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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Cherbuliez
quille im Westen), von denen drei auf 16 km Ent-
fernung sichtbar sind. Allein weder die Wider-
standsfähigkeit und Ausdehnung der Verteidigungs-
anlagen, noch die Wasfertiefe der Reede genügen
den heutigen Anforderungen. Es ist daher ein Um-
bau und eine Erweiterung des Kriegshafens im
Gange, für welche die Summe von 49 Mill. Frs.
ausgeworfen ist. Die Ausführung foll 1894 beendet
sein. - C. war ursprünglich ein festes Schloß; 1066
wird ein Graf Gerbert von C. im Heere Wilhelms
des Eroberers beiHastings genannt. König Philipp
August von Frankreich erteilte dem "Hafenort" C.
das Recht des Handels nach Irland; 1295 eroberten
ihn die Engländer; 1298 wurde der bereits zur
Stadt eutwickelte Ort von den Franzosen wieder
eingenommen, im Juli 1346 von den Engländern
geplündert. Im 14. und 15. Jahrh, war es ein
gewöhnlicherLandungsort der Engländer und wurde
mehrmals von diesen und den Franzosen belagert.
C. kapitulierte 29. Sept. 1418 an den Herzog von
Gloucester und 12. Aug. 1450 nach 40tägiger Be-
lagerung an die Franzosen, denen es fortan ver-
blieb. Von Karl VII. stärker befestigt, erhielt die
Stadt von Ludwig XI., Franz II. und Heinrich IV.
verschiedene Privilegien. Im Aug. 1758 landete
die engl. Flotte unter Howe und zerstörte sämtliche
Festungswerke; 13. April 1830 schiffte sich hier der
Exkönig Karl X. nach England ein. - Vgl. Viaud
und Fleury, Hi8toir6 äs 1a vi1i6 6t äu port ä6 0.
(2 Bde., Rochefort 1845); 1^8 p0rt8 maritime ä6
la ^ranc6, Bd. 3 (Par. 1878).
Cherbuliez (spr.schärrbüllleh), einflußreiche Fa-
milie zu Genf, deren Glieder sich durch wissenschaft-
liche und litterar. Thätigkeit auch im Auslande
einen ehrenvollen Ruf begründet haben.
Abraham C., der seine Buchhandlung zu Genf
zur bedeutendsten der Stadt erhob, hatte drei Söhne.
Der älteste, Andre' C., geb. 1795, war erst Haus-
lehrer in Italien und Paris, dann Prediger, seit
1832 Lehrer am College zu Genf, feit 1840 Pro-
fessor des Hebräischen, später der lat. Litteratur an
der Hochschule zu Genf, wo er 14. Juni 1874 starb.
Von seinen Schriften haben "1)6 lidi-o .lod" (Genf
1820), "N88a.i 8ur 1a. 8atir6 1atiii6" (ebd. 1829) und
ttl^g. vilie äs 8in^rii6 6t 8on orat6ui' ^i-i8tid6" (ebd.
1865) wissenschaftlichen Wert.
Sein Vruder Antoine Glisse C., geb. 29. Juli
1797 zu Genf, Schriftsteller, wurde 1833 Professor der
Rechte und der Nationalökonomie an der Genfer Hoch-
schule, nahm thätigen Anteil an der Regierung der
Stadt und machte sich als Leiter einflußreicher Zeit-
schriften und durch jurist., polit. und nationalökono-
mische Werke bekannt. Zu letztern gehören "I^'ntili-
taii'6"(3Bde.,Genf1828-30), worin er die Ansichten
Benthams und Dumouts verteidigt und modifiziert,
"Ri<:Ii6886 6t MUVI-6t6" (Par. 1841), "^1l60I'i6 668
^a,ra.iiti68 00U8tiwti0iiii6N68" (2 Bde., ebd. 1838)
und "D6 1a, ä6ui0<?i-3.ti6 6n 8ui"86" (2 Bde., Genf
1843). Infolge der Revolution von 1846 mit feinen
polit. Freunden von den öffentlichen Angelegenhei-
ten des Kantons ausgeschlossen, wandte er sich nach
Paris, wo er gegen die Socialisten, befonders gegen
Proudhon, schrieb. 1853 heimgekehrt, lehrte er an
der Akademie zu Lausanne, später als Professor der
polit. Dkonomie am Polytechnikum in Zürich, wo
er 14. März 1869 starb. (5. kämpfte als freiheit-
liebender Republikaner mit gleichem Hasse gegen
Socialismus und Bonapartismus. Die Ergebnisse
seiner staats und volkswirtschaftlichen Studien hat
er in "?i'6oi8 ä6 1a, 8ci6nc6 6C0uomi<iu6" (2 Bde.,
Par. 1862) zusammengefaßt.
