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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Artois; Artolatrie; Artophorion; Artôt; Artus

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Artois - Artus

Für die Südseeinsulaner bildet der Baum die vorzüglichste Nahrungspflanze und ist den Kartoffeln oder dem Getreide unserer Länder vergleichbar. Die vor der Reife abgenommene, ein weißes, mehliges Mark enthaltende Frucht wird, geschält und in Blätter eingewickelt, zwischen heißen Steinen gebacken und liefert eine angenehme, hinsichtlich des Geschmacks den Bananen (Pisang) sich nähernde Speise. Die reife Frucht schmeckt faulig. Die öligen Kerne sind eßbar; der Bast liefert Zeuge wie der Papiermaulbeerbaum; das weiche, leichte Holz dient zu Hausgeräten und der Milchsaft der Rinde zu Vogelleim, auch Kautschuk. A. incisa L. (s. Tafel: Urticinen I, Fig. 1) und A. integrifolia L. werden schon seit langer Zeit auf den Südseeinseln und jetzt fast überall in den Tropen kultiviert. A. incisa hat eingeschnittene Blätter, einen etwa 12-16 m hohen Stamm und Früchte etwa von der Größe einer Melone, die 3-4 Pfd. schwer werden. A. integrifolia hat Früchte von 25 bis 30 Pfd. Bei dem reichlichen Ertrag der Bäume ist es daher erklärlich, daß der Besitz von 8 oder 10 Brotfruchtbäumen einer ganzen Familie den nötigen Lebensunterhalt gewährt.

Artois (spr. artŏá), ehedem unter dem Titel einer Grafschaft eine der nördlichsten Provinzen Frankreichs, von Flandern und der Picardie begrenzt, zum größten Teile dem jetzigen Depart. Pas-de-Calais entsprechend. Die nur von niedern Hügeln unterbrochene Ebene ist eine der wasserreichsten Gegenden Frankreichs, von denen die Authie und Canche der Westabdachung, Aa, Lys, Scarpe und viele kleinere Flüsse der Nord- und Nordostrichtung folgen. Der südl. Teil liegt höher und hat nur in den Ebenen und Thälern ergiebigen Boden, der Norden gehört zu einer der fettesten Marschgegenden. Das Bedürfnis der Schiffahrt wie das der Entwässerung hat besonders im Nordwesten die Anlage vieler Kanäle herbeigeführt. A. gehört zu den Kornkammern Frankreichs. Es wird Hopfen, Rübsamen, auch Flachs und Hanf gebaut. Schöne Wiesen und reiche Hutungen begünstigen die Rindvieh- und Schafzucht, der Waldbestand ist gering; doch besitzt A. ausgedehnte Torf- und im Osten von den Ardennen ausgehende Steinkohlenlager. Die Hauptstadt des Landes ist Arras. Ludwig IX. erhob A. 1239 zur Grafschaft. Später kam A. an Flandern und Burgund, durch den Pyrenäischen und Nimwegener Frieden (1659 und 1678) wieder an Frankreich. Karl X. führte als Prinz den Titel eines Grafen von A.

Artolatrie (grch.), Anbetung des Brotes (d. h. der Hostie).

Artophorion (grch. Artophorĭum), s. Altar.

Artôt (spr. artóh), Marguerite Josephine Desirée Montagney genannt, ausgezeichnete Sängerin, geb. 21. Juli 1835 zu Paris als Tochter eines Professors am Brüsseler Konservatorium und Nichte des berühmten belg. Violinisten Joseph A. (geb. 25. Jan. 1815, gest. 20. Juli 1845), erhielt ihre gesangliche Ausbildung auf den Konservatorien von Brüssel und Paris und dann durch Pauline Viardot-Garcia. In die Öffentlichkeit trat sie zuerst 1857 zu London und Paris; ihr Ruf datiert aus dem J. 1859, wo sie in Berlin als Mitglied der Lorinischen Operngesellschaft sang. Später kehrte sie noch oft nach Berlin Zu Gastspielen an der königl. Oper zurück. Auch auf andern Bühnen Deutschlands, Belgiens, Hollands, Englands und Rußlands, in ital. Opern erntete sie reichen Beifall. 1869 vermählte sie sich mit dem Baritonisten Padilla, nahm l884 ihren Wohnsitz in Berlin und siedelte 1889 nach Paris über, wo sie als Gesanglehrerin wirkt. Die Stimme der A. (Mezzosopran) war nie von besonderer Schönheit; aber ihre Gesangstechnik ist nach allen Seiten hin eine hochentwickelte, und mit der anmutigsten Vortragsmanier verbindet sich bei ihr ein großes theatralisches Talent. Vorzügliches leistet sie in Koloraturpartien in den höhern Soubrettenrollen der ital. und franz. komischen Opern.

