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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Buchara (Land)

Artillerie zur Bedienung von 200 veralteten Geschützen verschiedensten Modells; die Infanterie führt gezogene Gewehre, welche aus Indien eingeführt worden sind. Außer diesen, nach europ. Art uniformierten Truppen besteht der Heerbann, dessen Aufgebot ungefähr 30 000 irreguläre Reiter im Kriegsfall zur Verfügung stellt, wenn genügende Aussicht auf Beute vorhanden ist.

Geschichte und Entdeckungsgeschichte. Die Geschichtsquellen für B. beginnen etwas reichlicher zu fließen, seitdem das alte iran. Transoxanien von 666 an die Einfälle der Araber erfahren hatte und um 714 zum Islam übergetreten war. Den polit. und religiösen Wirren der arab. Herrschaft machte Ismail, Urenkel des vom Zoroasterkultus zum Islam übergetretenen Saman, aus Balch, ein Ende, welcher 893 Emir von B. (Mawarânnahr) und von Khwarizm (Chiwa) wurde und B. zu seiner Residenz erwählte. Das Reich der Samaniden erstreckte sich zur Zeit seiner größten Blüte, gegen Mitte des 10. Jahrh., südlich bis zum Sefid-Koh und über Merw, Herat und Chorassan. Ismails Nachfolger wurde 1004 von den türk. Seldschukken gestürzt, welche jedoch keine feste Machtstellung zu gewinnen vermochten. So wurde B. der Kampfpreis zwischen dem östl. Nachbarn, dem Uiguren Kurchan, und dem westlichen, dem Khwârizm-Fürsten Mohammed Kutb-ed-din. Nachdem letzterer obgesiegt hatte, veranlaßte er durch Hinrichtung zahlreicher mongol. Kaufleute 1218 den Einfall Dschingis-Chans. Dem vom Altaigebirge bis zum Oxus reichenden Chanat von Tschagatai einverleibt, wurde B. und Samarkand nun der Schauplatz der Bruderkriege der Nachkommen Dschingis-Chans. Die osttürk. Stämme erlangten die Oberherrschaft, und Timur Beg (Tamerlan, der Eroberer fast ganz Vorderasiens) wurde 1369 Emir von B. Er residierte zu Samarkand, brachte diese Stadt sowie die Stadt B. zu hoher Blüte, förderte den Ackerbau durch Anlegung von Bewässerungskanälen und erbaute ein ausgedehntes Straßennetz. Seine Enkel erleichterten durch ihre das 15. Jahrh. einnehmenden Zwistigkeiten und ihr willkürliches und kraftloses Regiment die Eroberung des Landes durch Scheï-bani-Mehemmed-Chan (1500), wodurch der Stamm der Usbeken von der zwischen Wolga und Aral wohnenden Goldenen Horde die Herrschaft über das Chanat von B. erlangte. Die Scheïbaniden des 16. Jahrh. vermochten den Verfall ebenso wenig aufzuhalten wie die 1597 zur Herrschaft gelangten Astarchaniden und das seit 1784 regierende Haus Mangit. Unter dem zelotischen Büßer Emir Maasum (1784-1803) wurde die bereits unter den Scheïbaniden wieder wie in alter Zeit gezogene Trennungslinie des Oxus das Markzeichen thatsächlicher Scheidung und Entfremdung zwischen Iran und Turan, doch erfreute sich unter ihm das Chanat noch eines gewissen Wohlstandes, welcher unter seinem Sohne Emir Said (1803-26) und seinem Enkel Emir Nasrullah (1826-60) bald verschwand. Letzterer war wegen seines religiösen Fanatismus berüchtigt, unter dem mehrere europ. Reisende zu leiden hatten. Er ließ den engl. Oberst Stoddart und Kapitän Conolly nach langen Mißhandlungen 1842 hinrichten und verweigerte einer russ. Expedition, bestehend aus den Bergingenieuren Oberst Butenjew und Lieutenant Bogoslowskij, dem Geographen N. Chanykow und dem Naturforscher Alex. Lehmann, welche nach Erforschung des Serafschanthals und der Aufnahme von Samarkand wieder über B. zurückkehrten, jeden Schutzvertrag zur Sicherung der Person und des Eigentums russ. Unterthanen. Erst 1863, drei Jahre nach dem Regierungsantritt des nicht unbegabten Mozaffar-ed-din, des Sohnes Nasrullahs, gelangten wieder einige Europäer nach B.: von Orenburg her die Mailänder Gavazzi, Litta und Meazza, welche die Seidenzucht in B. kennen lernen und gesunde Seidenwürmereier kaufen wollten, die Hauptstadt erreichten, aber erst nach einjähriger Gefangenschaft nur durch energisches Vorgehen Rußlands ihre Freiheit erhielten, und H. Vámbéry, der unter der Maske eines Derwisches mit aus Mekka heimkehrenden Pilgern dorthin gelangte.

