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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Amtsgerichtspräsident; Amtsgerichtsrat; Amtsgewalt; Amtshauptmannschaft; Amtshierarchie; Amtskaution; Amtspflicht

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Amtsgerichtspräsident - Amtspflicht

ordn. §§. 197, 200, 463, 494, 501); er kann in gewissen einfachen Fällen (wegen Übertretungen, wenn der vorgeführte Beschuldigte die That eingesteht, ferner in Forst- und Feldrügesachen) auch ohne Zuziehung von Schöffen verhandeln und erkennen (Strafprozeßordn. §. 211; Einführungsgesetz §. 3). Die A. sind ferner zuständig für den Erlaß von Strafbefehlen (s. d.) und in schöffengerichtlichen Sachen für die Strafvollstreckung, sofern ihnen dieselbe durch Anordnung der Landesjustizverwaltung übertragen ist (Strafprozeßordn. §§. 447, 483).

Neben dieser durch die Reichsgesetze begründeten Zuständigkeit für die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit kann den A. durch die Landesgesetzgebung jede andere Art der Gerichtsbarkeit übertragen werden. So sind in Preußen durch das Ausführungsgesetz vom 24. April 1878 den A. überwiesen die Führung der Handelsregister, der Genossenschaftsregister, der Musterregister, der Schiffsregister, ferner alle Angelegenheiten, welche nach der frühern Gesetzgebung durch Einzelrichter zu erledigen waren, insbesondere aber das Verlassenschaftswesen, die Vollziehung, Beurkundung und Bestätigung von Handlungen der nicht streitigen Gerichtsbarkeit, die Verwaltung und Beaufsichtigung von Stiftungen, die Geschäfte des Grundbuchrichters und des Vormundschaftsrichters. Endlich sind die A. verpflichtet, dem Ersuchen anderer Gerichte in Sachen der streitigen Gerichtsbarkeit um Rechtshilfe (s. d.) zu entsprechen (Gerichtsverfassungsgesetz §. 158), in Preußen auch in Angelegenheiten, welche zu der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehören (§. 87 des Preuß. Ausführungsgesetzes). Im Deutschen Reiche bestanden 1890 bei einer Zahl von 49 421 259 Gerichtseingesessenen 1915 A., so daß durchschnittlich auf 25 808 E. ein Amtsgericht kommt. Von diesen sind 817 mit nur einem, 216 mit mehr als drei Richtern besetzt. Die Zahl der Amtsrichter beträgt 4329, so daß auf einen Amtsrichter durchschnittlich 11 417 E. kommen. - Vgl. Pfafferoth, Jahrbuch der deutschen Gerichtsverfassung (Berl. 1880-86).

Amtsgerichtspräsident, s. Amtsgerichte.

Amtsgerichtsrat, s. Amtsrichter.

Amtsgewalt, s. Amt.

Amtshauptmannschaft, im Königreich Sachsen ein Verwaltungsbezirk, Unterabteilung der Kreishauptmannschaft (Regierungsbezirk), ziemlich entsprechend dem preuß. Kreis (s. d.). An der Spitze der Verwaltung steht der Amtshauptmann. Die A. ist Gemeindeaufsichtsbehörde für Landgemeinden sowie für kleine und mittlere Städte und überwacht die örtliche Polizeiverwaltung des Bezirks, soweit dieselbe den Gemeinden überlassen ist. Sie ist ferner Beschwerde- und Rekursinstanz in allen Angelegenheiten, in welchen die Gemeindeorgane der mittlern und kleinen Städte sowie des platten Landes in erster Instanz entscheiden. Es bestehen im ganzen 27 A.; über deren Sitze und Verteilung unter die Kreishauptmannschaften s. Bautzen, Dresden, Leipzig, Zwickau. Die Gehalte der Amtshauptleute betragen 4800-7800 M.

Amtshierarchie, s. Staatsdienst.

Amtskaution, s. Kaution.

