458
Commons (House of)
gebildet, welches für die strengste Einhaltung der vom Parlament über die Staatsausgaben getroffenen Bestimmungen Sorge trägt. Bereits im 15. Jahrh. hatten sich die C. das Recht der ersten Beratung aller Regierungsvorschläge gesichert, welche den Staatshaushalt betreffen. In den in den J. 1671‒78 stattfindenden Konferenzen wurde ferner festgestellt, daß dem House of Lords nur die Ablehnung, nicht aber die Veränderung derartiger Vorschläge zusteht. (Über das Verfahren bei der Beratung s. Bill.)
Langsamer entwickelte sich die gesetzgebende Thätigkeit des House of C. Bis zur Zeit Eduards Ⅰ. wurden die Gesetze vom König unter Zustimmung des Magnum Concilium und ohne Berücksichtigung der andern Körperschaften erlassen. Je mehr die letztern ihren lehnsrechtlichen Charakter abstreiften und zu Organen der Volksvertretung wurden, um so mehr wurde auch ihre Beteiligung an der Gesetzgebung zur Notwendigkeit. Der Grundsatz, daß die Beseitigung von Mißständen der Bewilligung von Geldern vorausgehen muß, kam daher schon unter Eduard Ⅰ. zum Durchbruch. Die steuerbewilligenden Versammlungen ließen nun regelmäßig Bittschriften (Petitions) an den König ergehen, in welchen Reformen des Rechts beantragt wurden. Der König beriet sich über diese Bittschriften mit dem Magnum Concilium und konnte nach seinem Belieben den Anträgen ganz oder teilweise willfahren, oder auch dieselben zurückweisen. Erst im Laufe des 15. Jahrh. entwickelte sich die Praxis, daß das House of C. statt der Bittschriften Gesetzentwürfe den Lords und dem König vorlegte. Zuerst geschah dies unter Heinrich Ⅴ. in der Form, daß die Bittschrift den beantragten Gesetzentwurf enthielt.
Die Könige beanspruchten indessen noch weiter das Recht, durch Verordnungen (Proclamations) neues Recht zu schaffen und die vom Parlament erlassenen Gesetze in einzelnen Fällen (Dispensing Power) oder für eine bestimmte Zeit (Suspending Power) aufzuheben. Die Proclamations wurden, nachdem sie noch 1539 in einer Parlamentsakte ausdrücklich als rechtsgültig anerkannt worden waren, durch eine feierliche Erklärung der Richter 1610 mit aller Entschiedenheit verurteilt, trotzdem aber noch vielfach von den Stuarts angewandt; und das Recht, dieselben zu erlassen, wurde noch unter Georg Ⅲ. erörtert, aber damals endgültig verneint. Das Recht der Dispensation und Suspension wurde durch die Bill of rights (s. d.) beseitigt. Der Gesetzgebung durch das Parlament sind in England sachlich keine Grenzen gesetzt, da es kein Grundgesetz giebt und jede bestehende Rechtsbestimmung vom Parlament aufgehoben werden kann.
