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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Boli; Bolide; Bolin; Bolingbroke; Bolintineanu

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Boli - Bolintineanu

war früher Hauptverwaltungssitz der bulgar. Kolonien und gehörte 1857-79 zu Rumänien.

Boli (Boly), Hauptort des gleichnamigen Liwa des türk. Wilajets Kastamuni im nordwestl. Kleinasien, am Boli-su, in einer von Bergen eingeschlossenen fruchtbaren, durch zahlreiche Dörfer kultivierten Ebene, 615 m ü. d.M., hat viele Moscheen und Bäder, Woll- und Lederfabriken, bedeutenden Handel und etwa 5000 E., größtenteils Türken, in einer Vorstadt auch einige hundert Griechen und Armenier. - B., wahrscheinlich das uralte Bithynium, im Gebiete der Mariandyner (Bithynien), hieß seit dem 1. Jahrh. n. Chr. Claudiopolis, ist Geburtsort des Antinous und wurde von Theodosius d. Gr. zur Hauptstadt der neugebildeten Provinz Honorias erhoben. In der byzant. Zeit war es Sitz eines Metropoliten und wurde 1324 von den Osmanen erobert.

Bolide (grch.), s. Feuerkugel.

Bolin, Wilh., schwed. Gelehrter, geb. 2. Aug. 1835 zu Petersburg, wurde 1870 Professor der Philosophie in Helsingfors und 1873 Universitätsbibliothekar daselbst. Bei seinem Aufenthalt in Deutschland (1857) trat er mit Ludw. Feuerbach in nähere Beziehungen und wurde ein begeisterter Anhänger desselben. Seine in schwed. Sprache verfaßten Hauptwerke sind: "Die Familie" (Helsingfors 1864) und "Das Staatsleben Europas und die polit. Lehren der Philosophie seit dem 16. Jahrh." (2 Bde., ebd. 1868-71). Auch gab er einen schwed. "Bühnen- und Familien-Shakespeare"(Lund 1879 fg.) heraus und verfaßte ein Lustspiel "Das Patenkind des Königs" (1882). In deutscher Sprache verfaßte B.: "Über Ludwig Feuerbachs Briefwechsel und Nachlaß" (Helsingfors 1877) und eine Übersetzung von Theuriets "Verschollen" (Lpz. 1887).