Als 1865 die Russen Taschkent unter ihren Schutz stellten, trat ihnen der Emir von B., Mosaffar ed-din entgegen, wurde jedoch von den Russen 20. Mai 1866 geschlagen, worauf diese 5. Juni Chodschent stürmten und Taschkent 29. Aug. dem russ. Gebiet einverleibten. Am 14. Okt. wurde die Festung Uratübe und 30. Okt. die Festung Dschisak genommen, wodurch das ganze Gebiet zwischen dem Syr-darja und dem Serafschan in die Gewalt der Russen kam. Am 14. Mai 1868 besetzten die Russen Samarkand. Darauf schloß der Emir einen Frieden 30. Juli 1868, in welchem er den Russen die Städte Samarkand und Katta-Kurgan nebst den zugehörigen Landschaften (das obere Thal des Serafschan) überließ, sowie sich zur Zahlung einer namhaften Entschädigung und zum Schutze des russ. Handels verpflichtete. Die von B. abgetretenen Gebiete bilden den südöstl. Teil des nun selbständig organisierten Generalgouvernements Russisch-Turkestan. Im Herbst schritten die Russen auf Bitten des Emirs gegen den aufständischen ältesten Sohn desselben ein und schlugen 21. Okt. 1868 bei Karschi dessen Truppen, worauf 12. Okt. 1869 der Emir eine Gesandtschaft mit Geschenken (Tribut) an den Zaren nach Petersburg abgehen ließ. 1869 schloß der Emir auf Anlaß der Russen mit Afghanistan einen Vertrag, durch den der Oxus als Grenze der beiderseitigen Besitzungen festgesetzt wurde. 1870 gingen die Russen gegen die räuberischen Fürsten von Schachrisjebs vor, erstürmten deren für uneinnehmbar geltende Felsenburg Kitab, überließen aber dann dem Emir die weitere Unterwerfung des Landes. 1873 schlossen sie mit B. einen Handels- und Freundschaftsvertrag, und gaben später dem Emir für seine Mithilfe gegen Chiwa den südwestl. Teil des von Chiwa an Rußland abgetretenen Amu-darja-Gebietes als Geschenk. Der Nachfolger des 1882 verstorbenen Mozaffar-ed-din, Abdul-ahad-Chan, ist schon kaum mehr als ein russ. Statthalter. Durch einen Erlaß von 1886 wurde die Freigabe aller Sklaven angeordnet. Dafür leidet das Volk unter der Willkür eines durch den neuen Chan noch mehr gekräftigten Beamtenheers. 1892 machte er eine Reise an den russ. Hof und ließ seine beiden Söhne zur Erziehung in Rußland zurück. Die Abhängigkeit von B. haben eine genauere Kenntnis des Landes erleichtert. Es wurden mit Zuhilfenahme von Struves Positionsbestimmungen von einem beträchtlichen Teil genaue Karten entworfen. Daneben sind wichtig die Reisen von Majew (1878) im Gebiet zwischen Karschi und Hissar, Oschanin (1878) in Karategin, Hermann (1878) in Darwas und besonders von Bonvalot (s. d.) und Capus (1881).

Litteratur. Eversmann, Reise von Orenburg nach B. (Berl. 1823); Burnes, Travels to B. (3 Bde., Lond. 1834 u. ö.; deutsch, Weimar 1835); Wolff,