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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Athen

schen Zeus, das Olympieion, bis 129 oder 130 n. Chr. Die sehr umfangreiche Cella, in der eine Kolossalstatue des Gottes aus Gold und Elfenbein aufgestellt wurde, war an den Langseiten von zwei, an den Schmalseiten von drei Reihen mächtiger, 17,25 m hoher, korinth. Säulen umgürtet. Das Tempelhaus selbst umgab ein ausgedehnter mit einer Mauer umschlossener heiliger Bezirk (Periholos) von 668 m Umfang, in dem zahlreiche Weihgeschenke, namentlich auch Statuen des Kaisers standen, die von A. und vielen andern griech. Städten gestiftet waren. In der Umgebung des Tempels entstand ein neues Stadtviertel, dem Kaiser zu Ehren Hadrianupolis genannt. Mit der Altstadt verband diesen Stadtteil ein noch jetzt stehender Thorbogen, der auf der einen Fronte die Inschrift trägt: «Das ist Athen, die ehemalige Stadt des Theseus», auf der andern: «Das ist des Hadrian und nicht des Theseus Stadt». Ferner baute Hadrian einen Tempel des panhellen. Zeus und der Hera, ein Pantheon und ein umfangreiches Gymnasium, mit dem wahrscheinlich ein Bibliothekgebäude verbunden war. Die Ruinen dieses gewaltigen Baues sind nördlich vom Turm der Winde zum Teil freigelegt. Unter Antoninus Pius entstand (140 n. Chr.) eine Wasserleitung, die der Stadt mehrere Meilen weit von Norden her Wasser zuführte. Außerdem aber hatte die Stadt der Freigebigkeit eines reichen Privatmanns, des Rhetorikers Herodes Atticus (s. d.), neue Verschönerungen zu danken. Dieser erbaute zum Andenken an seine Verstorbene Gattin Regilla am südwestl. Fuße der Akropolis seit 161 n. Chr. ein für etwa 6000 Zuschauer berechnetes Odeion, das 33 Reihen marmorner Sitzstufen enthielt. Mit Ausnahme des Dachs ist das Bauwerk, obwohl im Altertum von einem furchtbaren Brande verheert, noch in seinen wesentlichen Teilen erhalten. In dieser Zeit seiner Nachblüte unter den Antoninen wurde A. von dem Reisenden Pausanias (s. d.) besucht, der eine genaue Beschreibung der Stadt und ihrer Bau- und Kunstdenkmäler gab. Die Geschichte des alten athen. Staatswesens s. Griechenland.

Athen im Mittelalter und unter türkischer Herrschaft. Noch geraume Zeit nach dem Besuche des Pausanias, bis in die byzantinische Zeit, erfreute sich A. eines immerhin noch blühenden Zustandes. Es blieb, trotz der von Theodosius I. und dessen Nachfolgern erlassenen Edikte gegen das Heidentum, der Mittelpunkt der antiken Bildung, wurde von den Kaisern mit Milde behandelt und kam auch bei den Einfällen barbarischer Völker, wie der Heruler (267 n. Chr.) und der Goten unter Alarich (395 n. Chr.), ziemlich glimpflich weg. Erst im 6. Jahrh. n. Chr., als Kaiser Justinian I. (529) die heidn. Rhetoren- und Philosophenschulen endgültig schloß, sank A. zu einer byzantinischen, dem Thema Hellas gehörigen Provinzialstadt herab. Seine Tempel wurden entweder zerstört oder in christl. Kirchen umgewandelt; doch gab es unter den dortigen Bischöfen, Erzbischöfen (seit 857) und Metropoliten (schon vor 669) mehrere gelehrte und hochangesehene Männer. Unter der Herrschaft der Franken in Griechenland (seit 1205) wurde A. die Hauptstadt eines gleichnamigen Herzogtums, welches, außer den Landschaften Attika und Böotien, einige Striche von Phokis und des südl. Thessalien umfaßte und zunächst im Besitze der burgund. Familie de la Roche war, von der es durch Erbschaft 1308 an den Stiefbruder des letzten Herzogs, an Walther von Brienne überging. Der Umfang A.s war damals beträchtlich vermindert und im wesentlichen auf den nördl. und östl. Abhang des Burghügels beschränkt. Nachdem catalon. Söldner Walther in der Schlacht am Kephisos 1311 erschlagen hatten, wurde das Herzogtum von diesen später unter die Oberherrlichkeit der aragon. Könige von Sicilien gestellt, die es durch in A. residierende Statthalter regierten. Der Florentiner Nerio Acciajuoli (Rainerio I.) eroberte dann 1385 von Korinth aus das Herzogtum; seine Familie behauptete sich im Besitz desselben bis 1458, wo Mohammed II. A. für die Türkei annektierte. Der Parthenon, der seit der Zeit Justinians I. als prachtvoller Mariendom das christliche A. geschmückt hatte, wurde 1460 in eine Moschee verwandelt; das in der fränk. Zeit an die Propyläen gebaute Ritterschloß wurde türk. Kaserne. Der letzte Rest desselben, ein kolossaler, wahrscheinlich im 17. Jahrh, von den Türken gebauter Turm auf dem südl. Flügel, wurde erst in neuester Zeit abgebrochen.

