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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Birne (Frucht)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Birne (Frucht)'

denblätterige Birngehölz, Pirus salicifolia L., für eine der Grundarten der Kulturbirnen.

Die edle B. ist in der Kultur etwas empfindlicher als der Apfel; ihre Verbreitung findet sowohl gegen Süden wie gegen Norden eher eine Grenze als die des Apfels; sie erfordert zu ihrem Gedeihen eine freie, sonnige und warme Lage und einen mehr leichten als schweren, dabei aber einen nährstoffreichen und tiefgründigen Boden, da die Wurzeln des Birnbaums senkrecht nach unten gehen. Feinere Sorten eignen sich in Norddeutschland nur zur Anpflanzung in Gärten und zwar in der Form von Spalieren und Pyramiden. Zur Verpflanzung von Landstraßen und Äckern wählt man härtere Wirtschaftsbirnen lieber als Äpfel, da sie wegen ihres mehr pyramidalen Wuchses keinen so massigen Schatten werfen, mithin den Kulturen weniger nachteilig werden als diese. – Die Vermehrung der B. erfolgt ähnlich wie die des Apfels.

Für das hohe Alter der Kultur des Birnbaums zeugt u. a. das aus Birnholz geschnitzte Bild der Hera in Tiryns sowie die Homerische Schilderung (Odyssee, VII, 112–131) des Gartens des Antinous. Cato (gest. 149 v. Chr.) kannte bereits 5 Sorten, von denen er eine die tarentinische nennt. Schon ziemlich reich war die Auswahl der Kulturbirnen zu Virgils Zeiten; die beliebteste derselben war die crustumische. Nach Lindley (in «A guide to the orchard and kitchen garden») soll die Herbstbergamotte auf Veranlassung Julius Cäsars in Britannien angepflanzt worden sein. Valerius Cordus, der erste beschreibende Pomolog Deutschlands, lernte in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. in Thüringen, Meißen und Hessen mehr als 50 Birnsorten kennen, von denen sich einige Wirtschaftssorten noch bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Hervorragendes in der Zucht der B. leisteten belg. Obstzüchter, besonders der Geistliche Nikolaus Hardenpont, dem man u. a. Hardenponts Butterbirne verdankt, und der Apotheker Copiaumont, beide in Mons, von wo überhaupt viele sehr wertvolle Sorten ausgegangen sind, wie z. B. die Napoleons-Butterbirne. Auch in Brabant und Flandern entstanden viele wertgehaltene Früchte, wie die Winter-Dechantsbirne und Boschpeer oder Fondante de bois, welche später schlecht verdeutscht holzfarbige Butterbirne genannt worden ist. In Mecheln betrieb Major Esperen die Birnsaat mit Erfolg; nach ihm wurde die Esperens-Herrenbirne genannt; in neuester Zeit hat sich Gregoire in Jodoigne durch Erziehung neuer und vortrefflicher Sorten ein Verdienst erworben.

Die ungemein große Anzahl Birnsorten hat den Pomologen behufs Klassifizierung, Beschreibung und Sichtung große Arbeit gemacht und die pomolog. Litteratur über B. ist wohl ebenso umfangreich wie die über Äpfel; bei der Beschreibung verfährt man ähnlich wie beim Apfel. Die B. sind klassifiziert vom belg. Botaniker Du Mortier nach der äußern Fruchtgestalt (1809), von Jahn (1857) nach der Gestalt der Blätter und nach der Reifzeit der Früchte, von Diel (1801) nach der Beschaffenheit des Fleisches, nach dem Verhältnis des Breiten- zum Höhendurchmessers und nach der Reifzeit der Früchte. – Lucas hat versucht, ein möglichst natürliches System aufzustellen; die 15 Klassen dieses Systems sind folgende:

