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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Abendmahl

Genießenden zum Heile, den ungläubig Genießenden zur Verdammnis gereiche. Dem stellte Zwingli die Behauptung entgegen, daß das A. ein einfaches Gedächtnismahl des Todes Christi und ein Bekenntnismahl für die Kirche, Brot und Wein bloße Symbole seien, räumte jedoch später ein, daß Brot und Wein nicht als bloße Zeichen, sondern zugleich als Unterpfänder des durch Christi Leib und Blut den Menschen am Kreuze erworbenen Segens betrachtet werden müßten. Dennoch hat Luther auch die spätere Lehre der Schweizer noch kurz vor seinem Tode (1544) aufs leidenschaftlichste bekämpft.

Eine Vermittelung schien die von den oberdeutschen Theologen aufgebrachte Formel zu bieten, daß in der Abendmahlshandlung zugleich mit Brot und Wein Christi Leib und Blut wahrhaftig, aber auf geistliche Weise gegenwärtig sei für den Glauben. Diese Lehre haben die meisten reform. Bekenntnisschriften sich angeeignet: Calvin gab ihr die nur in wenige reform. Bekenntnisschriften übergegangene Wendung, der gläubig Genießende werde im Augen blicke des Genusses durch eine von dem Leibe Christi ausströmende geistliche Nährkraft auf geheimnisvolle Weise gespeist. Dagegen blieben die strengen Lutheraner bei der Behauptung stehen, das Abendmahls brot sei, ohne seine natürliche Beschaffenheit zu verlieren, doch Christi wesentlicher ("verklärter") Leib. Die Möglichkeit leiblicher Gegenwart Christi in Brot und Wein wurde teils einfach auf Gottes allmächtiges Wort, teils auf die dem verklärten Leibe Christi durch die Verbindung mit der Gottheit beigelegten übernatürlichen Eigenschaften begründet (Ubiquität, s. d.). Melanchthon hatte, als er die Augsburgische Konfession schrieb (1530), die Verwandlungslehre geteilt; allein seit 1535 neigte er immer entschiedener zu einer der calvinischen verwandten Anschauung hin, und lehrte, daß in der Abendmahlshandlung Christi unzertrennliche Person wahrhaftig, aber auf geistliche Weise gegenwärtig sei und sich den gläubig Genießenden zur innigen und wesentlichen Gemeinschaft darbiete. Dieser Standpunkt prägte sich auch in der neuen Ausgabe der Augsburgischen Konfession von 1540 aus, die länger als zwei Jahr zehnte in allen deutschen Landeskirchen symbolisches Ansehen genoß, bis sie endlich samt der Abendmahlslehre und den übrigen "Ketzereien" Melanchthons von den Bannflüchen der strengen Lutheraner erreicht ward. Nach furchtbaren innern Kämpfen ward Melanchthons Schule und Theologie aus den meisten deutschen Landeskirchen hinausgedrängt und die streng Luthersche Ansicht in der Konkordienformel (1580) festgestellt. Die luth. und die reform. Kirche blieben geschieden.

Mit der Verschiedenheit der dogmatischen Auffassung des A. hing die Verschiedenheit der Ceremonien bei der Feier eng zusammen. Die kath. Ansicht von einer geheimnisvollen Wandlung steigerte die alte Besorgnis, von Brot oder Wein etwas auf die Erde fallen zu lassen, beseitigte seit dem 11. Jahrh. das sinnbildliche Brotbrechen, indem die Oblaten (Hostien, d. b. "Opfer") an dessen Stelle traten, und entzog allmählich, kirchlich offiziell zuerst auf der Synode zu Konstanz (1415), den "Laien" und den nicht administrierenden Priestern auch den Kelch (communio sub una). Begründet ward dies durch die Lehre von der unio realis oder concomitantia, nach welcher im Leibe Christi auch sein Blut zugegen sei und beides im konsekrierten Brote genossen werde. Mit der Verwandlungslehre hängt auch die Sitte

