Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (neuere Geschichte)'
allmählich beseitigt werden sollte, wurde eine internationale Liquidationskommission eingesetzt, die aus Vertretern der europ.
Großmächte bestand und zunächst ein Liquidationsgesetz ausarbeitete. Der Chediv unterzeichnete 18. Juli 1880 dieses Gesetz, sowie
29. Dez. ein Dekret, in dem das ägypt. Budget für 1881 auf 8419000 ägypt. Pfd. Einnahme und 8308000 ägypt. Pfd. Ausgabe (also
111000 ägypt. Pfd. Überschuß) festgestellt wurde. Die Zustände schienen nun einigermaßen konsolidiert zu sein, als plötzlich 9. Sept.
1881 in Kairo ein Militäraufstand ausbrach. Mehrere Regimenter umzingelten den Abdin-Palast, die Residenz des Chediv, und forderten
die Entlassung des Ministeriums Riaz, die Gewährung einer Verfassung und die Vermehrung des Heers auf 18000 Mann. Der Chediv
bewilligte diese Forderungen im wesentlichen und betraute Scherif Pascha (s. d.) mit der Bildung eines neuen
Kabinetts.
Die Aufregung im Lande wuchs indes so gewaltig, daß der Chediv Anfang 1882 eine Notabelnversammlung berief, die, obwohl
nur zur Beratung bestimmt, doch bei der Regierung 2. Febr. 1882 die Berufung eines neuen Kabinetts durchsetzte, dessen
Präsidentschaft Mahmud Barudi übernahm, während Arabi als Kriegsminister der eigentliche Leiter war. Dieser versprach, allen
internationalen Verpflichtungen nachzukommen, suchte aber nach Möglichkeit den Einfluß der Fremden zu beseitigen. Da diese
Unabbängigkeitsgelüste die Interessen Englands und Frankreichs zu beeinträchtigen drohten, so schickten diese Mächte eine Flotte in
das Mittelmeer ab, die 20. Mai vor Alexandria erschien. Nunmehr wagte der Chediv seinen Kriegsminister abzusetzen; die Nationalpartei
aber erzwang sofort seine Wiedereinsetzung, und 11. Juni kam ein großer Aufstand in Alexandria zum Ausbruch. Zahlreiche Europäer
wurden von der fanatisierten Menge ermordet und auch der engl. Konsul verwundet, während die Flotte sich mit bloßen Demonstrationen
begnügte. Als aber Arabi die Befestigungen von Alexandria verstärkte, vermehrte England seine Seemacht, und 11. und 12. Juli
bombardierte Admiral Seymour (s. Alcester) die Stadt, die nun von rohem Gesindel unter Niedermetzelung der
europ. Bewohner geplündert und in Brand gesteckt wurde. Das völkerrechtswidrige Bombardement war politisch erfolglos; mehr als je
sahen die Ägypter nur in Arabi ihr Heil, und so schritt England unter dem Vorwand, den Sueskanal schützen zu müssen, zu weiterm
kriegerischem Vorgehen gegen die Aufständischen. Arabi wurde von Ismailia aus im Rücken seiner Aufstellung gefaßt und geriet, 13.
