Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Amtsrichter; Amtstitel; Amtstracht; Amtsüberschreitung; Amtsvergehen

561

Amtsrichter - Amtsvergehen und Amtsverbrechen

Daß der Staat da, wo die Beamten in seinem Namen kontrahieren, wie bei Hinterlegungen, oder bei in allgemeinem Interesse getroffenen Einrichtungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie Führung der Grund- und Hypothekenbücher, für den durch Versehen entstandenen Schaden wenigstens subsidiär hafte, sollte nirgends mehr bestritten werden.

Amtsrichter. Der Wirkungskreis der A., wie er unter Amtsgericht (s. d.) geschildert ist, ist ein sehr einflußreicher. Bei gleicher Vorbildung wie die Mitglieder der Landgerichte, sollen sie in dieser einflußreichen Stellung einen Ausgleich dafür finden, daß sie zum weitaus größten Teil in kleinen Orten leben, der geistigen Anreguug kollegialen Zusammenwirkens entbehren müssen. Die meisten deutschen Staaten, insbesondere Preußen, Sachsen, Hessen, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Schaumburg-Lippe, die drei Freien Städte und Elsaß-Lothringen geben den A. die gleiche Besoldung wie den Mitgliedern der Landgerichte, um auch dadurch den häufigen Wechsel in den Amtsrichterstellen zu vermeiden. Das niedrigste Anfangsgehalt haben die A. in Baden mit 1800 M.; das höchste Gehalt erreichen sie in Hamburg mit 10000 M. In Preußen erhalten sie wie die Mitglieder der Landgerichte 2400-6000 M. und Wohnungsgeldzuschuß. Ältern A. wird in Preußen und andern Staaten, seit 1890 auch in Sachsen, der Charakter als Amtsgerichtsrat, in den meisten süddeutschen Staaten (in Sachsen meist an den Vorstand des Amtsgerichts) der Charakter als Oberamtsrichter verlieben. - Vgl. Pfafferoth, Jahrbuch der deutschen Gerichtsverfassung (1. bis 3. Jahrg., Berl. 1880-86).

Amtstitel, die vom Amt hergenommene Bezeichnung des Beamten, mit welcher derselbe auch außerhalb des Amtes und nach der Pensionierung, in einzelnen Staaten auch nach freiwilligem Ausscheiden aus dem Amt genannt wird: Oberst, Pastor, Landgerichtsrat, Bürgermeister u. s. w. In Deutschland hat man sich mit dieser einfachen Charakterisierung nicht begnügt, der vortragende Rat kann, ohne ein anderes oder höheres Amt zu erlangen, bis zum Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat, der Richter zum Geheimen Oberjustizrat, der Rechtsanwalt zum Geheimen Justizrat, der Bürgermeister zum Oberbürgermeister, der Bureaubeamte zum Geheimen Kanzleirat, der Kreisphysikus zum Medizinalrat emporsteigen. Bei Amtsentsetzung hört das Recht auf den A. auf. (S. Anmaßung.)

Amtstracht, die bei Ausübung des Amtes, beim Militär auch außerhalb des Dienstes zu tragende, besondere Kleidung; sie dient zur äußern Kennzeichnung der Amtswürde und ist bei kirchlichen wie bei weltlichen Ämtern üblich. Seit der Justizreorganisation (1. Okt. 1879) ist auch in Deutschland bei der Justiz die A. vorgeschrieben wie seit lange in England, Amerika und Frankreich. Über den strafrechtlichen Schutz der A. s. Anmaßung.

