Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Adler'
Alle A. leben paarweise und bauen ihr kunstloses, aus Reisern geflochtenes Nest, in welches die großen Arten zwei, die kleinern drei
bis vier Eier legen, auf unzugänglichen Felsen oder hohen Bäumen. In der Umgebung des Horstes liegen gewöhnlich Haufen von
Knochen und Gewöllen, die Überbleibsel der Mahlzeiten der Jungen. Diese werden erst sehr spät flügge, haben bei dem ersten
Ausfluge fast die Größe der Alten, stets aber eine sehr verschiedene (dunklere) Färbung. Es vergehen in der Regel Jahre, bevor sie
das Kleid der alten Tiere erhalten. Die Adlerweibchen sind immer etwas größer als die Männchen. Der Flug ist sehr anhaltend, kräftig,
aber weder so flink wie derjenige der Falken, noch so hoch als derjenige der Geier. Die breite und stumpfe äußere Rundung der Flügel
läßt den kreisenden A. auch schon in bedeutender Entfernung von den Geiern und Bussarden unterscheiden. Sie töten ihre Beute
durch Schnabelhiebe auf den Kopf und in die Augen, worauf sie den Bauch aufreißen und die Eingeweide herauszerren. Haare, Federn
und größere Knochen werden nach der Verdauung in einem Ballen, als sog. Gewölle, ausgebrochen. In der Gefangenschaft dauern die
A. sehr gut aus und man hat Beispiele, wonach dieselben gegen 100 Jahre gelebt haben. Zur Fütterung benutzt man Pferdefleisch und
giebt ab und zu Ratten, Mäuse und Sperlinge, um die Gewöllebildung zu befördern. Die Preise schwanken zwischen 20 M. für einen
Seeadler, 40 M. für einen Steinadler und 600 M. für eine Harpyie.
Adler als Symbol. Der A. spielt in der Mythologie
der indogerman. Völker einerseits als König der Vögel, andererseits als Attribut der höchsten Gottheiten eine wichtige Rolle. Bei den
Hellenen war er der heilige Vogel des Zeus, der Bote und Begleiter des Weltkönigs. Er sitzt in den künstlerischen Darstellungen
entweder zur Seite seines Gebieters oder auch (wie bei dem berühmten Bilde des Phidias) auf dessen Scepter und trägt den Blitz in
den Klauen. Der A. des Zeus ist vielfach in die griech. Mythen verflochten. Von ihm wird Ganymed als Hirt oder Jäger auf freiem Felde
ergriffen und zu Zeus emporgehoben. In der Gestalt eines A. entführt Zeus die schöne Nymphe Aigina dnrch die Lüfte. Spätere griech.
Maler und Steinschneider stellen oft Ganymed oder Hebe dar, wie sie den A. des Zeus liebkosen und ihm Nektar reichen. Zeus
versetzte dankbar seinen A. als Sternbild an den Himmel.
Als königl. Vogel und Sinnbild siegreicher Stärke ist der A. schon von alters her zum Symbol für Völker, Fürsten und Heere
gewählt worden. Als Heereszeichen erscheint er zuerst nach den Berichten des Xenophon bei
den Persern, bei denen schon unter Cyrus ein goldener A. mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Spieße dem Heere vorangetragen
wurde. Dieser Gebrauch ging unter Ptolemäus Soter, der den A. als Wappen auf Münzen führte, 305 v. Chr. auf das ägypt. Reich über.
Bei den Römern war der mit Blitzen und Donnerkeilen in den Fängen bewaffnete A., als das
Symbol des obersten latin. Bundesgottes (Jupiter), ↔ das Sinnbild des röm. Staates. Der A. erscheint daher nicht nur
auf röm. Münzen, auf den Sceptern und Helmen der Kaiser und anderwärts, sondern er wurde auch durch Marius während seines zweiten
Konsulats (104 v. Chr.) zum Feldzeichen der Legionen erhoben, nachdem er bereits das Feldzeichen des ersten Manipels jeder Legion
gewesen war. Der röm. Legionsadler schwebte auf einer hohen Stange oder Lanze mit
ausgebreiteten Fittichen, in den Klauen bisweilen Blitze haltend, in späterer Zeit mit Lorbeeren geschmückt. Anfangs waren die A. von
Holz, dann von Silber mit goldenen Blitzstrahlen; später war unter ihm eine kleine Fahne (vexillum)
angebracht, seit Augustus mit der Nummer und Devise der Legion. Der Legionsadler befand sich stets bei der ersten Kohorte. Es galt
für ein böses Vorzeichen, wenn es Mühe machte, die Stange bei dem Abmarsche wieder herauszuziehen. Namentlich später genoß der
röm. Legionsadler eine fast göttliche Verehrung, da bei ihm das Asyl (s. d.) war und bei ihm geschworen wurde.
In spätern Zeiten finden sich an den Lanzen, auf denen die Legionsadler getragen wurden, Kränze, Schilde, Inschriften, ja selbst
Kaiserbüsten. Der Verlust des A. galt den Truppen für einen grossen Schimpf und wurde streng bestraft. Die ranghöchste Centurio hatte
die Schutzwache und übergab den A. beim Aufbruche dem Adlerträger
(aquilifer), der über Helm und Panzer noch ein Bärenfell trug. In der Schlacht stand der A. im dritten
Treffen bei den Triariern, später am rechten Flügel der Legion bei der ersten Centurie der ersten Kohorte.
Als Heereszeichen kennt das Mittelalter den A. nur in seiner heraldischen Bedeutung auf Fahnentüchern. Erst durch Napoleon
I. wurde er wieder zum Heereszeichen wie überhaupt zum Symbol des kaiserl. Frankreich. Jedes Regiment erhielt bei der Krönung
2. Dez. 1804 einen A., der beim ersten Bataillon geführt wurde. Der Fahnenträger (porte-drapeau)
war Offizier. Der französische A. hat jedoch nicht die heraldische Form, sondern er erscheint als goldener A. des Zeus, in natürlicher
Gestalt, zum Aufschwung bereit sitzend und Blitze in den Fängen tragend. Nach dem Sturze Napoleons I. beseitigten die Bourbonen
den A.; Napoleon III. stellte ihn 1852 in der Form des ersten Kaiserreichs wieder her; die Republik von 1870 schaffte ihn ab. Auf Fahnen
findet sich der A. im preuß., österr. und russ., auf Helmen (s. Haarbusch) im preuß. Heere.
In der christlichen Kunst ist der A. das Attribut des Evangelisten Johannes.
In der Heraldik ist der A. das verbreitetste aller Wappenbilder; er findet sich in den
Wappen von Staaten,Fürsten, Edelleuten und vielen Städten. Der heraldische A. erscheint frei schwebend mit ausgebreiteten Flügeln,
senkrecht gehaltenem Körper und rechts gewandtem Kopfe (gewöhnlich mit ausgeschlagener Zunge), ausgespreizten Beinen und
Krallen und abhängendem, krausem Schwanze. Gestümmelt (bei den Franzosen
alérion) heißt er, wenn er der untern Teile der Beine und des Schnabels beraubt ist. Meist erscheint
der A. einköpfig, in einzelnen Fällen zweiköpfig. Der schwarze zweiköpfige oder
Doppeladler des Römisch-Deutschen Kaiserreichs ist mit dem einen Kopfe und Halse rechts, mit
dem andern links gewendet, beiderseits rotgezungt, goldgeschnabelt, goldgekrönt und goldumscheint, mit ausgebreiteten Flügeln,
ausgespreizten Beinen, goldenen Fängen und krausfedrigem
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 147.