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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Portugal (Finanzen; Geschichte)
Steuern die Einnahmen im Budgetjahre 1889/90 auf 180 Mill. Mk. zu erhöhen, allein seine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Dasselbe gilt in noch höherm Maße von dem Einnahmebudget pro 1890/91, welches sogar auf 190 Mill. Mk. veranschlagt wurde.
Nachdem P. während der letzten 4 Jahre auswärtige Anleihen im Betrage von 204 Mill. Mk. aufgenommen hatte, verhandelte die Regierung im I. 1891 wegen der Verpachtung des Tabaksmonopols, um dadurch den Staatshaushalt auf eine solide Basis zu bringen, und sodann durch Ersparungen in den Ausgaben, wie die Reduktion des Heeres auf 22,000 Mann, und durch neue Auflagen das Gleichgewicht herzustellen. Die Modalitäten'der Verpachtung des Tabaksmonopols wurden dahin festgestellt, daß die Unternehmer dem Staate in den ersten 16 Jahren durchschnittlich jährlich 4420 Contos, d. h. 19^4 Mill.
Mk., und in den folgenden 19 Jahren durchschnittlich je 4550 Contos, d.h.20^4 Mill. Mk., zu zahlen haben, daß ferner das Tabaksmonopol nach 16 Jahren von der Regierung wieder an sich gezogen werden kann, und bei Erzielung eines höhern Nutzens als 5150 Contos, d.h. 22,9Mill. Mk., seitens der Unternehmer vom Überschuß 60 Proz. an den Staat fallen sollen.
Nachdem sich die Regierung schon vorher der Hauptkreditanstalt Portugals, der lusitanischen Bank, bedient hatte, um sich aus ihren Geldverlegenheiten mittels der Notenpresse zu helfen, welchem Beispiel die andern neben derselben bestehenden Zettelbanken, insbesondere die Bank von Porto, zu folgen nicht gesäumt hatten, sahen sich die Banken bald wegen Einlösung ihrer Noten bestürmt, und die Regierung war genötigt, der lusitanischen Bank Anfang Mai 1891 ein Moratorium von 60 Tagen zu bewilligen, welches weiterhin auf 6 Monate verlängert wurde. Schon vorder Prolongation des Moratoriums waren von der Regierung Maßregeln zur Ordnung des Geldumlaufes vorgenommen worden, wozu die Aufhebung der Notenausgabe der kleinern Zettelbanken und die Übertragung des Notenprivilegiums an die lusitanische Bank gehört. Hierdurch hat diese Bank die Verpflichtung übernommen, die Noten der übrigen Banken, denen ein Kredit von 10 Mill. Mk. zur le'ichtern Deckung ihrer Verbindlichkeiten gewährt wurde, bis zum 31. Dez. 1906 einzulösen. Eine sehr bedenkliche Maßregel war aber die durch königliches Dekret ohne parlamentarische Genehmigung erlassene Verordnung vom 8. Mai 1891, durch welche der lusitanischen Bank das Recht eingeräumt wurde, ihre in Gold fälligen Zahlungen in Silber Zu leisten. Dadurch war die Stellung aufgegeben, welche P. im Münzwesen durch die im 1.1854 nach dem englischen Münzsystem angenommene reine Goldwährung erlangt hatte. Infolgedessen stieg das Goldagio bis zu 30 Proz. Die portugiesische Regierung ließ nun, da die Goldmünzen rasch verschwanden, neue Silbermünzen, Lusitanos, zu 500 Reis - 2^ Fr. schlagen, welche nur 903 ^^ Feingehalt hatten. Ehe diese Münzen fertig waren, fah sich die Regierung genötigt, französische 1- und 5-Frankstücke, welche 200 und 1000 Reis gelten sollen, zu importieren und zugleich den Export aller Silbermünzen zu verbieten. Auch war die lusitanische Bank gezwungen, kleinere Noten zu 1000 und 500 Reis (- 5 und 2^2 Fr.), ja sogar zu 100 Reis, als Ersatz für Kupferscheidemünzen auszugeben. Die Folge hiervon war, daß die Silbermünzen, welche für den laufenden Bedarf nicht ausreichten, auch Ngio erhielten. Weiterhin hat die Bank beschlossen, alle umlaufenden Noten gegen neue auf der Doppelwährung beruhende umzutauschen. Wäh rend der Geldumlauf so in Verwirrung gestürzt war, suchte die Finanzverwaltung nach neuen Einkünften, um das chronische Defizit zu bannen. Man dachte zunächst an die Einführung des Alkohol- und des Zündhölzermonopols. Da diese Projekte aber nicht realisiert werden konnten, sah sich die Regierung endlich gezwungen, offen ihr Unvermögen zur vollen Bezahlung der Koupons der Staatsschuld einzugestehen und eine Reduktion des Kapitals oder, nach Wahl der Gläubiger, der Zinsen auf die Hälfte vorzunehmen, wobei den Gläubigern die Bezahlung ihrer weitern Forderungen für bessere Zeiten versprochen wurde.