Amtspflicht. Es ist eine Forderung der Gerechtigkeit, daß der Beamte, welcher die ihm gegenüber Dritten gesetzlich obliegende A. vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, dem Dritten auf Ersatz des ihm dadurch erwachsenen Schadens hafte. Den Machtmitteln des Amtes muß die volle Verantwortlichkeit zur Seite stehen. So vor allem das Preuß. Allg. Landr. II, 10, §.89, nur giebt es den Schadenersatzanspruch erst, wenn kein anderes gesetzliches Mittel, durch welches den nachteiligen Folgen abgeholfen werden kann, mehr übrig ist; richtiger nimmt das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 1506, 1507 die Haftung für den Fall aus, daß der Beschädigte unterlassen hat, die gesetzlichen Mittel zu gebrauchen, durch welche er die Schadenzufügung hätte abwenden können. Andere Gesetzgebungen nehmen, wie das Franz. und das Österr. Gesetzbuch, den Beamten von der allgemeinen Anordnung, daß jeder für den einem andern durch unrechte That vorsätzlich oder fahrlässig zugefügten Schaden hafte, nicht aus, und machen damit den Beamten und zwar, wie das Preuß. Allg. Landrecht bei Fahrlässigkeit, für jedes Versehen haftbar; während er nach sächs. Gesetz nur für grobe Fahrlässigkeit haften soll. Nach dem Deutschen Entwurf (§. 762) ist der Beamte bei Fahrlässigkeit erst haftbar, wenn der Beschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Nur werden diejenigen reichs- und landesgesetzlichen Bestimmungen nicht berührt, nach welchen erst die Vorentscheidung einer besondern Behörde erforderlich ist, ob der Beamte sich einer Überschreitung seiner Amtsbefugnisse oder der Unterlassung einer Amtshandlung schuldig gemacht hat. Eine Ausnahmestellung nehmen die Richter ein, soweit sie Recht sprechen. Da für die beschwerte Partei Rechtsmittel bestehen, auch dem Richter die volle Unabhängigkeit zu gewähren ist, hat man es schon im ältern röm. Recht und in den ältern deutschen Reichsgesetzen für angemessen erachtet, die Haftung des Richters auf den Fall vorsätzlicher Rechtsbeugung einzuschränken; sehr zweckmäßig hat deshalb auch der Deutsche Entwurf §. 762 den Beamten, welcher bei Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache seine A. verletzt, für den Schaden (pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amtes ausgenommen) nur dann verantwortlich erklärt, wenn die Pflichtverletzung mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist. Auch der franz. Richter haftet, abgesehen von den Fällen, in welchen das Gesetz die Regreßklage ausdrücklich zugelassen oder die Richter für Schadenersatz verantwortlich erklärt hat, nur, wenn er sich im gerichtlichen Verfahren oder bei einer Entscheidung einer Arglist, eines Betrugs oder einer Erpressung schuldig gemacht hat, oder wenn eine Verweigerung der Rechtsprechung vorliegt (Code de procédure Art. 505 fg.). Dagegen hat das Österr. Gesetz vom 22. Juli 1872 ohne eine derartige Einschränkung den Grundsatz ausgesprochen: Wenn ein richterlicher Beamter in der Ausübung seiner amtlichen Wirksamkeit durch Übergehung seiner A. einer Partei eine Rechtsverletzung und dadurch einen Schaden zugefügt hat, gegen welchen die in dem gerichtlichen Verfahren vorgezeichneten Rechtsmittel eine Abhilfe nicht gewähren, so ist die beschädigte Partei nach Maßgabe dieses Gesetzes berechtigt, den Ersatz des Schadens mittels Klage gegen den schuldtragenden richterlichen Beamten allein, oder gegen den Staat allein oder gegen beide anzusprechen. Diese Haftung des Reichs und des Staaten, in deren Namen und mit deren Machtmitteln der Beamte die Amtsgewalt handhabt, für den durch Verletzung einer A. erwachsenen Schaden ist leider noch nicht allgemein anerkannt; auch der Deutsche Entwurf ist dieser Regelung aus dem Wege gegangen.