  • 1) Butterbirnen, von echter Birngestalt, gegen den Stiel verjüngt oder von abgestumpfter Kegelform, ohne Höcker und Erhabenheiten; Fleisch völlig ↔ schmelzend. Als empfehlenswerte Beispiele dienen: Gute Graue (s. Tafel: Kernobsty, Fig. 6, Sommer), Weiße Herbst-Butterbirne (Herbst), Esperens Herrenbirne (Herbst), Colomas Herbstbirne (Herbst), Holzfarbige Butterbirne (Herbst), Köstliche von Charneu (Herbst), Lenzener Butterbirne (Herbst), Clairgeaus Butterbirne (Herbst), Diels Butterbirne (Winter), Winter-Dechantsbirne (Winter), Liegels Winter-Butterbirne (Winter).
  • 2) Halbbutterbirnen von gleicher Gestalt, aber nur halbschmelzendem Fleisch: Grüne Magdalene (Sommer), Doppelte Philippsbirne (Herbst), Jaminette (Winter).
  • 3) Bergamotten, von platter oder rundlicher Gestalt; der Stiel liegt oft in einer Einsenkung; Fleisch vollkommen schmelzend: Rote Bergamotte (Herbst, Fig. 4), Rote Dechantsbirne (Herbst), Hellmanns Melonenbirne (Herbst).
  • 4) Halbbergamotten, von gleicher Bergamottengestalt, aber mit nur halbschmelzendem Fleisch: Große Sommerbergamotte (Sommer), Neue Crassanne (Herbst).
  • 5) Grüne Langbirnen, von langer Form, mindestens um ein Viertel länger als breit und mit grüner, auch in der Reife höchstens gelbgrüner, nicht oder wenig berosteter Schale. Fleisch ganz- oder halbschmelzend: Sparbirne (Sommer), Grüne Tafelbirne (Sommer), Schwesterbirne (Herbst), Pastorenbirne (Winter), Graf Canal (Winter).
  • 6) Flaschenbirnen (Calebasses), Früchte in der Gestalt der vorigen ähnlich, aber ganz oder zum größten Teil von einem zimmetfarbigen oder rotgrauen Rost überzogen; Fleisch ganz- oder halbschmelzend: Holländ. Feigenbirne (Sommer), Marie Louise (Herbst), Boscs Flaschenbirne (Herbst).
  • 7) Apothekerbirnen, von rundlicher oder länglicher und beuliger oder höckeriger Form; Fleisch ganz- oder halbschmelzend: Williams Christbirne (Sommer), Herzogin von Angoulême (Fig. 5), (Duchesse, Herbst), Napoleons-Butterbirne (Herbst), Grumkower Butterbirne (Herbst), Hardenponts Butterbirne (Winter), Six’ Butterbirne (Winter).
  • 8) Rousseletten (Rostbirnen), Frucht kürzer und kleiner als bei den Flaschenbirnen und ebenso oder braunrot berostet, besonders auf der Sonnenseite; das mehr oder weniger schmelzende Fleisch hat einen zimmetartig gewürzten Geschmack: Stuttgarter Gaishirtel (Sommer), Gute Louise von Avranches (Herbst), Forellenbirne (Herbst).
  • 9) Muskatellerbirnen, kleine und mittelgroße längliche Sommer- oder frühe Herbstbirnen mit meist glatter Schale und stark ausgesprochenem Muskatgeschmack, der an die Muskattraube erinnert: Kleine Muskateller (Sommer), Frühe braunrote und Kleine lange Sommermuskateller.
  • 10) Schmalzbirnen, von langer oder länglicher Form, noch zu den Tafelbirnen, aber nicht zu den 9 ersten Klassen gehörig: Römische Schmalzbirne (Sommer), Andenken an den Kongreß (Herbst).
  • 11) Gewürzbirnen, solche wie in der 10. Klasse, aber nur kleine und mehr rundliche Formen: Leipziger Rettigbirne (Sommer), Hannoversche Jakobsbirne (Sommer), Volkmarser (Herbst).
  • 12) Längliche Kochbirnen, alle B. mit brüchigem oder rübenartigem Fleische, die nicht herb, sondern fad oder süß sind und deren Längendurchmesser den der Breite übertrifft: Bunte B. (Sommer), Kampervenus (Herbst), Baronsbirne (Winter), Schöne Angewine (Winter); letztere ist

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 33.