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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Budget

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Budget

es für ausgemacht galt, daß jener Nerv von den peripherischen Ganglien ausgehe. In der Histologie entdeckte B. unter anderm die bisher unbekannten Anfänge der die Galle aus der Leber führenden Gänge (Gallenkapillaren). Er schrieb "Lehre vom Erbrechen" (Bonn 1840), "Untersuchungen über das Nervensystem" (2 Bde., Frankf. 1841-42), "Allgemeine Pathologie" (Bonn 1843), "Die Bewegung der Iris" (Braunschw. 1855), "Anleitung zu Präparierübungen" (Bonn 1866), "Handbuch der Physiologie" (8. Aufl., Lpz. 1862), "Kompendium der Physiologie" (ebd. 1864; 3. Aufl. 1875).

Budget (engl., spr. böddschět; frz., spr. büddscheh), ein engl. Wort, von dem altfranz. bougette, Sack (speciell der Ledersack des Schatzkanzlers), stammend, bezeichnet seit Anfang des 19. Jahrh. auch auf dem Kontinent im parlamentarischen Sprachgebrauch die geordnete Zusammenstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben des Staates. Offiziell ist dafür allerdings in Deutschland der Ausdruck Staatshaushaltsetat gebräuchlich. Die Zweckmäßigkeit solcher Voranschläge wurde theoretisch schon im 17. Jahrh. anerkannt, eine wesentliche praktische Bedeutung konnten sie aber in den absolut regierten Staaten nicht erlangen, obwohl z.B. in neuerer Zeit auch in Rußland alljährlich ein B. im voraus aufgestellt und veröffentlicht wird. In England andererseits ist die Macht des Parlaments so fest begründet, daß hinsichtlich des B. ein weniger strenges Verfahren beobachtet werden kann, als es die Theorie des kontinentalen Konstitutionalismus verlangt. In der That ist denn auch das engl. Budgetrecht ein ganz wesentlich anderes und in seinen Konsequenzen niemals die Grundlagen der Staatsordnung gefährdend, wie dasjenige des kontinentalen Konstitutionalismus. (S. hierüber besonders die Schriften von Gneist.) Für den letztern, welchem nach franz.-belg. Vorbild auch Preußen und das Deutsche Reich sich angeschlossen haben, hat das B. neben seiner finanztechnischen eine staatsrechtliche Bedeutung ersten Ranges erhalten; die Volksvertretung hat das B., das sämtliche Einnahmen und Ausgaben enthalten muß und nur in Form eines Gesetzes festgestellt werden kann, zu bewilligen, und dieses Recht ist ihre Hauptwaffe gegenüber der Regierung. Es liegt hierin, wie Gneist treffend bemerkt, eine "Unterordnung aller gesetzlichen Ordnung im Staat unter die Beschlüsse der etatbewilligenden Kammer; denn jedes verfassungsmäßige Organ im Staat bedarf nun zu seiner Wirksamkeit einer jährlichen Genehmigung der Majorität der Wahlversammlung". In den Staaten mit zwei Kammern ist es die Regel, daß das Unterhaus allein berechtigt ist, Streichungen oder sonstige Abänderungen in dem Entwurf der Regierung vorzunehmen, während die Erste Kammer nur über das B. im ganzen abzustimmen hat. So auch verfassungsgemäß in Preußen, übrigens aber sind die Rechte der Volksvertretung hinsichtlich des B. in den verschiedenen Staaten verschieden bemessen. In den meisten erfolgt die Bewilligung nur auf ein Jahr, in einigen kleinern jedoch besteht eine zwei- oder dreijährige "Finanzperiode" und in Bayern war dieselbe früher sogar auf 6 Jahre ausgedehnt. Ein für das Reich 1881 von der Regierung gemachter Versuch, zweijährige Finanzperioden zu erlangen, scheiterte; die Finanzperiode in Preußen wie im Reich ist die einjährige. In dem