Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (alte Geschichte)'
hatten sie frühzeitig exakte Kenntnisse, mit deren Hilfe Eratosthenes später seine großen Erdmessungen unternahm. Die Feldmessung nahm ihren Anfang in
Ä., veranlaßt durch die jährlichen Überschwemmungen des Nils, welche die Grenzen der Ländereien veränderten und verwischten. Eine besondere Pflege
haben die Ägypter der Medizin gewidmet und in ihr wohl auch große praktische Erfolge erzielt, obwohl ihre anatom. Kenntnisse, soweit man sehen kann, gering
waren und sie sich bei der Anwendung der Rezepte nie von dem Aberglauben und dem damit verbundenen Beschwörungswesen frei gemacht haben. Uns sind
mehrere ägyptische mediz. Bücher überkommen; das bekannteste ist das große auf Papyrus geschriebene Rezeptbuch, das den Namen von Georg Ebers trägt
und auch von diesem herausgegeben worden ist. Eine von Joachim besorgte Übersetzung dieses Papyrus (Berl. 1891) bedarf durchweg der Verbesserung. Die
Ägypter hatten nach der spätern griech. Tradition einen heiligen Codex von 42 heiligen Büchern, die von dem Gott Hermes (d. i. Thoth) selbst herrühren sollten,
in welchen alle den Priestern obliegenden Pflichten in Bezug auf Wissen und Handeln enthalten waren (s. Hermes Trismegistus). Zu der
wissenschaftlichen und religiösen kam noch eine ziemlich umfangreiche prosaische und poet. Profanlitteratur. Ihr gehören die zahlreichen Märchen an, für die
die alten Ägypter ebenso wie ihre modernen Nachkommen eine besondere Vorliebe gehabt haben. (Vgl. Maspero,
Les contes populaires de l'Égypte ancienne traduits et commentés, 2. Aufl., Par. 1889.) Von Heldengedichten ist uns nur
eins überkommen, und mehr scheint die ägypt. Litteratur auch nicht besessen zu haben. Es behandelt die große Schlacht, die Ramses II. den Hethitern bei
Kadesch geliefert hat. Sein Verfasser ist unbekannt; man hat fälschlich einen gewissen Pentaur (Pentewéret) für den Dichter gehalten; von diesem rührt aber
nur die in einem Schulheft erhaltene Abschrift des Gedichtes her. Von der poet. Litteratur der Ägypter sind noch Volkslieder, Liebes- und Trinklieder
hervorzuheben. Die Form der ägypt. Gedichte beruht auf dem Parallelismus der Glieder, der auch in der hebr. Poesie vorherrscht. Gelegentlich kommen
Ailitterationen vor; Reime sind dagegen nicht nachweisbar.
B. Neuere und neueste Geschichte. Bei der Teilung des Römischen Reichs 395 n. Chr. fiel Ä.
dem Oströmischen oder Byzantinischen Reiche zu, dessen Verfall es teilte, bis zur Zeit des Kaisers Heraklius 638 die Araber unter Amru, dem Feldherrn des
Chalifen Omar, das Land eroberten. Die in die Parteien der Kopten oder Jakobiten und der Griechen oder Melchiten gespaltene Bevölkerung setzte den
Eindringlingen kaum Widerstand entgegen. Das Christentum mußte vor dem Islam weichen. Memphis ebenso wie Alexandria, das bis dahin Sitz der
Gelehrsamkeit und Mittelpunkt des Handels gewesen, wurden erobert. Die Verwaltung des Landes blieb, wie sie zur Römerzeit gewesen war; nur wechselten
zum Schaden des Landes die Statthalter während der etwa 100jährigen Herrschaft der Omajjaden häufig. Unter den Abbasiden gelang es dem Statthalter
Achmed ibn Tulun 868, sich von der Oberherrschaft der Chalifen zu befreien und in Ä. die selbständige Dynastie der Tuluniden zu gründen. Als 904 Tuluns
Nachkommenschaft erlosch, gründete nach kurzer Zwischenregierung des Chalifen von Bagdad 934 ein Emporkömmling, Achschid, eine neue Dynastie,
