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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Carlos

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Carlos (Don Carlos Maria José Isidoro von Bourbon)

niederländ. Aufruhr 1567 die Katastrophe beschleunigte. C. forderte, daß ihm die Sendung nach Flandern anvertraut werde; statt dessen wurde Alba dorthin gesendet. Die Ernennung zum Präsidenten des Staats- und Kriegsrats und das trügerische Versprechen des Königs, ihn alsbald selbst nach den Niederlanden zu führen, hielten die Katastrophe nur wenig auf. Des steten Mißtrauens sowie der bevormundenden Gewalt seines Vaters überdrüssig und ahnend, daß Anschläge gegen seine Person im Werke seien, wollte sich C. dem allem durch die Flucht entziehen. Zunächst war er bemüht, seinen Oheim und Freund Don Juan d'Austria zur Teilnahme an der Flucht zu bestimmen. Dieser aber verriet den Plan dem König, und letzterer schritt jetzt sofort zum Äußersten. Am 18. Jan. 1568 um 11 Uhr abends vollzog er selbst, an der Spitze seiner Vertrauten, die Verhaftung des C., entschlossen, ihn von der Thronfolge auszuschließen und für den Rest seines Lebens gefangen zu halten.

Zu diesem Zwecke wurde eine Untersuchungskommission (nicht die Inquisition) in Thätigkeit gesetzt, aber nur wenige Monate lebte C. noch im Kerker; 24. Juli 1568 starb er. Ob sein rasches Ende dadurch herbeigeführt worden, daß man dem Verzweifelnden immer neue Aufregungen bereitete und dadurch seine Gesundheit untergrub, oder ob man durch künstliche Veranstaltungen, wie manche behaupten, den Tod beschleunigte, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln. Die Frage nach dem Charakter des C. ist von den Geschichtsforschern vielfach, in verschiedenem Sinne, behandelt worden; ehedem stellte man sich C. keineswegs als einen wahnsinnigen oder gar blödsinnigen Menschen vor, sondern vielmehr als eine zwar unbändige, aber originelle Persönlichkeit von scharfem Verstande. In neuerer Zeit hat Büdinger in seinem Werk nachzuweisen versucht, daß C. mit erblichem Irrsinn behaftet gewesen ist. Allgemein wurde der Tod des C. in Spanien betrauert. Schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. wurde C. zum Gegenstand eines span. Dramas von Montalvan gemacht; 1672 erfuhr er durch Saint-Réal eine romanhafte Behandlung, die die Unterlage für die Dramen von Campistron, Lefèvre, Schiller, Alfieri und Russell bildete. – Vgl. außer den ältern Forschungen von Llorente, Ranke und Raumer besonders Prescott, History of the reign of Philip the Second, Bd. 2 (Boston 1856 u. ö.); Gesandtschaftsberichte und Briefe des Freiherrn von Dietrichstein (in Kochs «Quellen zur Geschichte Kaiser Maximilians Ⅱ.», Lpz.1857); Gachard, Don C. et Philippe Ⅱ (2 Bde., Brüss. 1863); Mouy, Don C. et Philippe II (Par. 1864); Warnkönig, Don C. Leben, Verhaftung und Tod dieses Prinzen (Stuttg. 1864); Ad. Schmidt, Don C und Philipp Ⅱ. (in «Epochen und Katastrophen», Berl. 1874); Maurenbrecher, Don C. (2. Aufl., ebd. 1876); Büdinger, Don C.' Haft und Tod, insbesondere nach den Auffassungen seiner Familie (Wien 1891).