Budgetgesetz wird auch die Forterhebung der Einnahmen formell neu für jede Finanzperiode bewilligt, wenn nach der Verfassung, wie dies in Preußen und dem Deutschen Reiche nach dem Vorgange Frankreichs und Belgiens der Fall ist, alle Einnahmen auf das Budgetgesetz gebracht werden müssen. In England aber gilt dies für die gesetzlich feststehenden Einnahmen nicht; in Preußen bestimmt allerdings der Art. 109 der Verfassung auch, daß die bestehenden Steuern so lange forterhoben werden können, bis ein Gesetz sie abändert. Der jährliche Etat aber ist auch ein Gesetz. Was die Ausgaben betrifft, so kommt sehr viel darauf an, wie weit die parlamentarische Befugnis zur Mitwirkung bei der Specialisierung derselben reicht. In Frankreich war unter Napoleon III. der Gesetzgebende Körper von 1852 bis 1862 nur berechtigt, die Gesamtsumme der Ausgaben für die einzelnen Ministerien zu votieren, die Verteilung auf die besondern Abteilungen aber erfolgte durch kaiserl. Dekrete, und auf demselben Wege konnten auch Übertragungen (virements) der Überschüsse eines Kapitels auf ein anderes stattfinden. Seit 1862 aber wurde das B. nach (55) Sektionen, seit 1869 wieder, wie unter der Julimonarchie, nach Kapiteln bewilligt, und ein Gesetz von 1871 hat jedes Virement von einem Kapitel zum andern verboten. In Preußen wurde infolge eines 1862 vom Abgeordnetenhause aufgestellten Grundsatzes ebenfalls eine genauere Specialisierung der in den Hauptetat aufzunehmenden Ausgaben zugestanden. Die jetzt in Preußen und dem Deutschen Reiche gehandhabte Methode geht außerordentlich weit in der Specialisierung, etwa zwanzigmal weiter als diejenige des engl. Rechts. Werden die in den Titeln gesetzten Grenzen nicht eingehalten, so liegt eine eigentliche Etatsüberschreitung vor, die nachträglich von den Kammern zu genehmigen ist. Werden aber Ausgaben gemacht, für die überhaupt im Etat keine Deckung vorgesehen ist, so bilden diese eine uneigentliche oder qualitative Etatsüberschreitung, die natürlich ebenfalls dem Urteile der Kammern unterliegt. In Frankreich werden bei Unzulänglichkeit der vorgesehenen Etats den Ministern "supplementäre", bei gänzlich unvorhergesehenen Ausgaben aber "außerordentliche" Kredite eröffnet. Es geschah dies früher immer durch Dekrete, jetzt aber ist, wenn die Kammern versammelt sind, ein Gesetz erforderlich. In England ist ein großer Teil der Ausgaben (über 30 Mill. Pfd. St. für die Staatsschuld, die Civilliste, die Apanagen, die Gerichtshöfe u. s. w.) dauernd durch Gesetze bewilligt, und nur die Ausgaben für den Dienst des Jahres (darunter die für Armee und Flotte) werden jährlich votiert. Man empfahl die Ausscheidung eines solchen "stabilen B." auch für andere Staaten, doch ist der Unterschied der parlamentarischen Verhältnisse Englands und des Kontinents nicht zu übersehen. Das sog. Septennat (1874, 1880, 1887) ist eine Bewilligung der Friedenspräsenzziffer des Heers auf 7 Jahre, welche materiell allerdings bereits eine zwingende Entscheidung über die Geldmittel enthält; formell aber wird im Deutschen Reich auch das Militärbudget jährlich beschlossen. In Deutschland ist die rechtliche Natur des B. in neuester Zeit außerordentlich viel umstritten, ohne daß der Streit bis jetzt zu einer befriedigenden Lösung hätte gebracht werden können. Die Frage, welcher Zustand bei gänzlicher oder teilweiser Ablehnung des B. seitens eines der gesetzgebenden Faktoren eintrete, ist trotz aller Mühe, welche staatsrechtliche Schriftsteller auf