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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bayern (neuere Geschichte 1864-71)

Oberbefehl des Prinzen Karl von B. eine selbständige Stellung einnehmen, von Österreich aber ihre Weisungen empfangen sollte.

Der Landtag wurde auf den 23. Mai einberufen. Ein außerordentlicher Militärkredit von 31512000 Fl. wurde am 18. Juni bewilligt. Trotz des Oberbefehls des Prinzen Karl handelte das 8. Korps unter dem Prinzen von Hessen meist nach dessen Absichten und erleichterte so den Preußen ihre Aufgabe. Am 3. Juli fiel bei Königgrätz die Entscheidung. (S. Deutscher Krieg von 1866.) Ende Juli lag B. ungeschützt einer preuß. Invasion offen.

Nach der Schlacht von Königgrätz bot Bismarck den süddeutschen Staaten Frieden und Bündnis an. Am 21. Juli berieten die süddeutschen Minister über den Gesamtrücktritt von dem Bündnis mit Österreich. Die Stimmung im Lande war in vollster Verwirrung. Da kam die Kunde, daß Verhandlungen in Nikolsburg begonnen seien. Von der Pfordten eilte sogleich nach Nikolsburg. Die Dinge lagen sehr ungünstig für B., doch erlangte es am 28. Juli den Eintritt in den Waffenstillstand. Derselbe trat am 2. Aug. in Wirksamkeit und führte am 22. Aug. zum Frieden. Die Bedingungen Preußens hatten sich geändert in dem Augenblick, da Bismarck die Bereitwilligkeit B.s zu einem Schutz- und Trutzbündnis erkannte. Von der Pfordten versprach als Deutscher Waffenhilfe gegen die auswärtigen Feinde (Frankreich). Der Abschluß dieses Bündnisses kam erst im März 1867 zur Kenntnis des Landes.

In dem Frieden trat B. an Preußen 10 Quadratmeilen seines Gebietes, die im Spessart und Rhöngebirge gelegenen Bezirke Orb und Gersfeld, mit 32976 E. ab und versprach die Zahlung von 30 Mill. Fl. Kriegsentschädigung. Im Kriegsfalle sollten die bayr. Truppen unter preuß. Oberbefehl stehen. Am 27. Aug. trat der Landtag wieder zusammen und genehmigte den Friedensvertrag und die Kreditforderung von 30 Mill. Die Zweite Kammer setzte hinzu, die Regierung möge «die Einigung Deutschlands unter Mitwirkung eines freigewählten und mit den erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Parlaments» erstreben. Die mobile Armee wurde am 2. Sept. aufgelöst, von der Pfordten reichte am 10. Dez. seine Entlassung ein, die er am 29. erhielt. An die Stelle Pfistermeisters trat der frühere Kabinettssekretär und Appellationsgerichtsrat Lutz als Chef in das königl. Kabinett. Freiherr von Pechmann übernahm das Ministerium des Innern, Franz von Gresser das des Kultus und Gustav Schlör das des Handels. Als Minister des Auswärtigen und des königl. Hauses trat am 31. Dez. Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst ein. Schon in der Ersten Kammer hatte sich Hohenlohe für den Anschluß B.s an Preußen entschieden ausgesprochen, doch sah auch er sich als Minister gezwungen, der Gegenströmung nachzugeben.

