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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Alexandria (in Ägypten)

Quartier der Juden, denen von den fünf Teilen der Stadt eine Zeit lang zwei gehörten, durch die Ringmauern getrennt von dem außerhalb dieser gelegenen Stadtteil Hippodromus. (S. Karten: I. Alexandria im 1. Jahrh. vor und nach Christus; II. Alexandria im 3.-5. Jahrh. nach Christus.) - Vgl. Mahmud-Bey, Mémoire sur l'antique Alexandrie (Kopenh. 1872); Kiepert, Topographie des alten A. (Berl. 1872); Vaujany, Alexandrie et la Basse Égypte (Par. 1885); Nérutsos-Bey, L'ancienne Alexandrie (ebd. 1888).

Von allen Herrlichkeiten des Altertums hat das jetzige A. nur wenige Spuren aufzuweisen; am berühmtesten ist die sog. Pompejussäule (s. d.). Einen großen Teil des unterirdischen Raums der Stadt nehmen die weitläufigen, in den Kalkfels gearbeiteten Cisternen ein, Felsengräber und andere Reste alter Grabstätten bezeichnen die Stelle der alten Nekropolis. A. bildete von seiner Gründung an die griech. Hauptstadt Ägyptens. Seine Bevölkerung, in der Blütezeit auf 300 000 Freie angegeben, also mit Sklaven und Fremden auf mehr als das Doppelte anzuschlagen, bestand hauptsächlich aus griech. Kolonisten, eigentlichen Ägyptern und Juden. Nach dem Tode Alexanders d. Gr. fiel A. an die Ptolemäer, die es zu ihrer Residenz und zum Hauptsitze griech. Gelehrsamkeit und Geistesbildung machten. Durch den Handel wuchs die Stadt rasch und hatte den höchsten Glanz erreicht, als sie 30 v. Chr. den Römern anheimfiel. Im 1. Jahrh. n. Chr. war A. die zweitgrößte Stadt des Römischen Reichs, doch begann von nun an auch ihr Verfall. Schon unter Trajan ward infolge des Aufstandes der jüd. Bevölkerung ein großer Teil A.s verwüstet, die jüd. Einwohnerschaft vernichtet, und wenn auch Hadrian die Stadt wieder aufbaute, die verödeten jüd. Quartiere und ein Teil des Rhakotis blieben von den neuen Ringmauern ausgeschlossen, die Stadt auf drei Fünftel des alten Umfangs beschränkt. Der Kampf des eindringenden Christentums mit dem Heidentume gab in A. zu blutigen Kämpfen Veranlassung. Die Erstürmung des Sarapeion, des letzten Sitzes heidn. Theologie und Gelehrsamkeit, 389 durch Theodosius, und seine Verwandlung in eine Kirche des heil. Arcadius machten dem Heidentume ein Ende. A. war übrigens längst schon der Sitz eines Patriarchen und ein Hauptsitz christl. Gottesgelahrtheit. Unter der byzant. Herrschaft blieb es zwar die viertgrößte Handelsstadt des Reichs, aber die Eroberung der Stadt durch die Araber unter Amru im Dez. 641 versetzte ihrem Handel einen harten Stoß. Nur der ind. Handel, soweit er den alten Weg über das Rote Meer einschlug, ging über A. und war ganz in den Händen der Venetianer, die sich im 14. Jahrh. das Monopol des Handels mit ind. Waren verschafften. Durch die Entdeckung des Seewegs um das Kap der Guten Hoffnung und mit der Gründung der portug. Macht in Ostindien versiegte auch dieser Verkehr. Die Eroberung Ägyptens durch die Osmanen 1517 änderte nichts hierin; A. verödete mehr und mehr, so daß es 1777 kaum über 6000 E. zählte. Selbst der inländische Exporthandel hatte sich nach Rosette und Damiette gewendet, da A. durch Versandung der alten Kanäle und Versumpfung des Mareotissees nicht mehr in genügender Verbindung mit dem Binnenlande blieb. Die franz. Eroberung von 1798, wo Bonaparte 2. Juli A. erstürmte, das dann bis 31. Aug. 1801 in den Händen der Franzosen blieb, lenkte wieder die Aufmerksamkeit Europas auf die Stadt, und unter Mehemed Ali begann eine neue Ära für A.