Bolingbroke (spr. böllingbruck), Henry St. John, später Lord B., engl. Staatsmann und Schriftsteller, aus alter hoch angesehener Familie, geb. 1. Okt. 1678 zu Battersea in Surrey, studierte in Oxford und erweiterte seine Kenntnisse und seinen Gesichtskreis durch Reisen im Auslande. Glänzende Begabung, schnelle Auffassung und Reichtum an Kenntnissen verband sich bei ihm mit wüstester Sittenlosigkeit und grenzenlosem Ehrgeiz. Schon 1700 trat er ins Unterhaus, seine vollendete Rednergabe, seine Meisterschaft in der Debatte erhoben ihn bald zu einem Führer der gemäßigten Tories. Dennoch bekämpfte er die Kriegs- und Finanzpolitik des damals toryistischen Kabinetts Marlboroughs und Godolphins unter Königin Anna, bis ihn die Übertragung des Kriegssekretariats (1704) in dessen Dienste zog. Mit dem Anwachsen der Whigpartei im Parlament drangen deren Führer in die Staatsämter ein, B. und sein Amtsgenosse Harley mußten weichen. In ländlicher Zurückgezogenheit beobachtete er, wie die Whigs ihren Sieg mißbrauchten, wie zugleich die Intriguenarbeit Harleys und seiner Genossin, der Kammerfrau Masham, die Stellung der leitenden Minister bei der Königin untergrub, bis diese Harley 1710 an die Spitze eines von toryistischer Mehrheit gestützten Kabinetts berief, in dem St. John das Staatssekretariat des Auswärtigen übernahm. Sofort strebte er mit Energie und außerordentlicher Gewandtheit den Spanischen Erbfolgekrieg zu enden. Ohne Rücksicht auf die Bundesgenossen erzwang er den Abschluß des Friedens von Utrecht, 11. April 1713. Die Erhebung zum Lord B. war sein Lohn. Nun aber folgte ein Zerwürfnis mit seinem Nebenbuhler, Lord-Schatzmeister Harley, dessen Sturz B. 27. Juli 1714 gelang. Nur wenige Tage später, jedoch noch vor dem Tode Annas, rissen die Whigs die Gewalt an sich, B. selbst mußte Harley folgen. Seine Bemühungen, dem Prätendenten Jakob Stuart Anerkennung zu verschaffen, mißlangen; noch auf der Reise nach England erklärte Georg I. B. aller seiner Würden für verlustig. Er entwich nach Frankreich und wurde in der Abwesenheit von den siegreichen Gegnern wegen Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. B. ging an den Hof Jakobs III. in St. Germain, mit dem er schon zuvor Verbindungen unterhalten hatte. Aber mit dem von Pfaffen und Weibern beeinflußten Schwächling kam es bald zum Bruch; von beiden Seiten ausgestoßen, bat B. um die Gnade der Whigs, die ihm erst 1723 in der Erlaubnis zur Rückkehr zu teil wurde, der dann die Rückgabe seiner konfiscierten Güter, nicht aber seines Oberhaussitzes folgte. Er lebte zurückgezogen auf seinem Gut Dawnley im Kreise geistvoller Gäste. Von hier aus lenkte er die Parlamentsopposition und verfaßte wiederholt Flugschriften gegen Walpole. Zeitweilig lebte er in Frankreich; seit 1743 nahm er seinen Wohnsitz zu Battersea, wo er 12. Dez. 1751 starb. Seine polit. Tendenzschriften veröffentlichte er in der Zeitschrift "Craftsman", besonders erschienen die "Dissertation on Parties" und 1738 die "Idea of a patriotic king", worin er, der einstmalige Parteityrann, die Parteiherrschaft geißelt. Sonst schrieb er Bemerkungen zur "Chronologie der Bücher Moses", "Untersuchungen über die Entstehungszeit der neutestamentlichen Schriften". Skeptisch und polemisch, wie in seiner ganzen Philosophie, ist er besonders auch in den "Letters on the study of history", einer für den Geist der Aufklärung bahnbrechenden Schrift. Wegen seiner Angriffe auf das Christentum wurden seine Werke (hg. von Mallet, 5 Bde., Lond. 1753-54; neue Ausg., 8 Bde., 1808-9) von der großen Jury von Westminster verdammt. Interessant für die Zeitgeschichte sind seine "Letters and correspondence" (Lond. 1798). Zu bedauern ist, daß bei der frühern Geheimhaltung der Parlamentsdebatten von seinen als hinreißend geschilderten Reden nichts überliefert ist. B. ist der Held von Scribes Lustspiel "Das Glas Wasser". - Vgl. Cooke, Memoirs of Lord B. (2 Bde., 1835); M'Knight, Life of B. (Lond. 1863); Brosch, Lord B. und die Whigs und Tories seiner Zeit (Frankf. a. M. 1883); G. Koch, B.s polit. Ansichten und die Squirarchie (Berl. 1890). Vortreffliches Charakterbild von Noorden im "Histor. Taschenbuch", VI, 1 (Lpz. 1882) und in dessen "Histor. Vorträgen", hg. von Maurenbrecher (ebd. 1884).

Bolintineanu, Demeter, rumän. Dichter, geb. 1826 zu Bolintina in der Walachei, trat in den Staatsdienst, verlor aber infolge der Veröffentlichung mehrerer polit. Gedichte und Artikel sein Amt und ging 1847 nach Paris. Durch die Revolution von 1848 zurückgerufen, gab er das national-demokratische Blatt "Poporul suveran" heraus. Nach der Einsetzung des Fürsten Stirbei 1849 vogelfrei, flüchtete B. nach Paris, später nach der Türkei und bereiste Kleinasien u. s. w. Infolge der Thronbesteigung Cusas kehrte er 1859 nach Bukarest zurück und wurde Minister des Unterrichts, nach 3 Monaten Staatsrat auf Lebenszeit. Bald jedoch verfiel er in schwere Geisteskrankheit und starb wahnsinnig 1. Sept. 1872 in einem Armenhause zu Bukarest. Geschätzt sind besonders seine der vaterländischen