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Dampfmaschine
gegen alles Vorhergehende zeigten. Die Verbindung von Dampfcylinder und Kurbellager geschah bei horizontalen Maschinen bis dahin stets mittels des sog. Grund- oder Bettbalkens, einer horizontal in ihrer ganzen Länge auf dem Fundamentmauerwerk aufliegenden Grundplatte, auf welche an dem einen Ende der Cylinder, am andern seitlich das Kurbellager angeschraubt wurde. Corliß wendete zuerst einen seitlichen Verbindungsbalken (Corliß-Balken, Bajonettbalken) zwischen Kurbellager und Cylinder an, der den auftretenden Kräften besser Widerstand leistet, eine festere Verbindung zwischen Cylinder und Kurbellager und dabei auch eine elegantere Form gestattet. Dieser Corliß-Balken wurde daher ungemein schnell von allen Maschinenfabriken angenommen und bildet den Normalrahmen der größern liegenden D. Über die Steuerung der Corliß-Maschine s. unten (S. 740 a).
Bei dem Bestreben, die Expansion des Dampfes aus Rücksicht auf ökonomischen Betrieb soweit als möglich zu treiben, kam man bald zur Erkenntnis, daß bei großer Expansion in nur einem Cylinder die Vorteile sehr bald durch Nachteile wieder aufgehoben wurden. Infolge der großen Temperaturdifferenzen, welche bei starker Expansion im Cylinder eintreten, findet eine starke Abkühlung der Cylinderwände statt, sodaß der eintretende Admissionsdampf, auf die abgekühlten Wände stoßend, in hohem Maße sich niederschlägt. Die starken Druckdifferenzen, welche zwischen beiden Seiten des Kolbens stattfinden, lassen durch die Undichtigkeiten zwischen Kolben und Cylinderwandung beträchtliche Mengen Dampf nutzlos entweichen, und weiterhin ergeben die großen Differenzen der Kolbendrucke einen unregelmäßigen Antrieb der Maschine, sodaß nur durch schwere Schwungräder der Ungleichförmigkeitsgrad des Ganges der Maschine auf das zulässige Maß gebracht werden kann. Diese Umstände führten zur Konstruktion der Zweifach-Expansionsmaschine, die sich in zwei Klassen, Woolfsche und Compoundmaschinen, einteilen. Das Princip, auf dem beide beruhen, läßt sich kurz so ausdrücken: Der Kesseldampf als Admissionsdampf wirkt zuerst in einem kleinern Cylinder, entweder mit vollem Druck während des ganzen Kolbenhubes oder mit teilweiser Expansion, und giebt so nur einen Teil seiner Arbeit ab. Die durch weitere Expansion noch zu erzielende Arbeitsleistung wird in einem größern Cylinder, in den der Dampf aus dem ersten geleitet wird, nutzbar gemacht. Das unterscheidende Merkmal der beiden genannten Arten von D. besteht darin, daß in der Woolfschen Maschine beide Kolben ihren Hub gleichzeitig vollenden, während bei der Compoundmaschine die Kurbeln um einen Winkel von 90° resp. 120°, 72°, 108° versetzt sind, sodaß der eine Kolben nahezu in der Mitte seines Hubes steht, wenn der andere am Ende seines Weges angelangt ist. Diese letzte Anordnung macht jedoch einen Zwischenbehälter, Receiver (oder Aufnehmer), notwendig, welcher den Dampf auf seinem Wege vom kleinern zum größeren Cylinder aufnimmt. Von diesem Behälter haben solche Maschinen auch den Namen Receiver-Compoundmaschinen erhalten. Durch Einführung der Compoundmaschine ist eine ganz wesentliche Ersparnis in Bezug auf den Dampfverbrauch pro Pferdestärke und Stunde herbeigeführt worden, wobei auch der Vorteil großer Gleichförmigkeit des Ganges bei Maschinen