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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bestattung (der Toten)

Plätzen und Märkten oder an Landstraßen beigesetzt. In Athen war der äußere Kerameikos eine Art Gräberstraße von stattlicher Anlage. Vornehme und Reiche ließen sich auch auf eigenen Grundstücken, jedoch ebenfalls gern an Landstraßen vor den Thoren der Städte bestatten. Wohlhabende und angesehene Geschlechter hatten ihre besondern Familiengrüfte. Die Etrusker legten bei ihren Städten auch Nekropolen an, deren monumentale Gräber jedoch nur den bemittelten Klassen der Bürger angehörten. Die Römer bestatteten die Toten mit ähnlichem Aufwande wie die Griechen und bekränzten sie ebenfalls mit Laubwerk und Blumen. Nur fügten sie (wie die ältern rohern Griechen mit den Helden Pferde, Sklaven, Gefangene, Waffen und Schätze verbrannten), doch erst später, grausame Fechterspiele und einen Archimimus (s. Mimen) hinzu, der den Verstorbenen nachzuahmen hatte. Die Grabstätten mit oft kostbaren Monumenten waren unverletzlich und daher, da man die Geister der Toten (s. Manen) in der Nähe glaubte, Zufluchtsstätten von Flüchtlingen, so später oft von verfolgten Christen. Der ursprünglich griech. Wunsch ihrer Inschriften: Si tibi terra levis (leicht sei dir die Erde) beruhte auf dem Glauben, daß die Seele mit dem Leibe in geheimnisvoller Verbindung bleibe und sich einst zur Auferstehung vereinigen würde. In der Stadt Rom selbst sollte schon von alters her, mit Ausnahme der Vestalinnen, kein Toter verbrannt oder begraben werden; doch wurde diese Bestimmung nicht streng eingehalten. Das Zwölftafelgesetz und später andere Verordnungen schärften das Verbot wiederum ein. In der Kaiserzeit galt es für eine hohe Ehre, die indes nur von dem Senat ausnahmsweise erteilt werden konnte, innerhalb der Mauern von Rom bestattet zu werden; dergleichen Ehrengräber befanden sich zumal auf dem Marsfelde. Die Römer hatten Gräber (sepulcra) für einzelne Personen, für einzelne Familien und ganze Geschlechter, für Korporationen u. s. w.; auch errichteten mehrere Familien zusammen eine gemeinschaftliche Grabstätte. Solche für eine oder mehrere Familien, für kaiserl. Freigelassene meist unter der Erde erbaute gemeinsame Grabkammern hießen monumenta, die darin zur Aufnahme der Aschenurnen angebrachten Nischen columbaria. (S. Kolumbarium.) Die Vornehmen und Wohlhabenden errichteten ihre Grabstätten oft auf ihren Grundstücken, vorzugsweise in der Nähe der Städte auf eigens dazu erworbenen Ackerstücken längs der großen Heerstraßen, wie z. B. bei Rom an der Via. Appia, der Via Latina, der Via Flaminia u. s. w. Nur für die ärmsten Volksklassen, für Sklaven, für Verbrecher gab es in Rom einen gemeinschaftlichen Begräbnisplatz am Esquilin, puticuli genannt, der indessen unter Augustus in anmutige Gartenanlagen umgewandelt wurde. In andern Städten Italiens, aber auch in Rom, dienten dann wohl auch Steinbrüche, Felsklüfte, Sand- und Thongruben zur Begräbnisstätte für den ärmern Teil des Volks, die mit der Zeit je nach Bedürfnis zu ausgedehnten Höhlungen oder stollenartigen Gängen unter der Bodenfläche erweitert wurden. In diesen Sandgruben (arenariae) wollte man früher die Anfänge der altchristl. Cömeterien (grch., d. h. Schlafplätze) und Katakomben (s. d.) erkennen; doch ist es nach neuern Untersuchungen zweifellos, daß die weitverzweigten unterirdischen Gräbergänge der ersten Christen eigens zur B. von diesen angelegt sind.

