Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Aktie und Aktiengesellschaft I. Begriff und rechtliche Struktur'
tare zum Aktiengesetz vom 18. Juli 1884 von Ring (2. Aufl., Berl. 1893), Esser II (5. Aufl., ebd. 1891), Kayser (2. Aufl., ebd.
1891), Hergenhahn (ebd. 1891), Staub (ebd. 1894).
II. Geschichtliches. Die unmittelbaren
Vorbilder der heutigen Aktiengesellschaft darf man in Italien in den großen
Kapitalvereinigungen suchen, die man Montes oder Banken nannte und deren älteste die
Bank von St. Georg in Genua, die in ihren Anfängen bis in das 12. Jahrh. zurückreicht, gewesen zu sein scheint. Dieselben
wurden häufig durch Zwangsanleihen von seiten des Staates geschaffen, indem dieser die Gesellschaft der Gläubiger als
Korporation konstituierte und mit Rechten ausstattete. Die Anteile an solchen Bauten nannte man
Loca montis und sie wurden verkauft, ohne daß der Käufer eine gesellschaftliche Haftung
übernahm. Mit Rücksicht auf die Wuchergesetze nahmen diese Banken häufig den Charakter von Wohlthätigkeitsanstalten an
(Montes pictatis), trieben aber auch als solche gewinnbringende Geldgeschäfte unter dem
Schutze ihrer Privilegien. Die beschränkte Haftbarkeit dieser Kapitalgesellschaften wurde hauptsächlich durch ihre Beziehung zum
Staate möglich, indem diese ihnen gestattete, als selbständige Korporationen aufzutreten.
Eine weiter greifende Bedeutung gewann das Aktienprincip erst durch die Begründung großer privilegierter Handelscompagnien
für überseeische Unternehmungen in Holland und England im Beginn des 17. Jahrh., denen ähnliche Bildungen, insbesondere in
Frankreich, bald folgten. Im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrh. entwickelte sich der erste große Aktienschwindel, und zwar
gleichzeitig in Frankreich im Anschluß an die Banque royale und die sog.
Mississippi-Gesellschaft des Schotten Law und in England durch die Gründung der Südsee-Gesellschaft.
Gegenstand der Spekulationswut waren in England nicht nur die Aktien dieser Gesellschaft
selbst, sondern auch die Anteilscheine und Promessen zahlreicher anderer Gesellschaften, die keine Korporationsrechte
besaßen und sich der solidarischen Haftbarkeit durch Stellung der Aktien auf den Inhaber zu entziehen suchten. Dieser Mißbrauch
führte zu der Bubble Act vom 11. Juli 1720, durch welche die Gründung von
Joint-Stock-Companies, d. i. aller Gesellschaften mit einem in übertragbare Teile zerlegten
Kapital, ohne Erlangung eines königl. Privilegiums verboten wurde. Daß beschränkte Haftung ohne Privilegium nicht wirksam, galt
als selbstverständlich. Dieses Gesetz blieb bis 1825 in Kraft. Trotz seines Bestehens entstanden ohne solche Privilegien
zahlreiche Aktiengesellschaften in dem gedachten weitern Sinne, 1824 allein 243 mit einem Kapital von je 1 Mill. Pfd. St. Dieser
Zustand führte in Gesetzgebungsakten von 1820 und 1844 dazu, solchen Gesellschaften die Rechtsfähigkeit bei Eintragung in ein
amtliches Register unter Erfüllung bestimmter Erfordernisse zuzugestehen. Für alle diese Gesellschaften galt aber die
unbeschränkte Haftung der Mitglieder. Erst 1856 wurde, nachdem bis dahin nur durch Privilegien teils des Handelsamtes, teils
des Parlaments bestimmten Gesellschaften die beschränkte Haftung in verschiedener Weise, und zwar zum Teil auch nur bald
bis zum doppelten, bald bis zum dreifachen Betrage ihres Kapitals, zugestanden worden, großen Gesellschaftsgruppen gesetzlich
das Recht des Geschäftsbetriebes mit beschränkter Haftung gewährt und in der