für Spinnereien, Webereien u. s. w. sehr ins Gewicht fällt. In den letzten 15‒20 Jahren hat man nun das Princip der Compoundmaschine unter immerwährender Steigerung des Kesseldruckes mehr und mehr ausgebildet. Man ist von der Compoundmaschine mit Expansion in zwei Cylindern auf Dreifach-Expansionsmaschinen übergegangen, in denen der Dampf der Reihe nach den kleinen, mittlern und großen Cylinder durchströmt und in jedem Cylinder einen Teil seiner Arbeit leistet. Natürlich machen sich bei diesen D. zwei Receiver notwendig, welche den Dampf einmal zwischen dem kleinen und mittlern, dann zwischen dem mittlern und großen Cylinder aufnehmen. Bei derartigen Maschinen mit Kondensation hat man bei vorzüglicher Ausführung aller Teile den Dampfverbrauch außerordentlich herabgezogen, Untersuchungen haben ergeben, dass an dergleichen Maschinen pro indizierte Pferdestärke und Stunde nur etwa 6 kg Dampf verbraucht wurden. In den letzten Jahren ist man auch zu Compoundmaschinen mit vierstufiger Expansion übergegangen, und es haben solche Maschinen außer für Schiffe auch als stationäre Maschinen Ausführung gefunden. Unter Voraussetzung eines entsprechend erhöhten Kesseldruckes läßt sich wohl noch eine, wenn auch geringe Ersparnis an Dampf pro Pferdestärke und Stunde und somit an Brennmaterial und Betriebskosten der Dreifach-Expansionsmaschine gegenüber erwarten.
Einer Gattung von stationären D., welche in den letzten 20 Jahren, sich ihrem Zwecke entsprechend entwickelt haben, wäre noch zu gedenken, das ist die D. für den Betrieb von Dynamomaschinen für elektrische Beleuchtungsanlagen. Die Entwicklung dieses Zweiges des Dampfmaschinenbaues steht in enger Beziehung zur Entwicklung der Dynamomaschinen überhaupt. Im Anfang handelte es sich in der Hauptsache darum, zum Betriebe der Dynamos, die eine große Umdrehungszahl pro Minute verlangten, D. meist geringerer Leistung, aber großer Tourenzahl und gleichförmigen Ganges zu bauen; so entstanden kurzhubige, schnelllaufende Maschinen, eincylindrig, Zwillings- oder Compoundmaschinen, letztere meist ohne Kondensation, bei denen ein sparsamer Dampfverbrauch nicht zu erreichen war. Bei den großen Anlagen der letzten Jahre aber, für die Zwecke städtischer Beleuchtung, wo sehr große, langsamer laufende Dynamos zur Verwendung kommen, sind D. konstruiert worden, die, wegen der Bedingung gleichmäßigen Ganges, in Bezug auf ihre Regulierung eine außerordentliche Durchbildung erfahren und außerdem einen ökonomischen Betrieb gewährleisten mußten.
Man unterscheidet bei den heutigen D. die gesamte Dampfmaschinenanlage oder Dampfanlage und die eigentliche D. Die Dampfmaschinenanlage umfaßt zugleich den Apparat zur Erzeugung des Wasserdampfes (den Dampfkessel, s. d.), die Einrichtung zur Leitung desselben nach der Maschine (die Dampfleitung, s. d.) und die eigentliche D., in der die Umsetzung der Wärme in Arbeit stattfindet.
Die Wirkungsweise der einzelnen Hauptteile einer D. werde an der auf Taf. Ⅰ, Fig. 3 im Schnitt dargestellten vertikalen Eincylindermaschine erläutert. Der aus dem Dampfkessel kommende Dampf gelangt durch das Rohr E nach dem Schieberkasten K; in diesem befindet sich der Dampfschieber, der mit seiner Stange bei t an die Stange s des auf der Welle sitzenden Excenters f angehängt ist und dadurch eine auf und ab gehende Bewegung erhält.