Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Afrika (Kulturzustand)'
hindernis der Kulturentwicklung in den betreffenden Teilen A.s bilden. Ob es möglich sein wird, die Negersklaven auf den afrik. Plantagen ohne weitere Übergangs- und
Zwischenstufe sogleich zu freien Arbeitern zu machen, ist eine vielumstrittene Frage praktischer Kolonialpolitik.
Religion. Das Christentum, das vor Mitte des 7. Jahrh. über ganz Nordafrika verbreitet war, hat sich nur in Abessinien und bei den
Kopten Ägyptens erhalten. Der Erfolg der im 16. Jahrh. unternommenen Christianisierungsversuche in Oberguinea, am Kongo, in Loango und Angola war bereits im 17.
Jahrh. wieder vertilgt. In neuester Zeit hat unter dem Schutz franz. Waffen der Katholicismus an der Nordküste wieder Fuß gefaßt, und in Algier ist 1867 ein Erzbischof
eingesetzt worden. Im tropischen und südlichsten Teil A.s hat das Christentum in neuester Zeit durch die europ. Niederlassungen und Kolonisationsbestrebungen
bedeutend an räumlicher Ausdehnung gewonnen. In Südafrika waren unter einer eingeborenen Bevölkerung von 4½ Mill. 1888 auf 502 evang. Missionsstationen 456
europ. und 91 eingeborene Missionare thätig und wurden 344835 Getaufte gezählt, während die röm. Kirche hier etwa 2000 Eingeborene für sich gewonnen hatte.
(Vgl. Merensky, Der gegenwärtige Stand der evang. Mission in Südafrika, Berl. 1891.) Die Missionsunternehmungen in Ostafrika sind meist neuesten Ursprungs, und hier
kann von Erfolgen noch nicht die Rede sein. In Uganda am Victoria Njansa, wo die Church mission gute Aussichten hatte, wurde
durch die Mohammedaner und das Eindringen der röm. kath. Mission große Verwirrung angerichtet, wie überhaupt der Wettkampf zwischen den Evangelischen und
Katholischen der Sache nicht förderlich ist. Die Zahlenangaben über die religiösen Verhältnisse sind noch sehr unsicher und beruhen zum Teil auf bloßen Annahmen.
Man schützt das Verhältnis der Mohammedaner zu den Heiden wie ¼ zu fast ¾, rechnet 1 Mill. Juden, 1/8 M. Hindu und etwa 3½ Mill. Christen, darunter allerdings die
beträchtliche Zahl europ. Einwanderer, besonders im Süden.
Der Hauptfeind des Christentums ist der Islam, der im ganzen Norden herrscht und sich seit dem 7. Jahrh. mit den siegreich vordringenden Arabern unter den
Eingeborenen der Berberei, des größten Teils der Sahara, der Nilländer, des ganzen Sudan und der Küsten des Roten und Indischen Meers verbreitet hat. Der Islam tritt
hier noch mit gewaltigem Fanatismus auf, namentlich im Sudan, wo er unter blutigen Kämpfen immer weiter um sich greift. Im ganzen übrigen A. herrscht heidn. Glaube
in der Form des Fetischismus (s. d.) und der Ahnenverehrung (s. d.). Der Tierdienst (s. d.) ist ziemlich weit
verbreitet, ebenso die Verehrung von Bäumen und Berggipfeln. Formell ist der heidn. Kultus besonders an der Westküste ausgebildet, wo auch die eigentliche
Heimstätte der geschnitzten Götzenbilder in Gestalt von menschlichen Figuren und Teufelsfratzen ist. Bei vielen heidn. Negerstämmen ist Beschneidung üblich. Eine
außerordentlich wichtige Rolle im Leben der Eingeborenen spielen die meist über einige mediz. Kenntnisse verfügenden Fetischpriester und Zauberer, die bei jeder
wichtigen Unternehmung hinzugezogen werden, um dieselbe vorzubereiten und ihren Erfolg zu sichern. Zu ihren Hauptfunktionen gehört der Verkehr mit den Geistern
der Abgeschiedenen, denen großer Einfluß auf die Geschicke der ↔ Lebenden beigelegt wird; als Regenmacher haben sie oft mehr Ansehen und Macht
als die Häuptlinge. Eine noch höhere Stellung nehmen an der Westküste die Priester der großen unsichtbaren Geister ein, die im Gegensatz zu den erwähnten
Zauberern eine erbliche Priesterkaste bilden und deren Hauptthätigkeit in der Veranstaltung von Gottesurteilen und der Darbringung der Opfer besteht.