Amtsüberschreitung. Der Ausübung der Amtsgewalt sind örtliche und sachliche Grenzen gezogen. Wenn ein Richter oder ein Verwaltungsbeamter außerhalb des Bezirks, für welchen er angestellt ist, oder wenn ein Verwaltungsbeamter in einem der Zuständigkeit der Gerichte vorbehaltenen Falle einschreitet oder umgekehrt, oder wenn eingeschritten wird, ohne daß die Bedingungen für eine Amtsausübung überhaupt oder für diese Amtsausübung vorliegen, so macht sich der Beamte einer A. schuldig. Die Mittel der Abhilfe für den dadurch

^[Spaltenwechsel]

Verletzten sind Vorstellung an den betreffenden Beamten, Gebrauch der gesetzlichen Rechtsmittel in den durch die Gesetze vorgeschriebenen Formen, namentlich Beschwerde an die vorgesetzte Behörde, Klage auf Schadenersatz und passiver Widerstand, selbst aktiver Widerstand ist unter Umständen erlaubt. Nach §. 113 des Deutschen Strafgesetzbuchs wird nur der bestraft, welcher einem Beamten, der zur Vollstreckung von Gesetzen, von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder von Urteilen und Verfügungen der Gerichte berufen ist, in der rechtmäßigen Ausübuug seines Amtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet oder wer einen solchen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes thätlich angreift. Doch handelt der den Widerstand Ausübende auf seine Gefahr. Wenn er irrtümlich eine A. angenommen hat, bleibt sein gewaltsamer Widerstand strafbar. Wissentliche Nötigung, Verhaftung u. s. w. durch Amtsmißbrauch wird strafrechtlich verfolgt (§§. 339 fg. des Strafgesetzbuchs).

Amtsvergehen und Amtsverbrechen, zusammengefaßt unter der Bezeichnung Amtsdelikte, sind die mit öffentlicher Strafe belegten, nicht bloß disciplinär zu ahndenden Verletzungen der durch den amtlichen Beruf gebotenen Pflichten. Man teilt die Amtsdelikte ein in eigentliche und uneigentliche und versteht unter jenen die, welche nur von Beamten begangen, unter diesen die, welche zwar von jedermann begangen werden können, welche aber, wenn ein Beamter der Thäter ist, einer härtern Ahndung unterliegen. Zu den eigentlichen Amtsdelikten geboren: Bestechung (s. d.), Rechtsbeugung zu Gunsten oder zum Nachteil einer Partei bei Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache (Deutsches Strafgesetzb. §. 336), Schließung der Ehe einer Person, von welcher der Religionsdiener oder der Standesbeamte weist, daß sie verheiratet ist (§. 338), und Trauung ohne die vorgeschriebenen Nachweise (Personenstandesgesetz vom 6. Febr. 1875, §. 67), Mißbrauch der Amtsgewalt, insbesondere im Strafverfahren (§§. 339 fg.), falsche Beurkundung (§ 348 fg.), falsche Register- und Kassenführung (§§. 350 fg.), betrügerisches Sportulieren (§. 353), Verletzung des Brief- (§. 354) und Depeschengeheimnisses (§. 355) seitens der Post- und Telegraphenbeamten und Fälschung von Depeschen, Prävarikation (s. d.; §. 356), Konnivenzen der Amtsvorgesetzten, d. i. Verleitung der Untergebenen zu strafbaren Handlungen im Amte oder wissentliches Geschehenlassen solcher Handlungen (§. 357), endlich nach deutschem Strafrecht auch die Verletzung der Amtsverschwiegenheit seitens eines Beamten im Dienste des Auswärtigen Amtes, zufolge einer gesetzlichen Bestimmung, welche in Veranlassung des Strafverfahrens gegen den Grafen Harry von Arnim (s. d.) in das Strafgesetzbuch (§. 353a) aufgenommen wurde. - Unter den uneigentlichen Amtsdelikten verdienen hervorgehoben zu werden: Teilnahme an geheimen Verbindungen, Unzucht mit Zöglingen, Gefährdung der Eisenbahntransporte, Telegraphenanstalten und der Schiffahrt und unbefugte Offenbarung von Privatgeheimnissen seitens der Rechtsanwälte, Ärzte, Hebammen und Apotheker. Die Strafen für Amtsdelikte sind, soweit es sich nicht um leichtere, mit Gefängnis zu ahndende Fälle handelt, regelmäßig Zuchthaus bis zu 5 Jahren, nach österr. Strafrecht schwerer Kerker bis zu gleicher Dauer. In schwerern Fällen (Bestechlichkeit