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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Beichtgeheimnis - Beiderwand

kanten freie Wahl zwischen der Privatbeichte und der allgemeinen B. In Kurbrandenburg geschah ähnliches infolge des Auftretens des Berliner Predigers Schade, eines Anhängers von Spener (1696). Seit Mitte des 18. Jahrh. trat in der luth. Kirche allmählich die allgemeine B. an die Stelle der Privatbeichte. Auf eine Vorbereitungsandacht folgt das vom Geistlichen im Namen der Gemeinde gesprochene Sündenbekenntnis und die von allen Anwesenden mit «Ja» beantwortete Beichtfrage, an die sich sofort die Absolution (s. d.) schließt. Die vorhergehende persönliche Anmeldung beim Pfarrer ist als Sitte festgehalten worden. Die reformierte Kirche war von jeher der allgemeinen B. geneigt. Die englische Episkopalkirche hat auch diese nicht, sondern verbindet die allgemeine B. und Absolution in ihrem «Book of common prayer» mit jedem Morgen- und Abendgottesdienste, während die Presbyterialkirche und die Quäker sie völlig verwerfen. Die strengere Auffassung der B. hat die Brüdergemeine festgehalten, in dem sog. Sprechen zwischen den Chorhelfern und dem Kommunikanten über des letztern Seelenzustand acht Tage vor der Kommunion, ebenso die Unitarier, die am Tage vor der Kommunion bei verschlossenen Thüren den Sündenzustand der zur Feier sich Vorbereitenden prüfen. Neuerdings ist in der luth. Kirche die Frage nach der Privatbeichte wieder lebhaft verhandelt worden. Das Neuluthertum, das dem Geistlichen die Macht zuschreibt, an Gottesstatt Sünden zu vergeben und zu behalten, fordert auch Beichtverhör und Privatabsolution als ein Recht des geistlichen Amtes, was auf eine Wiederherstellung der röm. Ohrenbeichte hinausliefe. – Vgl. Ackermann, Die B., besonders die Privatbeichte (Gotha 1852); Kliefoth, Die B. und Absolution, Bd. 2 der «Liturg. Abhandlungen» (Schwer. 1856); Steitz, Das röm. Bußsakrament (Frankf. 1854). Über den Unterschied des kath. und evang. Begriffs der B. vgl. Klee (kath.), Die B., eine histor.-kritische Untersuchung (Frankf. 1828); Stäudlin (prot.), Beleuchtung des Buches: Die B., von H. Klee (Lpz. 1830).

Beichtgeheimnis (Beichtsiegel, lat. Sigillum confessionis), die strenge Verbindlichkeit des Beichtvaters, über das Gebeichtete Verschwiegenheit gegen jedermann, selbst gegen die Obrigkeit, zu beobachten. Es kam im 4. und 5. Jahrh. auf und wurde von Innocenz Ⅲ. im 12. Jahrh. sanktioniert. Die frühere Gesetzgebung suchte das B. durch strenge Strafen zu sichern; das kanonische Recht bedroht seine Verletzung mit Amtsentsetzung und erstreckt die Verbindlichkeit des B. selbst auf das Geständnis noch zu begehender Verbrechen. Nach dem geltenden deutschen Recht sind Geistliche der mit Korporationsrechten ausgestatteten Religionsgesellschaften frei von der Zeugnispflicht bezüglich aller bei Ausübung ihres Amtes ihnen zur Kenntnis gelangter Thatsachen und zwar sowohl im Civil- wie im Strafprozeß (Strafprozeßordn. §. 52<sup>1</sup>; Civilprozeßordn. §§. 348<sup>4</sup>, 350). Dagegen besteht die im Strafgesetzb. § 139 aufgestellte Anzeigepflicht bezüglich der Verbrechen des Hoch- und Landesverrats, der Münzfälschung, des Mords, Raubs, Menschenraubs und gemeingefährlicher Verbrechen auch für Geistliche.