zusammen, die konsekrierte Hostie bei der Feier der Messe zum Zwecke der Anbetung (adoratio) emporzuheben, in einem eigenen Behälter (Monstranz) zur Anbetung auszustellen und in Prozession einher zutragen (s. Fronleichnamsfest). Die Reformation hat den Kelch, den die griech. Kirche nie aufgegeben, zurückgefordert, während das Konzil zu Trient die Entziehung des Kelchs bestätigte. Aus ähnlichen Gründen wie die, welche die Kelchentziehung veranlaßten, ist die Kommunion der Kinder seit dem 12. Jahrh. aufgehoben worden. Nur die griech. Kirche findet sie jetzt noch zulässig. Der Gebrauch des gesäuerten Brotes in der griech., des ungesäuerten Brotes in der röm. und luth., ferner die Anwendung von mit Wasser gemischtem Weine in der röm. und griech., von ungemischtem Weine in der prot. Kirche sind kleine, aber zum Teil von heftigen Streitigkeiten begleitete Verschiedenheiten, die, meist in zufälligen histor. Verhältnissen begründet, durch symbolische Ausdeutungen wichtiger gemacht wurden. Die reform. Kirche pflegt das Brot zu brechen und läßt es von den Kommunikanten mit der Hand (nicht mit dem Munde) "nehmen".

Seit Ende des 18. Jahrh. waren die Lebrunter schiede der Lutheraner und Reformierten ziemlich in Vergessenheit geraten und die evang. Union stieß daber auf kein dogmatisches Hindernis. Die kleine Schar der preuß. Altlutheraner vertrat in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh. fast allein noch die ältere luth. Vorstellung. Erst in neuerer und neuester Zeit ist der luth. Konfessionalismus von neuem erstarkt und hat auch die Abendmahlslehre Luthers aufs neue als die allein "schriftgemäße" verfochten. - Die Hauptschriften über das A., in denen die verschiedenen Richtungen ihren Stand punkt dargelegt haben, sind: Dav. Schulz, Die christl. Lehre vom heiligen A. (Lpz. 1824): Ebrard, Das Dogma vom A. und seine Geschichte (2 Bde., Frankf. 1845-46); Kahnis, Die Lehre vom A. (Lpz. 1851); Rückert, Das A., sein Wesen und seine Ge schichte in der alten Kirche (ebd. 1856); Herm. Schultz, Zur Lehre vom heiligen A. (Gotha 1886).

Bei der großen gottesdienstlichen und geschichtlichen Bedeutung des A. wurde es frühzeitig zu einem hervorragenden Gegenstande der christl. Malerei. Seine geschichtliche Darstellung reiht sich oft den Cyklen der Leidensgeschichte ein. Daneben kennt die byzant. Kunst eine sakrale Darstellung, in welcher Christus hinter einem Altar den Aposteln Brot und Wein reicht. Die ältesten deutschen Darstellungen, z. B. am Antependium zu Aachen und an der Bernwardsäule zu Hildesheim, stellen die Darreichung des Bissens an Judas dar. Früh treten freiere Auffassungen hervor, indem Christus meist inmitten der 12 Apostel den als Kind gebildeten Johannes an die Brust drückend dargestellt wird, während Judas mit offenem Beutel kniend vor dem Tische erscheint. Aus der ital. Kunst seien erwähnt Abendmahlbilder von Duccio del Buoninsegna im Dome zu Siena, Giotto in Sta. Croce zu Florenz und in der Kirche der Madonna dell' Arena zu Padua, Taddeo Gaddi (Florenz), A. del Castagno (Florenz), Fra Angelico (Kloster San Marco zu Florenz), Rosselli (Rom, Sixtinische Kapelle), Ghirlandajo (Florenz, Ognis santi), Signorelli (im Dom zu Cortona) und Andrea del Sarto (Florenz, San Salvi) und die Darstellung des A. von Leonardo da Vinci <s. Tafel: Das Heilige Abendmahl, beim Artikel Leonardo da Vinci). Unter den ältern deutschen Künstlern,