Menschenopfer kommen namentlich bei Totenfeiern und Begräbnissen der Häuptlinge vor, in einigen Reichen des Westens werden noch hier und da Hunderte von
Sklaven und Gefangenen hingeschlachtet.
Staaten und Kolonien (vgl. unten die Tabellen). Von dem Gesamtflächenraum (29 Mill. qkm) kommen
auf die Staaten und Reiche einheimischen oder türk.-arab. Ursprungs und die europ. Kolonien zusammen etwa 18 Mill. qkm. Der übrige Teil des Erdteils (11 Mill. qkm)
zerfällt in eine Unzahl von Gebieten vereinzelter Stämme, die keine größern und stärker zusammengefügten polit. Organisationen besitzen. Auch in den eigentlichen
Negerreichen und in den sog. Interessensphären der europ. Kolonisationen waltet die patriarchalische Zersplitterung in eine Menge von Häuptlingsschaften vor; die
polit. Einheit offenbart sich nur in Zahlung von Tribut und in einem etwas mehr gesicherten friedlichen Nebeneinanderleben. Der fortwährende Kriegszustand nimmt
zu, je weiter man von der Küste und den festern Organisationen in die Gebiete der zerstückelten Völkerstämme tritt.
I. Zu den einheimischen Negerreichen gehören an der Guineaküste die Republik Liberia; die Despotien Aschanti und Joruba mit
Abeokuta; zwischen Niger und Binue die Haussastaaten Sokoto, Gando, Nupe und Adamaua; im Innern des Kontinents, im Bereiche der Seen, Unjoro.
II. Die Staaten türkischen oder arabischen Ursprungs sind fast alle zur Zeit der arab. Völkerwanderung nach dem Westen durch
das Schwert des Islam erobert oder gegründet worden. An den Gestaden des Mittelmeers fanden die mohammed. Heerscharen uralte Staatengebilde vor, die sie mit
ihrem Geist und ihrer Kultur erfüllten; im Süden der Sahara gewannen sie nur allmählich die Herrschaft über die heidn. negerhafte Bevölkerung. Das in neuester Zeit
entstandene Reich des Mahdi am obern Nil ist weniger ein Staat als eine fanatische Theokratie zu nennen. Zu diesen Staaten gehören Ägypten (ohne Nubien,
Kordofan u.s.w.), Tripolis, Marokko, das kopt. christl. Abessinien; das Reich des Mahdi in Nubien, Darfur, Kordofan und am Nil aufwärts bis zu den Grenzen von Unjoro,
die Sudanstaaten Bornu, Bagirmi und Wadai.
III. Die europäischen Kolonien sind fast sämtlich aus Handelsunternehmungen hervorgegangen. Vereinzelten Faktoreien folgten
größere Gruppen von Niederlassungen; diesen eine städtische, dann eine staatliche Verwaltung. Mit dem Beginn der achtziger Jahre des 19. Jahrh. trat ein Wettkampf
der einzelnen Nationen untereinander ein, um ein möglichst großes Stück der politisch machtlosen Länder A.s zu erwerben. Da man die endlos weiten Gebiete nicht
sofort kolonisieren konnte, aber sich die Möglichkeit dazu für eine wenn auch noch so ferne Zukunft zu sichern trachtete, so kam man auf internationalen Konferenzen
zu dem Aushilfsmittel, an die bestehenden Niederlassungen an der Küste oder auch im Binnenland weit in das Innere sich erstreckende sog. «Interessensphären» oder
«Protektorate» (im weitesten Sinne) an-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 185.