Artus (älter Arthur), lat. Arthurus, nach späterer Etymologie Art-ur (kymr. gwr) = großer Bär, sagenhafter Beherrscher der brit. Kelten, ist der Mittelpunkt von Überlieferungen und Erdichtungen, die, aus Wales und Westengland stammend, sich seit Mitte des 12. Jahrh. in Nordfrankreich litterarisch ausgestalteten. Die Anfänge sind dunkel, da die litterar. Denkmäler von Wales nicht über das 13. Jahrh. zurückreichen und die franz. Überlieferungen, selbst die ältesten, den bei der Verpflanzung auf fremden Boden des ursprünglichen Charakters beraubten Stoff umgebildet und erweitert haben. A. wird zuerst genannt in der im 9. Jahrh. verfaßten Geschichte der Briten von Nennius als hervorragender Anführer gegen die Sachsen und als Kämpfer in der Schlacht bei Bath oder Bado (von den kambrischen Annalen [des 10. Jahrh.] 516 angesetzt). Als Todesjahr wird 537 angegeben. Ein späteres "Leben von St. Gildas" nennt A. im 6. Jahrh. König von ganz Britannien. Wahrscheinlich herrschte A. in dieser Zeit in Südwales, und seine Thaten in den Sachsenkriegen und sein Ende mögen seinem Volke besonders ruhmvoll erschienen sein, so daß seine Persönlichkeit bald durch Sage und Dichtung mit mythischen Eigenschaften ausgestattet wurde. Andere Überlieferungen und deren Träger wurden zu A. in Beziehung gebracht und ihm untergeordnet. Die Sage, die aus einem Stammeshaupt den mächtigen Beherrscher Britanniens machte, ließ in A. die Verheißung einer glänzenden Zukunft der kelt. Nation erscheinen. Er sollte wiederkommen, die Briten befreien und ein neues, gewaltiges Reich aufrichten. Diese Hoffnung ward im 12. Jahrh. sprichwörtlich. Während A. in der Volkssage vom 6. bis zum 11. Jahrh. Nationalheld der unterdrückten Briten wurde, hatten Tausende von brit. Auswanderern in der Bretagne bei Stammesgenossen Aufnahme gefunden. Als die Normannen auf dem Festlande diese bedrängten, fanden Rückwanderungen nach England statt; Stammverwandtschaft, gleiche Schicksale und lebhafter Verkehr verursachten, daß die Kelten Englands und Frankreichs bald in denselben Liedern A. feierten. In ihren Lais (s. d.) trugen brit. und breton. Spielleute bei Saitenspiel Thaten und Abenteuer A.' und seiner Helden, auch an normann. Fürstenhöfen und Herrensitzen und in Südfrankreich vor. Die Folge war die Übertragung der beliebten "Lais bretons" ans kelt. Mundart ins Normanno-Französische. Nun eigneten sich normann. Spielleute den Inhalt an und sorgten für Ausschmückung und Verbreitung. Der abenteuerliche Charakter der kelt. Sagenstoffe behagte der normann. Abenteuerlust; sie streifen die volkstümliche Eigenart ab, und der kelt. Nationalheld A. wird ritterliches Fürstenideal, seine Helden, die ihn bald in den Schatten stellen, werden zu Verkörperungen ritterlicher Vollkommenheit. Die Artussage wird hier Rittersage, wie das Rittertum international, und der ritterlichen Lyrik der Provençalen stellen die Normannen ihre ritterliche Heldendichtung von A. gegenüber und weisen in der