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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Baumwollsamenkuchen

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Baumwollsamenkuchen

Eingangszöllen gewaltig. Die Spinnereien stammen aus den vierziger, die Webereien aus den fünfziger Jahren. Ihren Sitz hat die Industrie namentlich in den Gouvernements Petersburg, Moskau, Wladimir, Twer sowie in den balt. und poln. Gouvernements (Lodz). Man zählte 1877 schon 67 Spinnereien mit 2 796 283 Spindeln und 48 672 Arbeitern und 106 Webereien mit 54 566 Webstühlen und 62 567 Arbeitern, 1890 bereits über 4 200 000 Spindeln. 1889 bestanden in Rußland für die gesamte Textilindustrie 2979 Fabriken mit einer Erzeugung von 522 Mill. Rubel Wert. Etwa zwei Drittel dürften davon auf die B. entfallen. Die Erzeugnisse der russ. Industrie sind zwar ebenso wie die der spanischen, italienischen und holländischen meist nur für den heimischen Bedarf berechnete Waren, und diese Länder sind keineswegs reif zur Konkurrenz auf dem Weltmarkt; es läßt sich indes ein wesentlicher Aufschwung seit 10 Jahren nicht verkennen. Nur die skandinavischen Länder haben noch eine sehr geringfügige B., obschon dort die Regierung ernstlich bemüht ist, eine solche durch Schutzzölle ins Leben zu rufen. Mehemed Alis Versuche, etwas Ähnliches für Ägypten zu thun, sind infolge grober Mißwirtschaft fehlgeschlagen. Dagegen hat sich die B. Britisch-Indiens in der neuesten Zeit in außerordentlicher Weise gehoben. Dieselbe beschäftigte 1869 erst 390 000 Spindeln, 1875-76 in 47 Etablissements schon 1 100 112 Spindeln und 9139 Webstühle, aber 1885 in 81 Etablissements bereits 2 047 000 Spindeln und 16 443 Webstühle, an denen 66 163 Personen Beschäftigung fanden. Der Hauptsitz der ostindischen B. ist Bombay. 1892 war die Zahl der Spindeln wiederum, und zwar auf 3,4 Mill., der Webstühle (einschließlich der für fremde Rechnung beschäftigten Handstühle) auf 47 300 gestiegen. Ein weiterer Aufschwung ist von der 1895 geplanten Erhöhung des Zollschutzes auf Baumwollwaren zu erwarten.

Die Baumwollmanufaktur der wichtigsten Produktionsländer hat zwar in der neuesten Zeit unter dem Rückgang der Preise gelitten, eine quantitative Einschränkung hat sie aber dennoch nicht erfahren.

Ein übersichtliches Bild über die Rolle, welche die B. im Export spielt, zugleich über ihre Bedeutung in den betreffenden Ländern, giebt die folgende Tabelle (Ausfuhr in Millionen Mark):

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Länder Baumwollgarne Baumwollwaren

1886 1888 1890 1892 1886 1888 1890 1892

Großbritannien 281,5 296,7 306,6 251,2 1095,5 1142,9 1181,8 1067,9

Deutschland 18,3 17,5 19,9 20,9 183,5 186,1 167,9 156,2

Frankreich 2,2 2,5 2,8 2,5 85,5 81,8 87,9 76,4

Vereinigte Staaten von Amerika 1,6 1,9 1,9 2,9 56,3 37,7 51,3 42,4

Österreich-Ungarn 2,0 2,1 2,6 2,7 13,2 11,5 10,7 12,1

Schweiz 16,5 18,6 17,9 14,4 110,4 108,1 108,6 88,1

Belgien 3,4 3,4 6,2 3,1 13,5 16,4 18,7 19,5

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Über Technisches s. die Artikel Baumwollspinnerei, Spinnerei und Weberei; über specielle Beschaffenheit der Baumwollfaser s. Gespinstfasern; über Anbau und Ernte der Baumwolle sowie über die Handelssorten, die Produktion, Aus- und Einfuhr der Rohbaumwolle s. Baumwolle.

Aus der sehr umfangreichen Litteratur über die B. sind hervorzuheben: Baines, History of cotton manufacture in Great Britain (Lond. 1835; deutsch von Bernoulli, Stuttg. 1836); Royle, The fibrous plants of India (Lond. 1855); Engel, Die B. im Königreich Sachsen (Dresd. 1856); Ellison, Handbook of the cotton-trade (Lond. 1858; deutsch von Noest als Handbuch der Baumwollkultur und -Industrie, 2. Ausg., Brem. 1869); MacHenry, The cotton-trade (Lond. 1863); Reybaud, Le coton, son régime, ses problèmes, son influence en Europe (Par. 1863); Alian, Fabrication des étoffes (ebd. 1864); Ries, Die Baumwollspinnerei in allen ihren Teilen (Wenn. 1868; 2. Aufl. 1885); Leigh, Science of modern cotton spinning (2. Aufl., 2 Bde., Lond. 1873); Ries, Der Führer des Baumwollspinners (2. Aufl., Weim. 1874); Podaro, Relazione sulla coltura dei cotoni in Italia (mit Atlas, Neapel 1878); Richard, Die Gewinnung der Gespinstfasern (Braunschw. 1880); Dana, Cotton from seed to loom (Neuyork 1878); Jannasch, Die europ. Baumwollen-Industrie (Berl. 1882); Amtlicher (deutscher) Bericht über die Wiener Weltausstellung im J. 1873 (Heft 5: Weigert, Textil- und Bekleidungsindustrie, Braunschw. 1874); Offizieller (österreichischer) Ausstellungsbericht (Heft 13: Peez, Baumwolle und Baumwollwaren, Wien 1874); Schulze-Gävernitz, Der Großbetrieb ein wirtschaftlicher und socialer Fortschritt. Eine Studie auf dem Gebiete der B. (Lpz. 1892).

Baumwollsamenkuchen, die bei der Gewinnung des Baumwollsamenöls (s. d.) verbleibenden Rückstände. Letztere wurden in früherer Zeit noch als wertloser Abfall weggeworfen, dann fing man an, sie als Dünger zu benutzen, und seit etwa 1860 bilden das aus dem Samen gewonnene Öl und die B. Handelsartikel. Die B. sind ein sehr gutes Viehfutter, das reich an Eiweiß und Phosphaten ist. Man unterscheidet B. von ungeschälten und von geschälten Samen; erstere sind ärmer an Nährstoffen und eignen sich auch weniger zur Verfütterung wegen der ihnen noch anhaftenden kleinen Haare, die zu starken Reizungen der Schleimhäute der Tiere Veranlassung geben; man verwendet diese Sorte daher häufig nur als Düngemittel. Diese ungeschälten B., auch wollige B. genannt, kommen meist aus Ägypten, Sicilien und Syrien, die aus letzterm Lande sind die schlechtesten, von dunkelbrauner Farbe. Die geschälten B. werden namentlich von den Vereinigten Staaten und England versendet, sie besitzen eine gelbe Farbe; in England sowie auch in Deutschland wird viel Baumwollsamenöl aus importiertem Samen und zumeist durch das Preßverfahren gewonnen. Da wo das Baumwollsamenöl durch Extraktion gewonnen wird, wie z. B. in Frankreich, versendet man den Rückstand in Mehlform (Baumwollsamenmehl, Extraktionsmehl). Diese Sorte ist ärmer an fettem Öl, als die durch Pressen gewonnenen Sorten, die oft noch 13 Proz. davon enthalten. Der Gehalt der aus geschälten Samen durch Pressen gewonnenen B. an Eiweißsubstanzen schwankt zwischen 38 und