II. Das gegenwärtige A. liegt auf der Stelle des alten, 209 km im Nordwesten von Kairo, mit dem es seit 1855 durch Eisenbahn verbunden ist. Seitdem Mehemed Ali, der einen Teil des Jahres hier Hof hielt, durch Ausgrabung des 1820 eröffneten Mahmudijehkanals den Hafen wieder durch eine direkte Wasserstraße mit dem Nil, Kairo und dem ganzen Hinterlande in Verbindung gesetzt hat, hat sich die Stadt aufs neue zu einem der bedeutendsten und schönsten Hafen- und Handelsplatze des Mittelmeers erhoben, dessen Verkehr fortwährend im Steigen begriffen ^[fehlt: ist]. Die Zahl der Einwohner ist auf (1882) 227 064 gewachsen, darunter 48 672 Fremde verschiedener Nationalität (von den Eingeborenen Franken genannt), die seit 1. Jan. 1876 unter gemischten Gerichtshöfen mit einem Appellsenat in A. stehen. Die beiden alten Hafenbassins, von denen in neuerer Zeit das westliche der Mittelpunkt des Verkehrs geworden ist, sind noch vorhanden. Gewöhnlich liegen hier 2-300 Handelsschiffe, und zugleich ist dieser Hafen die Hauptstation der ägypt. Kriegsflotte. Seit Mitte Mai 1871 sind die zum Schutze des Eunostoshafens entworfenen großen Werke in Angriff genommen. Der neue Außenhafen (3,5 qkm groß, 10 m tief) ist durch einen 2340 m langen und 8 m hohen Wellenbrecher geschützt, mit einem 600 und einem 800 m breiten Eingange; der innere Hafen (72 ha groß, mindestens 8,5 m tief) ist ebenfalls durch besondere Molen gedeckt. Die Einfahrt wird verteidigt durch einige Batterien bei Morabat im Südwesten und durch das Fort bei dem 1842 erbauten, plumpen Leuchtturme (55 m) auf der Westspitze der alten Pharusinsel, die jetzt durch eine angeschwemmte Landzunge mit dem Festlande zusammenhängt und auf diese Weise die beiden Häfen scheidet. In der Nähe dieses Leuchtturms steht der schöne, von Mehemed Ali erbaute Regierungspalast Ras et-Tin und das Gouvernementsgebäude. Weiterhin das große Marinearsenal mit Docks und allen Vorrichtungen zum Bau und zur Ausbesserung von Schiffen. Am Eingänge des Arsenals beginnen die Quais (mit den Entrepots und Bazars), die sich bis zu dem an der Stadt vorbeiführenden, in den Hafen mündenden, für kleine Dampfschiffe befahrbaren Mahmudijehkanale ausdehnen. Der vor dem Nilthore gelegene Hafen des Kanals bildet den großen Markt (genannt Minut el-Bassal) für die Landeserzeugnisse aller Art, die auf dem Nil und den Eisenbahnen aus dem Binnenlande hierher befördert und verladen werden. 6 km nordöstlich, durch eine Eisenbahn mit A. verbunden, liegt Ramleh (im Altertum Nikopolis, später auch Parembole genannt, woraus der heutige Name entstand), ein wegen seiner gesunden, trocknen Wüstenluft beliebter Sommeraufenthalt des Vicekönigs und der vornehmen Alexandriner; dort zeigte man noch vor kurzem die Reste des röm. Lagers und eines Tempels. Am Mahmudijehkanale liegen die Landhäuser der Europäer mit schönen Gartenanlagen. (S. Plan: Alexandria.) Nordöstlich von A. liegt Abukir (s. d.). Am 11. Juli 1882 wurde A. durch das Bombardement der engl. Flotte unter dem Admiral Seymour schwer geschädigt (s. Ägypten).

A. bietet ein Gemisch von Orient und Occident, ohne bestimmtes Gepräge. Es zerfällt in zwei wesentlich verschiedene Hälften: die mohammed. Stadt auf der Landenge zwischen den Häfen mit etwa