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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Abessinischer Brunnen; Abewega; Abfahrtsgeld; Abfall; Abfälle; Abfallslinien; Abfangen

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Abessinischer Brunnen - Abfangen

Volkssitte. Als christl. Abzeichen zur Erinnerung an die Taufe tragen die Abessinier eine blaue Schnur um den Hals, Mateb genannt. Der Glaube an Zauberei, Amulette u. s. w. hat seit dem 16. Jahrh. sehr überhand genommen. Fasten, Schenkungen an Bettler, Pilger, Priester, Kirchen und Klöster gelten als gute Werke, ebenso Pilgerfahrten nach Jerusalem.

An der Spitze der A. K. steht der Abuna (auch Metropolit, Patriarch genannt), der früher in Axum residierte, jetzt in Gondar. Er ist in Glaubenssachen die höchste Autorität, hat allein das Recht, die Könige zu salben und Priester und Diakone zu ordinieren, nimmt aber auch in weltlichen Dingen eine bedeutende Machtstellung ein, sogar gegenüber dem Könige, ob obgleich dieser Schutzherr und nominelles Oberhaupt der Kirche ist. Von dem kopt. Patriarchen (jetzt in Kairo) ernannt, soll er nach einer aus dem 13. Jahrh. stammenden Bestimmung kein Abessinier, sondern ein Kopte sein. Der Bildungsgrad der Abuna, wie überhaupt der Geistlichen, ist gegenwärtig sehr gering, wie denn zum Diakonenamte alle, die sich melden, ordiniert werden, wenn sie nur lesen können. Der Großprior der Klostergeistlichkeit, Etschege genannt, mit dem Sitz auf dem im 13. Jahrh. gegründeten Kloster Dabra-Libanos in Schoa, ist die zweite geistliche Person des Reichs. Außerdem sind berühmte Klöster: Debra-Dammo, Axum, St. Stephan, Abba-Garima und Lalibela. Die Zahl der Mönche ist sehr groß. - Vgl. Ludolf, Historia Aethiopica (Frankf. 1681); Waldmeier, Erlebnisse in Abessinien (Bas. 1869); Arnhard, Liturgie zum Tauffest der Äthiopischen Kirche (Münch. 1886); Doncourt, L'Abyssinie (Par. 1886).

Abessinischer Brunnen, s. Wasserversorgung.

Abewega, s. Azbuka.

Abfahrtsgeld und Abfahrtsrecht, s. Abzugsgeld.

Abfall, staatsrechtlich soviel wie Empörung, sei es, daß ein ganzes Volk von der legitimen Regierung abfällt, oder daß ein einzelner Teil (eine Provinz, eine Stadt) vom Staat, ein Staat vom Reiche sich ablöst, um sich selbständig zu machen oder an einen andern Staat oder ein anderes Reich anzuschließen. Abfallen kann auch ein Teil der Armee, indem er zum Feinde oder zu den Empörern übergebt. Jeder A. ist ein Rechtsbruch und wird als Verbrechen bestraft, wenn die legitime Regierung Siegerin bleibt, sofern sie nicht Amnestie zu erteilen für weiser hält. Unterläßt die Regierung den Kampf, oder wird sie überwunden, so begründet der A. neue staatsrechtliche Verhältnisse. Völkerrechtlich spricht man auch von einem A. verbündeter Staaten vom Bündnisvertrag. A. in kirchenrechtlicher Bedeutung, s. Apostasie.