Carlos, Don C. Maria José Isidoro von Bourbon, span. Kronprätendent, geb. 29. März 1788, zweiter Sohn König Karls Ⅳ. von Spanien, Bruder König Ferdinands Ⅶ., mußte auf Napoleons Gebot 1808 mit seinem Bruder der Thronfolge entsagen und dann bis 1814 die Gefangenschaft desselben in Valençay teilen. Da auch die zweite Ehe Ferdinands Ⅶ. kinderlos blieb, so eröffnete sich dem Infanten Aussicht auf die Thronfolge, und nach Herstellung der Konstitution 1820 ward C. ^[Spaltenwechsel] Mittelpunkt aller Bestrebungen und Verschwörungen, die auf die Wiedereinführung des Absolutismus hinausliefen. Die Gegner des Don C. aber vermochten den kinderlosen König, als seine dritte Gemahlin 1829 verstorben war, sich mit Maria Christina (s. d.), der Schwägerin des Infanten Don Francisco da Paula, zu vermählen und für den Fall einer bloß weiblichen Nachkommenschaft 29. März 1830 eine Pragmatische Sanktion zu erlassen, durch die das 12. Mai 1713 erlassene Salische Gesetz des bourbonischen Hauses aufgehoben wurde. Am 10. Okt. 1830 wurde die Infantin Maria Isabella geboren und somit C.' Aussicht auf die nächste Thronfolge vernichtet. Zwar gelang es seiner Partei, den kranken König im Sept. 1832 zur Wiederherstellung des Salischen Gesetzes zu bewegen; als dieser aber wieder genesen war, erklärte er das Dekret für erschlichen und die Pragmatische Sanktion von 1830 für wiederhergestellt. Da C. dagegen Protest erhob, verwies ihn der König nach Portugal, und als er sich von hier aus weigerte, der Huldigung der Prinzessin von Asturien (der spätern Isabella Ⅱ.) beizuwohnen, nach dem Kirchenstaate. Noch aber hatte sich C. nicht nach Italien eingeschifft, als 29. Sept. 1833 Ferdinand Ⅶ. starb. Der Infant betrachtete sich nun als rechtmäßigen Herrscher von Spanien und wurde als solcher (Karl Ⅴ. von Spanien) nicht nur von seiner Partei, die jetzt den Namen der Karlisten erhielt, sondern auch von Dom Miguel in Portugal anerkannt, sodaß ihn die Königin-Regentin 16. Okt. für einen Rebellen erklärte. Don C. schiffte sich 1. Juni 1834 nach England ein, wo er beharrlich die Vorschläge der Königin-Regentin auf einen bedeutenden Jahrgehalt zurückwies. Schon 1. Juli verließ er heimlich England und gelangte verkleidet 10. Juli über die Grenze Spaniens, wo fortan der Bürgerkrieg in den nördl. Provinzen aufwogte und mit abwechselndem Glück geführt wurde, bis sich der selbst ganz unfähige Don C. 1839 genötigt sah, auf franz. Boden eine Zuflucht zu suchen. (S. Spanien.) Bereits 1834 war der Infant und seine Nachkommenschaft durch fast einstimmigen Beschluß der Proceres sowohl wie der Prokuratoren von der Thronfolge ausgeschlossen und vom span. Boden verbannt worden, welchen Beschluß die konstituierenden Cortes von 1836 bestätigt hatten. Nachdem seine erste Gemahlin, Maria Francisca, Tochter König Johanns Ⅶ. von Portugal, mit der er seit 1816 vermählt war, 1834 verstorben, vermählte er sich 1838 mit deren Schwester Maria Theresia, Infantin von Portugal (Prinzessin von Beira) und Witwe des Infanten Peter von Spanien. Infolge von Spaltungen unter der karlistischen Partei entsagte Don C. 18. Mai 1845 seinen Rechten auf den span. Thron zu Gunsten seines ältesten Sohnes und nahm den Inkognitotitel eines Grafen von Molina an. Er wandte sich dann nach Österreich, wo er 10. März 1855 zu Triest starb.

Sein ältester Sohn, Don Carlos Luis Fernando de Bourbon, Prinz von Asturien, nach der Entsagung des Vaters Graf Montemolin, geb. 31. Jan. 1818 zu Madrid, floh 14. Sept. 1846 mit Cabrera (s. d.) aus Bourges, wo er seit 1839 mit seinem Vater lebte, nach England, von wo aus er seine Thronrechte durch Manifeste geltend zu machen suchte. Namentlich gedachten ihm seine Anhänger, die Montemolinisten, durch eine Vermählung mit seiner Cousine, der jungen Königin Isabella Ⅱ., auf den Thron zu verhelfen. Allein

^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]