Companies Act von 1862 dies Recht der Errichtung mit beschränkter Haftung,
↔ also die freie Bildung der Aktiengesellschaft im kontinentalen Sinne, unter dem Erfordernis der Registrierung
und unter Aufstellung vou Normativbestimmungen allgemein anerkannt. Ein Gesetz von 1867 ließ, was bisher noch nicht
geschehen war, nach Vollzahlung die Inhaberaktie zu. In den letzten 25 Jahren bis 1886 wurden 26513
Joint-Stock-Companies, darunter 25353 Aktiengesellschaften in unserm Sinne, also
durchschnittlich 1061 im Jahr, gegründet. Seit der Zulassung der beschränkten Haftung überragen die Neugründungen nach
diesem Princip solche mit unbeschränkter Haftung weitaus. Letztere betragen neuerdings durchaus noch nicht einmal 1 Proz. der
gesamten Gründungen. 1887 hat gar keine Eintragung einer unlimited company
stattgefunden, so daß ihre Verdrängung durch die Aktiengesellschaft unzweifelhaft ist. Dabei gilt abweichend von der Regelung
der Aktiengesellschaft auf dem Kontinent der Grundsatz, daß, wenn auch die Höhe des Kapitals von Anfang an festgesetzt sein
muß, die geschehene Aufbringung desselben doch nicht Bedingung für die Entstehung der Gesellschaft ist. Für letztere genügt
es vielmehr, daß sieben Personen unter Zeichnung von je einer Aktie, die 1 Pfd. St. betragen kann, da eine Höhe gesetzlich nicht
normiert ist, den Gründungsentwurf zur Registrierung bringen. Es wirtschaften daher viele Gesellschaften mit einem weit unter
ihrem Nominalkapital zurückbleibenden Effektivkapital und das letztere beläuft sich gegenüber dem erstern insgesamt bei den
Gründungen der letzten 25 Jahre auf etwa ein Fünftel bis ein Viertel des gesamten Nominalkapitals. Das Gesetz sucht die
Sicherung der Aktionäre und Gläubiger in der Anordnung einer weitgehenden Veröffentlichung in Bezug auf Mitgliederzahl und
Einzahlungen. Als abgeschlossen kann die engl. Gesetzgebung nicht gelten. Ein neuer Gesetzentwurf plant behufs Beseitigung
der Mißbräuche bei Gründung und Verwaltung eine Scheidung zwischen provisorischer und definitiver Registrierung, welche
letztere, an schärfere Bedingungen in Bezug auf die Quote des aufgebrachten Kapitals und die gemachten Einzahlungen
geknüpft, die erstere binnen kurzer Frist ablösen muß. Eine der kontinentalen Kommanditgesellschaft auf Aktien entsprechende
Gesellschaftsform kennt England nicht.
In Frankreich ist das Aktienprincip im eigentlichen, der beschränkten Haftung
entsprechenden Sinne viel früher, und zwar mittels der Kommanditgesellschaft auf Aktien, zur Geltung gekommen. Schon die
1716 von Law gegründete Bank Law + Comp., aus der 1718 die Banque royale hervorging,
war eine Kommanditgesellschaft auf Aktien. Bei der 1717 von ihm geschaffenen sog. Mississippi-Gesellschaft kam bereits die
Inhaberaktie zur Geltung. Der Rechtszustand, nach welchem Aktiengesellschaften der Konzession der Regierung bedurften,
Kommanditgesellschaften auf Aktien aber, die man nicht als Körperschaften ansah, sich frei bilden durften, wurde im wesentlichen
auch durch den Code de commerce aufrecht erhalten. Mit der Restauration vermehrten sich
die Konzessionierungen von Aktiengesellschaften. Insbesondere aber nahmen die Kommanditgesellschaften auf Aktien zu und
erreichten, nachdem unter der Julimonarchie die Zulässigkeit der Inhaberaktie bei ihnen durch die Gerichte anerkannt worden,
eine solche Höhe, daß wegen des damit verknüpften Schwindels 1838 an eine gänzliche Unterdrückung dieser
Gesellschaftsform
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 294.