Auch wurden die Aktien und Obligationen inländischer Unternehmungen einer 10proz. Steuer unterworfen.
Vgl. auch die Art. Getreideproduktion, S. 390, Kolonien, S. 538, und Volksvertretung.
Geschichte. Das Abkommen mit England über die Abgrenzung des portugiesischen Besitzes in Südostafrika kam 28. Mai 1891 zu stände und war für P. insofern günstig, als ihm ein ansehnliches Gebiet nördlich vom Sambesi und damit eine Verbindung zwischen seinen östlichen und westlichen Besitzungen eingeräumt wurde. Nachdem ein teilweiser Ministerwechsel stattgefunden hatte, weil der Finanzminister wegen der Schwierigkeiten des Geldmarktes und des geschäftlichen Notstandes zurückgetreten war, wurden 30. Mai die Cortes zusammenberufen, denen das neu konstituierte Ministerium sein Programm vorlegte; dasselbe versprach vor allem Ersparnisse auf allen Gebieten der Staatsverwaltung und erntete allgemeinen Beifall. Der Vertrag unt England wurde 6, Juni genehmigt und darauf das Budget für 1891/92 durchberaten, an dem der neue Finanzminister Mariano de Carvalho bereits einige Ersparungen vorgenommen hatte. Nach Genehmigung des Budgets wurden die Cortes 9. Juli bis zum November vertagt.
Die Finanznot des Staates (s. oben) stieg indessen immer höher, und der Finanzminister Carvalho war nicht der Mann, derselben abzuhelfen; im Gegenteil gehörte er zu denjenigen Politikern, welche durch gewissenlose Verschwendung die Erträge der Anleihen vergeudet hatten. Im Januar 1892 kamen große Unordnungen bei der Verwaltung der königlichen Eisenbahngessllschaft zu Tage, und es ergab sich, daß Carvalho, früher Direktor derselben, an ihnen beteiligt war. Er mußte daher seine Entlassung als Minister nehmen. Da der Ministerpräsident d'Abreue Sousa keinen andern Finanzminister finden konnte, reichte das ganze Kabinett 15. Jan. seine Entlassung ein. Jose Dias Ferreira übernahm die Bildung eines neuen Ministeriums, in das Oliveira Martins als Finanzminister eintrat. Dasselbe wollte reine Parteiregierung sein, sondern vor allem das Gleichgewicht zwischen Einnahme und Ausgabe herstellen, zu welchem Zwecke alle Opfer bringen müßten. Der König überwies 30. Jan. den fünften Teil seiner Zimlliste dem Staatsschatz. Die der Kammer vorgelegten Gesetzentwürfe belegten die Beamtengehalte mit einer Steuer von 5-20Proz., erhöhten die direkten Steuern um 10-20 Proz. und alle Schuldtitel mit 30 Proz. Hierdurch und durch die Herabsetzung aller Verwaltungsausgaben Hoffte man den Fehlbetrag im Budget (10 Mill. Milreis) zu decken und auch zur Abzahlung der schwebenden Schuld (23 Mill.) und der Bankvorschüsse (13 Mill.) allmählich die Mittel zu beschaffen. Die Kammer genehmigte 18 Febr. die Vorschläge der Regierung und ermächtigte sie zu einer Verständigung mit den auswärtigen Staatsgläubigern über die Zinszahlung, lehnte aber einen Antrag auf Verkauf der Kolonien ab.