Auf die Exekutive wirkt das House of C. direkt sowohl als indirekt ein: direkt durch Untersuchungen über die Handlungsweise der Regierungsorgane (das erste Beispiel ist die Untersuchung über den Krieg in Irland 1689) und durch Anträge auf Grund des Ergebnisses; indirekt dadurch, daß seit der neuern Entwicklung der Regierung durch ein Parteiministerium (s. Cabinet) die Exekutive überhaupt unmöglich wird, wenn sie nicht mehr die Unterstützung der Majorität im House of C. hat. In einem solchen Falle muß jetzt entweder das Parlament aufgelöst werden, oder das Ministerium muß abdanken. Die unter Georg Ⅰ. erlassene Septennial Act bewirkt, daß ein Parlament als aufgelöst zu betrachten ist, wenn es sieben Jahre existiert hat; es soll hierdurch wiederum eine Abhängigkeit des Parlaments von den Wählern entstehen. ^[Spaltenwechsel]
Mit der Kontrolle, welche das House of C. über die Exekutive ausübt, hängt der Umstand zusammen, daß ständige Beamten in der Regel nicht Mitglieder des House of C. sein dürfen. Es betrifft dies Richter, permanente Ministerialbeamte und Verwaltungsbeamte. Es ist klar, daß diese Beamten in ein höchst bedenkliches Verhältnis zu ihren höchsten Vorgesetzten geraten würden, wenn es ihr Recht und sogar ihre Pflicht wäre, öffentlich deren Amtsführung zu kritisieren, sich an Mißtrauensvoten zu beteiligen und diejenigen zu kontrollieren, deren Instruktionen sie auszuführen haben. Die Minister und die sog. parlamentarischen Ministerialbeamten (d. h. die Beamten, die abtreten, wenn ein Regierungswechsel stattfindet) dürfen und müssen sogar in der Regel Parlamentsmitglieder sein, haben sich aber nach ihrer Ernennung einer Neuwahl zu unterziehen.
Außer den genannten Beamten sind nicht wählbar: Peers (mit Ausnahme irischer Peers), Geistliche der Landeskirche oder der kath. Kirche, Sträflinge u. s. w. Im übrigen kann jeder handlungsfähige Engländer zum Mitglied des House of C. erwählt werden. Die Bestimmungen über die aktive Wahlbefähigung und die Wahlbezirke sind zu kompliziert, um hier auch nur in ihren Umrissen wiedergegeben zu werden. Die Reformen dieses Jahrhunderts (1832, 1867, 1884 und 1885) haben die Befähigung, die nur auf Grundbesitz ohne Rücksicht auf eine Wohnung oder Niederlassung beruht, eingeschränkt und schrittweise allen Inhabern selbständiger Wohnungen sowohl in den Städten als in den Grafschaften das Stimmrecht gegeben. Sie haben ferner den kleinern Städten das Recht selbständiger Vertretung entzogen und dasselbe an größere früher unvertretene Städte erteilt. Die größten Städte sind jetzt in eine Anzahl von Wahlbezirken eingeteilt, die alle je einen Vertreter wählen – eine Einrichtung, welche die Vertretung von Minoritäten zu sichern bestimmt ist. Der Grundsatz, Wahlbezirke mit gleichmäßiger Einwohnerzahl zu schaffen, ist immer mehr zum Durchbruch gekommen. Die Bestimmung, daß engl. und schott. Peers (s. Pairs) nicht berechtigt sind, sich an der Wahl zu beteiligen, besteht weiter. An Anomalien fehlt es auch jetzt nicht; dazu gehört namentlich die, daß die Befähigung, die auf Grundeigentum ohne Rücksicht auf eine Wohnung im Wahlbezirk beruht, noch immer – wenn auch in etwas eingeschränkter Form – besteht, sodaß jemand, der Grundeigentum, dessen Wert einen gewissen Betrag übersteigt, in verschiedenen Wahlbezirken hat, überall zur Wahl befähigt ist und dieses Recht auch an verschiedenen Orten ausüben kann, da die Wahlen nicht an einem Tage stattfinden, sondern sich über Wochen hinausziehen.
Schottland und Irland hatten früher ihre eigenen Parlamente; das von Schottland vereinigte sich 1707 mit dem englischen, und das gemeinschaftliche Parlament erhielt darauf den Namen Parlament von Großbritannien. Irland schloß sich 1799 an Großbritannien an, und das jetzt bestehende Parlament vertritt die Wähler des vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland.
Die Frage weiterer parlamentarischer Reformen ruht vorläufig, doch erstrebt man vielfach allgemeines Wahlrecht, die Einführung des Grundsatzes: ein Mann, eine Stimme, und die Befähigung weiblicher Wähler. (S. Parlament.)
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]