Der dritte Bruder, Ioel C., geb. 1806, Publi-
zist, übernahm das väterliche Geschäft und beteiligte
sich vor 1846 thätig an der Regierung des Kantons.
1848-53 war er einer der Hauptredacteure der
"Lid1iot1i6HU6 uuiv6r86ii6". In einer Art von
Roman: "1^6 i6U(i6inaiii äu ä^ii^r ^our dun eoii-
äa,niu6" (Par. 1829), versuchte er eine Parodie und
Kritik von Victor Hugos Buch gegen die Todes-
strafe. Er leitete zwei konservative Blätter und
schrieb über Genfer Zustände Artikel in die "Il6vu6
ä68 v6ux N0Qä68u, die Anlaß einer lebhaften Po-
lemik wurden. Er starb 8. Nov. 1870 in Genf.
Wertvoll ist seine Schrift "(^6U6V6,868 iii8tjtutioii8,
868 inwur8) 8011 ä6V6iopZ)6IN6Iit ilit6ii6ctu6i 6t
morai" (Genf und Par. 1867).
Adrienne C., die jüngste Schwester, geb. 1804,
übertrug in Verbindung mit Ioel C. eine Auswahl
von Zschokkes Erzählungen (12 Bde., Par. 1830
-32) sowie mehreres von H. von Kleist (3 Bde.,
ebd. 1832) ins Französische.
Die älteste Schwester, Madame Tourte-Cher-
buliez, geb. 1793, gest. 1863, verfaßte ansprechende
Erzählungen, von denen "^im6tt6 <^6i-vai8" ins
Holländische und Deutsche (Hamb. 1843) überging,
sowie Romane, deren bekanntester "1^6 ^ournai
ä'^ni6ii6" ist.
Victor (5., Schriftsteller, Sohn von Andre" C.,
geb. 19. Juli 1829 zu Genf, studierte dafelbst, in
Paris, Bonn und Berlin und widmete sich zuerst dem
Lehrfache. Durch die humoristisch-archäol. Skizze "^V
prop08 ä'un c,1i6va1) eau86ri68 at1i6ni6iiii68" (1860;
in 2. Aufl. 1864 als "IIn e1i6va1 ä6 ?1iiäia8"; gute
Ausgabe mit Erläuterungen und Biographie C.'
von H. Fritsche, Verl. 1880; deutsch Jena 1861),
die Frucht einer Reise in Griechenland und im
Orient, wurde C. als Schriftsteller vorteilhaft be-
kannt, und nachdem er 1864 in die Redaktion der
"I56VU6 (168 D6UX Nonä68" eingetreten war, erwarb
er sich durch eine ausgiebige Thätigkeit als Kunst-
kritiker, Publizist und Verfasser von Romanen bald
einen angesehenen Namen. Seine polit. und litterar.
Aufsätze in der "Il6vii6 6681)6ux ^Ioii(i68" unter-
zeichnete er mit dem Pseudonym G. Valbert.
Diese Studien sind zusammengefaßt in den Büchern:
"I^^1i6inaAQ6 po1itiqu6" (1870), "I^'N8pa^ii6 po
1iti^u6" (1874), "H01NIN68 6t e1i0868 ä'^1i6maZii6"
(1877), "ll0ININ68 6t 0I10868 äu t6INP8 PI-686Nt"
(1883), "^roii^ 6^9.11361-8" (1889) und "I^rt 6t
1a, natui-6" (1892). Seine Romane (auch meist in
der "1^6vu6 ä68 v6ux N0iiä68" veröffentlicht) erin-
nern zuerst an die frühere Manier von George Sand;
bei geistvoller Behandlung von Problemen de^
Familien- und gesellschaftlichen Lebens und feiner
psychol. Analyse macht sich aber immer mehr bei
C. eine Vorliebe für seltsame Charaktere, ein Haschen
nach Originalität in der Darstellung bemerkbar.
Von Romanen sind hervorzuheben: "1^6 eomw
1<o8tia" (1863; deutsch Jena 1864), "?aui6 N6I-6"
(1864, in Briefen), "1^6 i-oman ä'nii6 1ionii6t6
t6iiiili6" (1866; deutsch u. d. T. "Isabella", Verl.
1867), "1^6 Araiiä <Vuvi'6" (1867), "?i'08p6i- Nau-
äo"6" (1867), "I^'a.v6iitur6 ä6 I^äi8ia,8 Lol8ki"
(1869; deutsch Wien 1871), "8amu6i Vi-odi 6l
^" (1877; mit geringem Erfolg auch für die Bühne
bearbeitet), "I.'iä66 ä6 ^6an ^6t6i-c)1" (1878), "01i-
V161- Nau^aitt" (1885), "I.a V^t6, i-mnau P8V0I10I0'
^i^u6" (1887), "l^a vu^-ation du ('l>nN6 <^1ii8iain"
Artikel, die man unter G vermißt, sind unter K aufzusuchen.