Die Zeit der türkischen Herrschaft, während welcher A. zu dem Paschalik von Negroponte (Euböa) gehörte, aber als Lehn des Kislaraga (des Obersten der schwarzen Eunuchen) bis 1769 manche Vorteile genoß, war eine Zeit tiefen Verfalls für die Stadt. A. bildete jetzt eine kleine Landstadt von 8-9000 E., zuzeiten noch weniger, die, abgesehen von den Türken, in deren Händen fast alles Grundeigentum lag, teils griechischer, teils albanes. Herkunft waren. Weitläufig, mit engen und krummen Gassen, ohne Mauern (erst 1777 wurde eine, 1835 wieder abgebrochene Ringmauer, hauptsächlich aus Materialien antiker Bauwerke, um die Stadt aufgeführt), bot es ein Bild der Verkommenheit der ganzen griech. Nation dar. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Altertums gerieten mehr und mehr in Verfall, ja wurden zum Teil gewaltsam zerstört. (S. Parthenon und Elgia Marbles.) Glücklicherweise aber war bereits vor Beginn dieser Zerstörungen im westl. Europa wieder ein regeres Interesse für die Altertümer A.s erwacht; mehrere Gelehrte und Künstler suchten die noch erhaltenen Reste jener Denkmäler auf und machten sie durch Beschreibungen und Zeichnungen weitern Kreisen zugänglich. So hatte schon der Marquis de Nointel, franz. Gesandter bei der Hohen Pforte, 1674 eine Anzahl der interessantesten Denkmäler A.s, namentlich die Skulpturwerke des Parthenon, zeichnen lassen. 1675 kamen die Reisenden Jacques Spon und George Wheler nach A., die später Berichte über die dortigen Denkmäler des Altertums veröffentlichten. Namentlich aber erwarben sich die engl. Architekten Stuart und Revett ein großes Verdienst, indem sie 1751-54 Messungen und Zeichnungen aller damals noch in A. vorhandenen antiken Monumente ausführten und in ihrem Werke «Antiquities of Athens» veröffentlichten.

Der griech. Freiheitskampf war zunächst eine Periode der Zerstörung und Verwüstung für die Stadt A. Nachdem die Burg nach längerer Belagerung 21. Juni 1822 in die Hände der Griechen gefallen, wurde 15. Aug. 1826 die Stadt und 5. Juni 1827 die Akropolis von den Türken wiedererobert. Ein großer Teil der griech. Bevölkerung hatte damals die fast ganz in einen Schutthaufen verwandelte Stadt verlassen, und erst nach der Einstellung der Feindseligkeiten (1829), besonders aber nachdem durch die Londoner Konferenz (3. Febr. 1830) Attika dem neugeschaffenen griech. Staate einverleibt worden war, kehrten die meisten der Ausgewanderten