Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Berufsvereine; Berufszweige

860

Berufsvereine - Berufszweige

Berufsgruppe der einzelne zuzurechnen ist, stößt auf Hindernisse. Falls jemand nur eine einzige Art von Beschäftigung ausübt, ist freilich die Unterbringung leicht zu bewirken, wenn erst die Schwierigkeiten einer angemessenen Klassifizierung der Berufsarten überwunden sind. In sehr vielen Fällen aber ist mit dem Hauptberuf noch ein Nebenberuf verbunden, und namentlich wird der Beruf der Landwirtschaft häufig mit einem andern Gewerbe vereinigt, wobei es dann fraglich erscheint, ob der Betreffende mit seinem Hauptberuf der einen oder der andern Gruppe zuzurechnen ist. Weitere Schwierigkeiten verursacht die Unterbringung der Angehörigen sowie der Dienstboten. Die beste Lösung dieser Fragen besteht in der Auseinanderhaltung einer möglichst großen Anzahl von Berufsgruppen, der jedesmaligen Unterscheidung des Haupt- und Nebenberufs und der Aufführung der Zahl der Angehörigen, der landwirtschaftlichen, gewerblichen und sonstigen Dienstboten innerhalb jeder Gruppe. Weitere Unterscheidungen betreffen das Arbeits- und Dienstverhältnis, das Alter, Geschlecht u. s. w. Entsprechend den Gesichtspunkten, von denen die B. auszugehen pflegt, wird die Berufszählung gewöhnlich mit der allgemeinen Volkszählung verbunden. Auch im Deutschen Reich geschah dies gelegentlich der Volkszählung vom 1. Dez. 1871, aber mit geringem Erfolge. Seitdem ist reichsseitig von einer solchen Verbindung abgesehen worden; mehrere Einzelstaaten haben aber bei den spätern Zählungen auch einige auf den Beruf bezügliche Thatsachen erhoben. Seit dem Jahre 1871 blieb die nächste und einzige allgemeine Berufszählung die selbständige Berufsaufnahme vom 5. Juni 1882, mit der eine gewerbestatist. Erhebung verbunden wurde. Sie hat die gesamte Bevölkerung in den Kreis ihrer Ermittelung gezogen, sei es, daß die Personen als Erwerber oder Versorger oder als Angehörige oder Versorgte erscheinen. Unter ausschließlicher Berücksichtigung der erstern Kategorie und im Anschluß an einen in der deutschen Reichsstatistik unternommenen Versuch sind im Folgenden die zu einem internationalen Vergleich der Berufsverhältnisse dienenden Thatsachen zusammengestellt. Danach betrug die Zahl der erwerbsthätigen Personen in:

^[img]

Zu beachten ist, daß die in der Gruppe «Lohnarbeit wechselnder Art» auftretenden Verschiedenheiten weniger den thatsächlichen Verhältnissen als vielmehr dem ungleichen Erhebungs- und Zusammenstellungsverfahren zuzuschreiben sind. - Vgl. H. von Scheel, Artikel Beruf und Berufsstatistik im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften", Bd. 2 Jena 1891).

Berufsvereine, eingetragene. 1891/92 wurde vom Reichstag ein Gesetzentwurf eingebracht, an eine Kommission verwiesen und von dieser angenommen, der bezweckt, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Gebrauch des ihnen nach der Gewerbeordnung zustehenden Koalitionsrechts dadurch zu erleichtern und zu regeln, daß den auf Grund desselben gebildeten Vereinigungen Rechtsfähigkeit verliehen werde. Demgemäß sollen solche Vereinigungen (V. genannt), «welche die Förderung der Berufsinteressen und die Unterstützung ihrer Mitglieder bezwecken», durch Eintragung in gerichtliche Vereinsregister Rechtsfähigkeit, jurist. Persönlichkeit, erlangen (§. 1). Solche B. müssen ein Statut, einen Vorstand und eine Mitgliederversammlung haben. Der Zweck der B. soll insbesondere durch folgende Unterstützungen und Einrichtungen für die Mitglieder und deren Familienangehörige erstrebt werden können ($. 1): unentgeltliche Rechtsberatung und Rechtsschutz; Arbeitsnachweisung und Unterstützung bei Reisen, bei Arbeitslosigkeit, bei Arbeitsausständen und Arbeitsausschüssen, sowie in außerordentlichen Notfällen; berufliche Bildung durch Vorträge, Diskussionen und Beschlußfassungen über alle das Interesse der Mitglieder berührenden Fragen, Unterrichtskurse, Bibliothek und Zeitschriften, insbesondere Förderung der körperlichen, technischen, geistigen und sittlichen Ausbildung der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter; Vertretung der Rechte und Interessen der Mitglieder, insbesondere durch Errichtung von Schieds- und Einigungsämtern. Außer freiwilliger Auflösung und der Aufhebung durch Eröffnung des Konkurses siebt der Entwurf eine Schließung durch gerichtliches Erkenntnis vor, die eintreten darf, wenn der Verein durch gesetzwidriges Verhalten das Gemeinwohl gefährdet und der Aufforderung der Behörde, die betreffenden Beschlüsse aufzuheben oder den Vorstand abzusetzen, nicht rechtzeitig nachkommt.

Bedenken sind gegen den Gesetzentwurf u. a. um deswillen erhoben worden, weil er auch die Vereinspolizei sowie die Versicherungspolizei und damit ein Gebiet des öffentlichen Rechts berühre, welches bisher der Landesgesetzgebung unterstanden habe. Auch ist geltend gemacht worden, daß durch eine solche Regelung die Socialdemokratie eine unerwünschte Förderung erhalten möchte.

Berufszweige. Die B. sind in der socialpolit. Gesetzgebung von Bedeutung insofern geworden, als nach B. grundsätzlich die Ortskrankenkassen errichtet werden sollen ($$. 16 fg. des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883) und die Durchführung der Unfallversicherung ausschließlich nach B. erfolgt ist. (Vgl. $. 9 des Unfallversicherungsgesetzes.) Auch für die Invaliditäts- und Altersversicherung haben die B. Bedeutung, weil die