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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Amidotoluol; Amiénois; Amiens

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Amidotoluol - Amiens

mit Alkalien nicht als Ammoniak abgespalten werden kann (ähnlich wie bei den Aminen).

Amidotoluol, s. Toluidin.

Amiénois (spr. -noá), s. Amiens.

Amiens (spr. amiäng). 1) Arrondissement im franz. Depart. Somme, hat 1799,18 qkm, (1891) 19 8594 E., 251 Gemeinden und 13 Kantone: A. Nord-Est (17 147 E.), A. Nord-Ouest (17 837 E.), A. Sud-Est (26 168 E.), A. Sud-Ouest (29 866 E.), Boves (183,37 qkm, 12 006 E.), Conty (205,02 qkm, 8970 E.), Corbie (178,21 qkm, 23 283 E.), Hornoy (151,62 qkm, 8383 E.), Molliens-Bidame (221,55 qkm, 10 588 E.), Oisemont (143,84 qkm, 8789 E.), Picquigny (207,90 qkm, 17 020 E.), Poir (201,72 qkm, 7985 E.), Billers-Bocage (171,03 qkm, 10 552 E.). 2) A. (Ambianum), Hauptstadt des franz. Depart. Somme und Arrondissements A. sowie der ehemaligen Picardie, liegt in fruchtbarer Ebene an der hier vielfach geteilten Somme, welche die Celle aufnimmt, am Sommekanal, und an den Linien Estrées-St.Denis-A.(58 km), A.-Frévent (62 km), A.-Arras-Calais (327 km), Tergnier-A.-Rouen (197 km) und Paris-Beauvais-A. (148 km) der Franz. Nordbahn. A. ist Sitz eines Bischofs, eines Appellhofs, eines Handelsgerichts, des Kommandos vom 2. Armeekorps, des Stabes der 3. Infanteriedivision und hat (1891) 70 892, als Gemeinde 83 654 E., in Garnison das 72. Infanterieregiment, 2. Traineskadron, 2. Gendarmerielegion und das 8. Bataillon Jäger zu Fuß. Die Stadt, regelmäßig und gut gebaut, hat breite und vortrefflich gepflasterte Straßen, nur der untere, enge, der Industrie gewidmete und von Arbeitern bewohnte, von 11 Kanälen durchzogene Teil ist schlecht gebaut. Die alten Wälle sind in schöne Boulevards verwandelt, die die ganze Stadt umgeben und im Norden am Sommekanal sich hinziehen; außerdem trägt die Promenade La Hautoie mit ihren Lindenalleen und ihrem Bassin von 150 m Durchmesser zur Verschönerung der Stadt bei. A. besitzt an höhern Lehranstalten ein Lyceum und ein theol. Seminar, ein großes 1871-76 erbautes Justizgebäude, mehrere gelehrte Gesellschaften, ein Archiv, eine Bibliothek (75 000 Bände und 800 Handschriften) und einen botan. Garten. Die berühmte, 1220-38 von den Baumeistern Robert de Luzarches, Thomas de Cormont und dessen Sohn Renaud erbaute got. Kathedrale (s. Tafel: Französische Kunst 1, Fig. 1 und 3), 143 m lang, im Kreuzschiff 65 m breit, mit 110 m hohem Hauptturm und zwei 55 und 64 m hohen unvollendeten Nebentürmen, hat eine reich mit Skulpturen und Statuen geschmückte Vorderseite, prächtige Seitenportale, Gewölbe von 43 m Höhe, die durch 126 Pfeiler getragen werden, und vor allem 110 höchst wertvolle, prachtvoll geschnitzte, 1508-22 durch verschiedene Künstler des Landes ausgeführte Chorstühle mit 3650 Figuren. Vor der Kathedrale steht das Bronzestandbild Peters von A. Außerdem sind bemerkenswert das Rathaus, das sog. Wasserschloß (zur Wasserversorgung der Stadt), das 1864 beendete Museum, eins der größten in Frankreich, mit etwa 200 Gemälden franz. Meister der neuern Zeit und Altertümern der Picardie. A. ist eine der bedeutendsten Fabrik- und Handelsstädte Frankreichs. Schon im Mittelalter hatte sie als solche einen Ruf. 1492 führten Arbeiter aus Tournai die Tuchfabrikation daselbst ein, und Colbert brachte die Textilindustrie zu großer Berühmtheit, indem er 1666 holländ. Fabrikanten dahin kommen ließ. Im 15. Jahrh. fertigte man daselbst auch Waffen und Kanonen. Jetzt ist sie besonders wichtig durch Wollspinnereien und Färbereien, Fabriken für Baumwollstoffe, Sammet, Piques.

