Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

803

Berlin (Verwaltung)

Verwaltung der Erziehungsanstalten in B. und Rummelsburg. 65 Armenärzte sind im Dienste der Armenpflege thätig gegen eine geringe Entschädigung, und 30 Specialärzte für Augen-, Ohren-, Nasen- und Halsleiden leisten unentgeltliche Hilfe. Die Kosten der öffentlichen Armenpflege betrugen (1891-92) durchschnittlich 7,64 M. auf den Kopf der Civilbevölkerung oder monatlich 13,3 M. für einen der 28145 Almosen- resp. Pflegegeldempfänger. Beruht schon diese Organisation auf dem Gemeinsinne der Bürger, so besteht daneben noch eine durchaus private Armenpflege, die teils vorbeugend wirkt und in dieser Richtung namentlich von dem Verein gegen Verarmung und Bettelei (der [1891] 4900 Personen mit Darlehen, Geschenken und Nähmaschinen unterstützte) repräsentiert wird, teils in zahlreichen Vereinen für besondere Zwecke (z. B. dem Asylverein, der durchschnittlich 348 Personen Unterkunft für die Nacht verschafft) Bedeutendes leistet. Die 1. April 1892 vorhandenen Stiftungen und Legate für Wohlthätigkeitszwecke, welche direkt den städtischen Behörden unterstehen, verfügten über ein Vermögen von 14831665,68 M.

Von den 1. April 1892 in Pflege befindlichen 4963 Waisenkindern (2634 Knaben und 2329 Mädchen) waren 645 im Waisendepot B. und der Waisenerziehungsanstalt Rummelsburg untergebracht; 1672 befanden sich in B. und 2458 in auswärtiger Kostpflege bei Privaten und 188 in sonstigen Anstalten; 334 Knaben und 64 Mädchen waren zur Zwangserziehung der Waisenverwaltung übergeben. Die auswärtigen Pflegestellen verteilten sich auf 139 Städte und 372 Dörfer.

223 Gemeindewaisenräte mit 1180 männlichen Mitgliedern und 357 Aufsichtsdamen beaufsichtigten die Privatpflegestätten. Die Kosten der Waisenpflege betrugen nach Abzug von 160615,71 M. Einnahme 753715,32 M., durchschnittlich 150 M. jährlich für jedes Kind.

Gesundheitswesen. Außer den zahlreichen Professoren und Docenten sorgen 1615 praktische Ärzte, 611 Hebammen, 132 in Deutschland geprüfte Zahnärzte, 195 Heilgehilfen, 128 Apotheken und 430 Droguengeschäfte für die Pflege der Gesundheit, unterstützt durch zahlreiche Heilanstalten. Mit der königl. Charité stehen in Verbindung die mediz., propädeutische, chirurg., augenärztliche, gynäkokolog., geburtshilfliche Klinik, die Kliniken für syphilitische und Haut-, für Kinder- und Geisteskrankheiten; mit der Universität die Institute für Chirurgie, Augenheilkunde und Geburtshilfe, die Poliklinik. Ferner bestehen das Hygieinische Institut, das Institut für Infektionskrankheiten, das Frauensiechenhaus Bethesda am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, die Krankenhäuser im Friedrichhain (1870-73 von Gropius und Schmieden für 600 Kranke in 14 Pavillons erbaut), Moabit, am Urban (600 Betten, 1890 eröffnet), Elisabeth- (für Frauen), Lazarus- (für Unheilbare), das Friedrich-Wilhelms-, das Augustahospital, das Centraldiakonissenhaus Bethanien, das kath. Krankenhaus, das Elisabethkinderhospital und das Kaiser- und Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhaus für 300 Kinder unter 14 Jahren.

In der seitens der Stadt nach dem Pavillonsystem erbauten Irren- und Idiotenanstalt in Dalldorf wurden (Ende März 1890) 1327 Kranke in der Anstalt und 1283 Kranke unter Kontrolle der Anstalt in Privatanstalten auf Kosten der Stadt gepflegt. Eine zweite städtische Irrenanstalt bei Lichtenberg wurde im Juni, eine Anstalt zur Aufnahme Epileptischer bei Biesdorf Nov. 1893 eröffnet. ^[Spaltenwechsel]

Die Sanitätspolizei leiten 1 Stadtphysikus mit 3 gerichtlichen, 10 Bezirksphysicis, 1 gerichtlichen Wundarzt und 4 Kreistierärzten; außer diesen gehören zum Ressort des Polizeipräsidiums die Schutzblattern-Impfungsanstalt und die Sanitätskommission mit 50 Revierärzten; 16 Hospitäler (darunter 2 städtische mit 1140 Kranken und Siechen), 39 meist private Krankenanstalten, Kliniken und Siechenhäuser, die kath. Grauen Schwestern und die evang. Diakonissen, 144 Kranken- und Sterbekassen, 13 städtische Schwimm- und Badeanstalten, 18 private Badeanstalten, 7 Flußbäder und 12 meist aus Privatmitteln unterhaltene Sanitätswachen vervollständigen den hygieinischen Apparat.

In 30 Leichenhäusern der Begräbnisplätze wurden (1892) 10683 Leichen eingestellt.

Finanzen. Trotz der bedeutenden finanziellen Anforderungen ist die Schuldenlast nicht hoch und wird durch den Wert der städtischen Grundstücke und gewerblichen Unternehmungen übertroffen. Nach dem Voranschlage für die Einnahmen und Ausgaben 1892-93 schließen dieselben mit 80601146 M. ab. Das Vermögen (274568626 M.) setzt sich zusammen wie folgt: Grundstücke für Verwaltungszwecke 218652567 M., andere Häuser 10801574 M., städtischer Grund und Boden 25688750 M., Güter 15054476, anderes Eigentum 4371259 M.; die Schulden (225717300 M.) aus Obligationen 204354300 M., Darlehen 21063000 M., Kaufgeldreste 300000 M.

Die Finanzlage gestattet, daß durch Beschluß der städtischen Behörden vom 21. Juni 1890 die Mietsteuer (bisher von sämtlichen Wohnungen 6⅔ Proz.) vom 1. April 1891 ab für Wohnungen bis 200 M. Miete nicht mehr erhoben wird und für die Mieten von 1000 bis 201 M. abwärts eine Degression von 6⅔ bis 2 Proz. stattfindet. Auch wird die Gemeinde-Einkommensteuer für die erste Steuerstufe (mit einem Einkommen bis 660 M.) nicht mehr erhoben. Bei der 1895 vorgenommenen Steuerreform wurde die gänzliche Abschaffung der Mietsteuer beschlossen.

Die indirekten Staatsabgaben betrugen 1891/92:

Zölle für ausländische Gegenstände 31542374 M.

Branntweinsteuer 10217925 "

Tabaksteuer 40646 "

Abgaben für Tabakssurrogate 138 "

Salzsteuer 1182798 "

Spielkartenstempel 1554 "

Brausteuer 1994721 "

Stempelabgaben von Wertpapieren 10753081 "

Stempelsteuern 7080714 "

Erbschaftssteuern 1405747 "

Brücken-, Strom- u. Hafengelder 202834 "

Zusammen 64422532 M. d. i. 39,6 M. auf den Kopf der Bevölkerung.

Die direkten Staatsabgaben waren für das Rechnungsjahr 1892/93 veranschlagt:

Staats-Einkommensteuer 22758498 M.

Gebäudesteuer 8013502 "

Gewerbesteuer 3307092 "

Grundsteuer 8935 "

Zusammen 34088027 M d. i. 20,9 M. auf den Kopf der Bevölkerung.