↔ der 969 Dschauhar, der Feldherr des Chalifen Al Muizzli din Allah, ein Ende machte. Letzterer, aus dem Geschlecht der Fatimiden
stammend, gründete 970 Kairo und machte es zur Hauptstadt. Der letzte der Fatimiden, Addad, der den Kreuzfahrern unter Guido von Lusignan eine Million
Zechinen zahlen mußte, bat Nureddin, den mächtigen Herrscher von Aleppo in Syrien, um Beistand. Unter der zu Hilfe gesandten Armee befand sich
Salaheddin oder Saladin, ein Kurde von Geburt, der den kranken Chalifen Addad 1171 ermordete und Ä. in Besitz nahm. Saladin erklärte sich für unabhängig,
gründete (als Sohn Ejjubs) die Dynastie der Ejiubiden und stellte in Ä. die Glaubenseinheit wieder her. Darauf entriß Saladin den Kreuzfahrern ihre wichtigsten
Besitzungen in Syrien und vereinigte das Land sowie einen Teil Mesopotamiens und Arabiens mit seiner Krone. Nach Saladins Tode 1193 teilten seine drei
Söhne das Reich. Einer der Ejiubiden bildete 1230 aus Mingreliern und Abchasen (also Kaukasiern) eine Miliz, die unter dem Namen der
Mamluken (s. d.) für Ä. verhängnisvoll wurde. Unter der Regierung des El-Melikessalih Ejjub landete Ludwig IX. von Frankreich 1249 an
der Nilmündung mit 40000 Kriegern, eroberte Damiette, wurde aber mit 20000 Christen gefangen und längere Zeit in Mansurah in Haft gehalten. Mit dem
Ejjubiden Turan Schah, der 1250 von dem Anführer der Mamluken ermordet ward, erlosch die Dynastie der Ejjubiden.
Darauf begann die Herrschaft der Mamluken unter selbstgewählten Sultanen, von denen 47 an Zahl in 263 Jahren
folgten. In dieser Zeit litt das Land wiederholt durch Pest und Hungersnot; doch blieb es im Besitze Syriens. Selim I., Sultan der Osmanen, der bei Aleppo ein
Mamlukenheer vernichtet und Syriens sich bemächtigt hatte, schlug unweit Kairo im Jan. 1517 ein zweites Heer der Mamluken und machte Ä. zu einer türk.
Provinz. Selim übergab die Verwaltung der ägypt. Länder 24 Beis, die in dem zu Kairo residierenden Scheich el-Beled ihren Vorgesetzten hatten. Diese Beis
erhielten ihre direkten Befehle von einem Regentschaftsrate, der ursprünglich aus den sieben Chefs der sieben Armeekorps bestand. Dieser Diwan besaß die
eigentliche Macht, während der von Konstantinnopel gesandte Pascha nur ein beaufsichtigendes Mittelglied zwischen beiden Gewalten war und vor allem
darüber zu wachen hatte, daß der Tribut richtig einging. In solcher Stellung konnte kein Pascha zum Usurpator werden. Die Mamluken verstanden indes sich
in ihren Provinzen zu fast souveränen Herren zu machen und den Pascha in Abhängigkeit von sich zu bringen. Der berühmteste derselben, Ali Bei, empörte
sich 1771 gegen die Pforte, schlug sowohl seine Nebenbuhler wie auch die türk. Truppen und ließ sich durch den Scherif von Mekka zum Großsultan von Ä.
und Beherrscher beider Meere ernennen, ward aber 1773 von seinem General und Günstling Abu Dahab ermordet, der sich von der Türkei als Pascha von Ä.
bestätigen ließ. Nach ihm bemächtigten sich Ibrahim Bei und Murad Bei der Herrschaft; jener übernahm die innere Verwaltung, dieser die Armee; das Recht
der schwachen Pforte ward nur nominell durch einen Pascha gewahrt. So kam die Mamlukenherrschaft wieder auf, die das Volk und die Fremden zugleich
bedrückte. Der franz. Konsul Magallon zu Kairo wandte sich bereits 1795 mit Beschwerden an die Direktorialregierung der Republik, und dieser Schritt scheint
zuerst in Frankreich
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 248.