Am 18. Jan. 1867 trat der Landtag wieder zusammen. Die bayr. Fortschrittspartei brachte sofort einen Antrag auf Anschluß B.s an den Norddeutschen Bund ein. Hohenlohe gab dagegen am 19. und 23. Jan. eine Erklärung ab des Inhalts, daß B. keinem staatlichen Bunde unter dem Protektorate einer fremden Macht (Frankreichs oder Österreichs) beitreten werde, die Regierung erstrebe aber ein Bündnis mit Preußen, welches B. gegen bestimmte Garantie der Souveränität des Königs für den Fall eines Krieges gegen das Ausland der Führung Preußens unterstelle. Natürlich bedürfe es dazu der Erhöhung und Organisation der Wehrkraft. Am 12. Febr. wurde ein hierauf bezüglicher Entwurf vorgelegt, und am 13. stellte die Zweite Kammer den Antrag auf Vorlage eines freisinnigen Schulgesetzes. Am 23. März wurde der Landtag vertagt. Anfang Februar fanden in Stuttgart auf Anregung Hohenlohes Konferenzen der süddeutschen Regierungen statt, welche die Erhöhung der Wehrkräfte unter einer den Principien der preuß. nachgebildeten Wehrverfassung beschlossen. Allgemeine Wehrpflicht, Aufhebung der Stellvertretung, Einteilung in aktives Heer, Reserve und Landwehr war das Programm. Am 27. April trat Lutz als Justizminister an von Bomhards Stelle. Die Ministerkonferenzen, die 3. Juni 1867 in Berlin eröffnet wurden, sollten der Wiederherstellung des Zollvereins ihre Arbeit widmen. Bismarck schlug vor, ein gemeinschaftliches Organ der beteiligten Regierungen für die Zollgesetzgebung zu bilden und demgemäß süddeutsche Vertreter zum Zollbundesrat und Norddeutschen Parlament zu senden. Hohenlohe behielt sich seine Entschließung vor. Graf Taufkirchen ging am 14. Juni nach Berlin, um für B. bessere Bedingungen zu erlangen. Das liberum Veto, d. h. das Recht der Verwerfung unangenehmer Beschlüsse, wurde ihm nicht zugestanden, wohl aber sechs Stimmen statt der anfänglichen vier im Zollbundesrat und zur Vertretung des deutschen Volks ein selbständiges Zollparlament. Am 8. Juli wurden die neuen Zollvereinsverträge unterzeichnet. Am 28. Sept. 1867 versammelte sich der Landtag wieder, und am 8. Okt. legte Hohenlohe den neuen Zollvertrag vor. Die Zweite Kammer genehmigte die Zollvereinsverträge 22.Okt. 1867, in der Reichsratskammer aber beschloß der Ausschuß erst am 31. Okt. die bedingungslose Genehmigung der Verträge. Der Wehrgesetzentwurf und ein Teil der Socialgesetze (Gewerbegesetz) gingen durch, bei dem vorgelegten Schulgesetze aber kam es von ultramontaner Seite zu heftiger Bewegung. Die 1867 von Frankreich angeregte luxemb. Frage erregte die Gemüter in Süddeutschland. Hohenlohe schickte den Grafen Taufkirchen nach Wien, um zu sondieren, wie sich die österr. Regierung zu einem preuß.-franz. Kriege stellen würde. Auch Bismarck gab seine Geneigtheit zu erkennen, mit Österreich in Allianz zu treten. Das aber ward von Beust abgelehnt, und so blieb die bayr. Vermittelung resultatlos.

Bei den erstenZollparlamentswahlen1868 gelang es den Ultramontanen in 26 Wahlkreisen von 48 durchzudringen. Die neue Heeresformation wurde in diesem Jahre durchgeführt: zwei Armeekorps von je zwei Divisionen mit dem Kommando in München und Würzburg. Das Schulgesetz wurde in der Zweiten Kammer angenommen, fiel aber in der Ersten, da die in klerikalem Sinne vorgeschlagenen 63 «Verbesserungen» von der Zweiten Kammer größtenteils abgelehnt wurden. Die freisinnige Gemeindegesetzgebung wurde vollendet, eine neue Civilprozeßordnung mit Öffentlichkeit und Mündlichkeit und eine neue Ordnung des Militärstrafrechts und des Strafverfahrens eingeführt. Am 28. April wurde der Landtag geschlossen und zum Mai Neuwahlen angeordnet.

In Rom rüstete man zum Konzil. Fürst Hohenlohe, der B. nicht zum «deutschen Kirchenstaat» gemacht sehen wollte, fragte in einer Cirkulardepesche vom 9. April 1869 bei den verschiedenen europ. Mächten an, ob man nicht gemeinschaftlich zu einer