Abfälle oder Abgänge, in der Technik der Teil der Rohstoffe, der bei der Darstellung des Fabrikats ausgeschieden oder abgesondert wird und entweder ganz nutzlos oder nur zu irgend einer Nebennutzung brauchbar ist. Im strengern, freilich nicht immer festgehaltenen Sprachgebrauch wird zwischen Abgang und Abfall so unterschieden, daß Abgang jede infolge der Bearbeitung eintretende Verminderung des Stoffs bezeichnet, Abfall aber die wirtlich gesammelte abgegangene Substanz ausdrückt; so erleidet die Leinwand durch Bleichen einen sehr bedeutenden Abgang, ohne daß sich ein Abfallstoff dabei ergiebt. Die Menge der A. erreicht oft einen sehr hohen Betrag, und es ist eine wichtige Aufgabe der Technik, durch eine zweckmäßige Einrichtung der Fabrikationsprozesse die A. entweder zu vermindern oder nutzbar zu machen. Wie bedeutend bei manchen Fabrikationen die A. sind, zeigt z. B., daß man aus 100 kg Roheisen durch die Arbeiten des Frischens und Ausschmiedens oder Walzens nur 70-80 kg Stabeisen gewinnt; aus 100 kg Stabeisen 45-60 kg verkäuflichem Eisenblech; aus 100 kg Stahldraht etwa 60 kg verkäufliche Nähnadeln; aus 100 kg gewalzter Gold-, Silber- oder Kupferbleche 66-70 kg Platten zum Münzenprägen; aus 1 cbm Holz oft nur 0,5 cbm Fourniere; aus 100 kg roher Baumwolle gewöhnlich 70-80 kg Garn; aus 100 kg roher, trockner Leinstengel 9-15 kg reinen, spinnbaren Flachs; aus 100 kg roher Schafwolle (wie sie auf dem Körper des Tiers sitzt) 20-40 kg völlig rein gewaschene Wolle; aus 100 kg leinener Lumpen 55-80 kg Papier. Viele A., die man früher nicht nutzbar verwenden konnte, werden jetzt verarbeitet. So dienen früher als wertlos betrachtete wollene Lumpen zur Darstellung des Shoddy, aus dem neue Stoffe, Teppiche u. dgl. gefertigt werden. Aus den Seife enthaltenden Wassern der großen Wäschereien gewinnt man Fett. Die verbrauchten Bäder der Färbereien werden ausgenutzt zur Darstellung der darin enthaltenen Weinsteinsäure. Das Wasser der Wollwäschereien liefert nach dem Verdampfen und Calcinieren des Rückstandes reichliche Mengen von wertvollem Kalisalz, namentlich Pottasche von höchstem Reinheitsgrade. In der Sodafabrikation wurde die Gesamtmenge des Schwefels, der zur Darstellung des Hauptproduktes in großer Menge gebraucht wird, früher völlig verloren gegeben, während man ihn jetzt wiederzugewinnen versteht. Bei vielen metallurgischen Prozessen wird massenhaft schweflige Säure entwickelt, die früher in die Luft entwich, jetzt in Schwefelsäure übergeführt wird. Die Hochofenschlacken dienen als Wegbaumaterial und zur Darstellung von Schlackenwolle und Ziegeln. Als Dünger und Futtermittel werden die A. in der Landwirtschaft vielfach verwendet. Als Dünger dienen vorzugsweise die Tbomasschlacke der Eisenhütten, die gebrauchte Knochenkohle der Zuckerfabriken, A. der Leimfabriken, Gerbereien, Schlächtereien und Wollspinnereien (Wollstaub); als Futter die Ölkuchen verschiedener Gattung, Malzkeime, Rückstände der Stärkefabrikation, Brennerei, Brauerei, Rübenzuckerfabrikation u. dgl. - Vgl. Simmonds, Waste Products (3. Aufl., Lond. 1876); Süßenguth, Industrie der Abfallstoffe (Lpz. 1879); Ferd. Fischer, Die Verwertung der städtischen und Industrie-Abfallstoffe (ebd. 1875).

Abfallslinien oder Falllinien, in einer Terrainzeichnung (s. d.) die in der Richtung des stärksten Abfalls, der größten Neigung gezogenen Linien; sie geben diejenige Richtung an, die frei und ungehindert abfließendes Wasser einschlagen würde. In der Natur ist die Richtung des stärksten Falles meist leicht zu erkennen und daher auch ohne Schwierigkeit in der Zeichnung durch die A. festzulegen. Die letztern haben deshalb für jede Bergzeichnung eine hervorragende Bedeutung, weil sie von den Schichtlinien (s. d.) senkrecht durchschnitten werden und daher für die Form und Lage der letztern von entscheidendem Einfluß sind. Ebenso sind sie für eine Terrainzeichnung in Bergstrichen unentbehrlich, da sie die Richtung der letztern bestimmen.

Abfangen, Abfedern, Genicken, Abnicken, in der Jägersprache das Töten des Wildes auf verschiedene Art. Das A. geschieht bei angeschossenem oder bei von Hunden gestelltem Edelwild und