Beichtgeld, Beichtpfennig, Opferpfennig, Beichtgroschen oder Ostergroschen, das Geschenk, das der Beichtende dem Beichtvater bei der Beichte spendet, jetzt in der kath. Kirche bis auf geringe Reste (Gebühr für Ausfertigung des Beichtzettels) verschwunden. In der luth. Kirche bürgerte es sich wieder ein; in der reform. Kirche schaffte es schon Calvin ab; in der preuß. Landeskirche ward es bei Einführung der Union (1817) abgeschafft, ebenso in der bad. und in einigen kleinern Landeskirchen, welche die Union eingeführt haben, in den meisten luth. Landeskirchen Deutschlands besteht es noch. In der griech. Kirche kommt es nicht vor. ^[Spaltenwechsel]

Beichtiger, soviel wie Beichtvater; früher Übersetzung für das lat. Confessor (s. d.).

Beichtkind, s. Beichtvater.

Beichtpfennig, s. Beichtgeld.

Beichtregister, s. Beichtzettel.

Beichtsiegel, s. Beichtgeheimnis.

Beichtspiegel, ein meist in Fragform abgefaßtes Verzeichnis häufig vorkommender Sünden zum Gebrauch für die sich zur Beichte Vorbereitenden. Solche Register waren unter verschiedenen Titeln («Spiegel des Sünders», «Himmelsstraße», «Laienspiegel», «Spiegel des Christenmenschen» u. a.) schon im Mittelalter verbreitet. Davon zu unterscheiden sind ähnliche Verzeichnisse für Beichtväter, wie die «Praxis confessarii ad bene excipiendas confessiones» (von Alfons Liguori; deutsch Regensb. 1844).

Beichtstuhl, in der kath. Kirche der meist dreiteilige, auf der einen oder auf beiden Seiten mit einem vergitterten Fensterchen (Sprechgitter) versehene Stuhl, der für die Abhaltung der Ohrenbeichte durch den Geistlichen bestimmt ist. Die B. scheinen erst seit dem Tridentiner Konzil in Gebrauch gekommen zu sein, während früher der Geistliche hinter dem Altar saß und der Beichtende vor ihm kniete. Am Ende des 16. Jahrh. findet man den B. in Italien, wo 1579 das Konzil zu Cosenza und 1591 das zu Amalfi Bestimmungen darüber erließ. Anfang des 17. Jahrh. fand er bei den Katholiken in Deutschland Eingang.

Beichtvater (lat. Confessarius), der beichtehörende und absolvierende Geistliche, dessen Verhältnis zum Beichtenden als das eines geistlichen Vaters zum Kinde (Beichtkind) aufgefaßt ist. In der kath. Kirche ist nicht jeder Priester berechtigt, Beichte zu hören. Es gehört dazu eine besondere Approbation durch den Bischof der Diöcese. Diese wird den in der Seelsorge beschäftigten Priestern bis auf Widerruf oder jedesmal für eine bestimmte Zeit erteilt. In den meisten Diöcesen wird dabei die Lossprechung von einigen schweren Sünden dem Bischof vorbehalten (Reservatfälle); von diesen kann nur der Poenitentiarius (s. d.) an der Kathedralkirche lossprechen, ein gewöhnlicher B. dagegen nur auf Grund einer speciellen Ermächtigung durch den Bischof absolvieren. Die Mitglieder einiger Mönchsorden haben oder hatten wenigstens früher das Privilegium, überall und auch von den Reservatfällen zu absolvieren. Seinen B. nennt ein Katholik in der Regel nicht jeden Priester, bei dem er einmal oder gelegentlich, sondern denjenigen, bei dem er regelmäßig beichtet und der infolge davon sein Gewissensrat oder Seelenführer ist.

Beichtzettel, in der kath. Kirche vom Beichtvater ausgestellte Bescheinigung, daß jemand zur Beichte gegangen ist. Hierüber führen die Geistlichen eigene Beichtregister. In der Gegenreformation, vielfach auch später, wurde die Ausübung polit. und bürgerlicher Rechte an die B. geknüpft.

Beiderwand, Beederwand, Beedermann, nach Beeder (Bidar), Distriktshauptstadt in Dekan, eigentlich ein grobes, geringwertiges, aus zweierlei