Unter dem Namen Samarobriva war A. als die Hauptstadt der Ambiani (daher der Name A.) in Gallia belgica schon zu Cäsars Zeiten wichtig. Sie erlangte infolge ihrer Lage am Vereinigungspunkte mehrerer Straßen bald große Bedeutung, wurde besonders durch Marc Aurel verschönert und fiel im 5. Jahrh. in die Gewalt der Franken. Nach mehrmaliger Verwüstung durch die Normannen wurde sie abwechselnd von Grafen und Bischöfen regiert, kam dann mit der Grafschaft (Amienois) an den Grafen Philipp von Flandern, der sie 1185 an den König Philipp August von Frankreich abtrat. Die Grafschaft wurde 1435 von König Karl VII. an den Herzog Philipp den Guten von Burgund abgegeben, 1477 aber von König Ludwig XI. wieder mit der Krone Frankreich vereinigt. Am 11. März 1597 ward die Stadt von den Spaniern überrumpelt, aber 26. Sept. von Heinrich IV. nach viermonatiger Belagerung zurückerobert. Am 27. März 1802 unterzeichneten auf dem Stadthause von A. Joseph Bonaparte, der Marquis von Cornwallis, Azara und Schimmelpenninck den Frieden von A. Demzufolge behielt England die Inseln Ceylon und Trinidad; auch blieben ihm die Häfen des Vorgebirges der Guten Hoffnung geöffnet. Frankreich erhielt seine Kolonien zurück und in Guayana den Araowari zur Grenze gegen Brasilien. Malta sollte wieder an den Johanniterorden fallen, Spanien und die Batavische Republik erhielten, bis auf Ceylon und Trinidad, ihre Kolonien zurück. Die Franzosen sollten Rom, Neapel und Elba räumen, das Haus Oranien entschädigt werden. Der Besitzstand der Pforte ward in dem Zustande vor dem Kriege anerkannt, ebenso ihre Oberhoheit über die Ionischen Inseln und Ägypten. Sultan Selim trat 13. Mai 1802 dem Frieden von A. förmlich bei.

In neuester Zeit wurde die Stadt denkwürdig durch den entscheidenden Sieg, den hier 27. Nov. l870 ein Teil der deutschen Ersten Armee unter Manteuffel über die etwa 30 000 Mann starke franz. Nordarmee erfocht. Letztere hatte die Aufgabe, sich unter dem Oberbefehle des Generals Farre gegen Paris zu wenden, um dort im Verein mit der franz. Loire-Armee die Aufhebung der Belagerung herbeizuführen. Bereits 23. Nov. war die Avantgarde der 3. preuß. Kavalleriedivision bei Le Quesnel auf die Vortruppen der Nordarmee gestoßen und hatte diese gegen A. zurückgeworfen. Dasselbe geschah 24. Nov. bei Mézières mit 6 franz. Bataillonen, die mit Artillerie von A. aus vorgegangen waren. Endlich stellte sich 27. Nov. den Preußen im Südosten der Stadt die Nordarmee entgegen. Die preuß. Macht bestand aus dem 8. preuß. Armeekorps und Teilen des 1. preuß. Armeekorps, ersteres den linken, letztere den rechten Flügel bildend. Das Centrum der preuß. Stellung war zu Moreuil, einer kleinen Stadt an der Straße von A. nach Compiègne, 15 Km südlich von der Somme. Im Centrum der Franzosen befand sich deren stark befestigtes Lager. Ihr linker Flügel lehnte sich an die Eisenbahn in der Richtung nach Villers-Bretonneux, ihr