Sept. bei Tel el-Kebir entscheidend geschlagen, in Kriegsgefangenschaft. Noch im September war ganz Ä. unterworfen, und der Chediv
wurde von den Siegern nach Kairo zurückgeführt. England suchte nun die Verwaltung Ä.s in seine Hände zu bringen und es war sein
erstes, Frankreich seines Anteils an der Finanzkontrolle zu berauben. Aber die islamitisch-nationale Bewegung hatte sich inzwischen dem
fernen Süden mitgeteilt und brachte in den Sudanprovinzen unter einem energischen Führer, der sich den Titel «Mahdi» beilegte, einen
Aufstand zu Wege. Bald war bis auf wenige Städte mit ägypt. Besatzung das ganze Land abgefallen. Die Kämpfe der Engländer gegen
die Mahdisten hatten keinen Erfolg; im Laufe des Jahres 1886 wurden diese Gebiete aufgegeben, nur im äußersten Süden behauptete
noch der zum Gouverneur der Äquatorialprovinz ↔ ernannte Emin Pascha (s. d.) im Namen des
Chediv sein Gebiet, bis er im Frühling 1889 seine Stellung aufgeben mußte. (S. auch Mahdi und
Sudan.) So sehr die Pforte, von Rußland und Frankreich unterstützt, auch darauf drang, daß England einen
bestimmten Zeitpunkt der völligen Räumung Ä.s angeben solle, so lehnte dies doch jede bestimmte Erklärung darüber ab. Konferenzen
Sir Drummond Wolffs mit dem türk. Bevollmächtigten Mukhtar Pascha und der Regierung des Chediv in Kairo seit 1885 verliefen ohne
Ergebnis. Den Vorschlag Englands, unter gewissen Vorbehalten binnen 5 Jahren seine Truppen aus Ä. zurückzuziehen, lehnte die Pforte,
welche diesen Zeitraum für zu lang hielt, im April 1887 ab. Eine 22. Mai in Konstantinopel unterzeichnete engl.-türk. Übereinkunft,
wonach die engl. Truppen nach 3 Jahren Ä. räumen sollten, verwarf schließlich der Sultan, über den inzwischen wieder
entgegengesetzte Einflüsse das Übergewicht gewonnen hatten, und seitdem begann England die Hand um so fester auf das Land zu
legen. Schon früher (Frühling 1885) hatte es im Einverständnis und unter Bürgschaft der Großmächte zur Ordnung der ägypt.
Finanzverhältnisse eine Anleihe von 9 Mill. Pfd. St. aufgenommen; im Okt. 1887 wurde mit Frankreich ein Abkommen über unbedingte
Neutralität des Sueskanals geschlossen, und im Dez. 1889 auf engl. Antrieb beschlossen, die Fronarbeiten in ganz Ä. aufzuheben.
Der Chediv Tewfik starb 7. Jan. 1892. Ihm folgte sein ältester Sohn Abbas Pascha, der sich als ein minder gefügiges Werkzeug der
Engländer zeigte. Ohne deren Befragen entließ er im Jan. 1893 plötzlich den bisherigen Premierminister Mustapha Fehmi und ersetzte
ihn durch einen Gegner der engl. Verwaltung, Fakhri Pascha. Auf ein Ultimatum des engl. Gesandten Lord Cromer mußte er jedoch
diese Ernennung zurückziehen, und der England genehme Riaz Pascha wurde Premierminister. Dieser nahm aber schon im April 1894
seine Entlassung, worauf Nubar Pascha Ministerpräsident wurde. Eine neue Organisation des Ministeriums des Innern im Nov. 1891
ermöglichte auch in diesem den engl. Einfluß.
Litteratur. Von Werken über das alte Ä. ist
zuerst die durch die ägypt. Expedition Bonapartes veranlaßte Description de l'Égypte (Par. 1809–13;
neue Ausg., 26 Bde., 1821–30) zu nennen; das Werk behandelt außer dem Altertum auch die Neuzeit und die Naturgeschichte des
Landes. Hieran schließen sich die Monumentenwerke von Gau, Young, Cailliaud und in neuerer
Zeit: Rosellini, Monumenti dell' Egitto e della Nubia (9 Bde., Pisa 1832–44); Champollion,
Monuments de l'Égypte et de la Nubie (4 Bde., Par. 1835–45); Perring,
The Pyramids of Giseh (3 Bde., Lond. 1839–42); Lepsius, Denkmäler aus Ä. und Äthiopien (12 Bde.,
Berl. 1819–59); Brugsch, Recueil des monuments égyptiens (Bde. 1 u. 2, Lpz. 1862–63; Bd. 3–6 von
Dümichen u. d. T. Geogr. Inschriften altägypt. Denkmäler, ebd. 1865–85); ders.,
Thesaurus inscriptionum Aegyptiacarum (6 Bde., ebd. 1883–91); Mariette,
Choix des monuments et de dessins (Par. 1856); ders., Abydos
(3 Bde., ebd. 1870–80); ders., Monuments divers (ebd. 1872;
texte par G. Maspero, 1889); ders., Deir el bahari (ebd. 1877);
ders., Les mastabas l'ancien empire (ebd. 1882 fg.); Dümichen, Histor. Inschriften (2 Bde., Lpz.
1867–69); ders., Die Flotte einer ägypt. Königin (edd. 1868); Mémoires publiés
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 252.