Gingen die Ansichten der genannten Völker von Hochachtung und Verpflichtung gegen die Toten aus, so ist das Grundgefühl der Inder, Perser und Hebräer Scheu vor diesen. Bestimmend wirkt hier der orient. Gedanke, daß der Leib eine nichtige, abzustreifende Fessel des Geisteslebens sei, daneben wohl auch das Klima, das den Leichnam bald in Gefahr drohende Verwesung übergehen läßt. Indessen bestatten die Hindostaner, namentlich die vornehmern Kasten, die Birmanen und andere Ostasiaten die Toten nicht ohne Feierlichkeit und Glanz, zum Teil mit großem Aufwande. Die übliche Eile der B. beruht auf der Meinung, daß der Leichnam das Haus verunreinige. Die Perser meinen geradezu, daß ein böser Geist (Dew) selbst im Sterbenden schon seinen Sitz aufgeschlagen habe und deshalb die Fäulnis eintrete. Bei den Israeliten galten nicht nur alle Leichname, sondern auch die sie Berührenden oder ihnen Nahenden, ferner die im Hause befindlichen nicht bedeckten Gefäße auf 7 Tage für levitisch unrein. Man eilte daher (wie bis vor kurzer Zeit noch bei den poln. und russ. Juden), trotz der Gefahr, Scheintote zu begraben, mit der B. und legte die Totenäcker möglichst entfernt an. Einbalsamieren wie Verbrennen kam nur ausnahmsweise vor. Man hatte für die Totenklage besondere Pfeifer und Klageweiber, wusch die (vom Tode bis zur B. von Männern bewachte) Leiche feierlich, umwickelte sie von Haupt bis Fuß mit schmalen Tüchern, verbarg das Gesicht, dessen Anblick verunreinigte, mit dem Schweißtuche und schüttete alles Wasser im Hause auf die Straße. Brennende Wachskerzen, zu Häupten oder zu den Füßen aufgestellt, weihten die letzten Stunden, und die nächsten männlichen Anverwandten trugen oder begleiteten wenigstens die Toten zum Begräbnis. Die neuern Juden weichen von diesen Bräuchen vielfach ab. - Vgl. Rabbinowicz, Totenkultus bei den Juden (Marb. 1889).

Die Christen aller Parteien ließen von jeher, wie die Juden, nur das Begraben zu. Der weit ausgebildete Glaube der Auferstehung der Leiber trat, außer der jüd. Tradition, der Verbrennung entschieden entgegen, weshalb die Heiden bei den Verfolgungen der Christen deren Leichname dem Auferstehungsglauben zum Hohn teils verbrannten, teils Raubtieren vorwarfen. Im allgemeinen hielt sich das aufkeimende Christentum an die geistigern Gebräuche der alten Juden. Aus seinem Zufluchtsorte, den Krypten und Katakomben, hervorgetreten, verlangte es mehr und mehr eine feierliche B., in Gegenwart des Priesters und unter dem Gesange erhebender Hymnen auf Tod und Auferstehung, als eine der wichtigsten Pflichten. Dennoch hielten sich hier und da bei der B. Volksgebräuche, die unstreitig der vorchristl. Zeit angehören, z. B. das sog. Leichenmahl und das dreimalige Streuen von Erde auf den Sarg, das noch jetzt in Deutschland und England Sitte ist. Etwa seit Mitte des 5. Jahrh. begann man Bischöfe und andere höhere geistliche Würdenträger in den Kirchen selbst zu bestatten. Bald gewährte man jedoch auch Fürsten und andern vornehmen Laien ein Grab in der Kirche, während die große Masse der Christen in den Umgebungen der Gotteshäuser begraben wurde. Zwar sprachen sich schon früh Kirchenversammlungen gegen die Unsitte des Begrabens innerhalb der Kirchen aus; doch wurden die Verbote umgangen. Die römisch-katholische Kirche hat die Liturgie der B. besonders reich ausgebildet: die brennenden Kerzen, Symbol