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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Descendent - Deschamps
nen. Um sich dahcr den Zusammenhang zwischen
leidlichen und geistigen Erscheinungen zu erklären,
nahm er seine Zuflucht zu einer fortwährenden Mit'
Wirkung (concurguä) Gottes, woraus später der
Occasionalismus (s. d.) und das S'ystem der prästa-
bilierten Harmonie (s. Leibniz) hervorging. Den
Tieren sprach er jede Beseelung, also auch Empfin-
dung, ab und erklärte sie für belebte Maschinen.
Am meisten wirkte D. auf seine Zeitgenossen durck
seine Korpuskularphilosophie, d. b. den Ver-
such, alle Erscheinungen der Körperwelt lediglich aus
der Bewegung der letzten Bestandteile der Körper zu
erklären. Dah er dieKorpuskularpbilosophie an die
Stelle der bisherigen Ansicht, die für jede Erschei-
nung besondere Qualitäten und Kräfte annahm,
setzte, war von reformatorischer Bedeutung. - Noch
größere Verdienste erwarb sich D. um die Mathe-
matik; er ist der Schöpfer der analytischen Geo-
metrie. Er erkannte zuerst die wahre Bedeutung
der negativen Wurzeln der Gleichungen; er fand
die Anzahl der positiven und der negativen Wur-
zeln in den Abwechselungen der Zeichen für die Glie-
der jeder Gleichung; er gab eine neue und sinnreiche
Auflösung der Gleichungen des vierten Grades; er
führte zuerst die Exponenten ein und legte dadurch
den Grund zu den Rechnungen mit Potenzen. Er
lehrte ferner, wie man an jedem Punkt einer geometr.
Kurve Tangenten und Normalen ziehen soll, und
zeigte, wie man die Natur und die Eigenschaften
jeder Kurve durch eine Gleichung zwischen zwei ver-
änderlichen Koordinaten ausdrücken kann. Seine
"660M6ti-i6" (1637; lateiniscb von Schooten mit
einem trefflichen Kommentar, Leiden 1649; deutfcb
von ^chlesinger, Verl. 1894) und seine "I)i0pti'i^n6"
<1637) werden ein immerwährendes Denkmal seines
Talents und Scharfsinns bleiben. Weniger glücklich
war D. in seinen kosmologiscken Bemühungen, in
denen er die Bewegung der Himmelskörper durch
Wirbel ftoui-dillouZ) erklären wollte, die in Strö-
mungen des das Weltall erfüllenden Äthers bestehen
sollten, eine Theorie, die wohl damals und selbst
noch lange nach Newtons Entdeckungen viel Aufseben
gemacht und viele Anhänger gefunden hat, die abcr
längst der Vergessenheit übergeben worden ist.
D.' mathem. und philos. Werke, welche in lat.
Sprache abgefaht sind, wurden zu Amsterdam
(9 Bde., 1692-1701; französisch, 13 Bde., 1724) und
später von Cousin (11 Bde., Par. 1824-26) her-
ausgegeben. Sein Leben wurde bald nach seinem
Tode mebrfach beschrieben, u. a. ausführlich von
Vaillet (Par. 1691). Unter seinen Schülern und
Anhängern sind vorzüglich zu nennen der Arzt
Louis de la Forge; der Herausgeber seiner nachge-
lassenen Sckriften, Claude de Clerselier, gest. 1686;
Pierre Sylvain Negis, 1632 - 1707; Job. Clau-
berg, 1622-65; Balth. Vekker, 1634 - 98; die
Hansenisten von Portroyal, Arnauld und Nicole.
Übrigens hat es ihm auch nicht an Gegnern gefehlt,
unter denen Gassendi, Daniel, Huet, Hobbes die
bedeutendsten, die Theologen der Holland. Universi-
täten die erbittertsten waren. Die wichtigsten Schrif-
ten D.' haben Kuno Fiscker (Mannh. 1863) und
Kirchmann (Berl. 1870) übersetzt. - Vgl. Bouillier,
llizwirs äe 1a pliil080p1n6 cartezieiiuE (2 Bde.,
1854; 3. Aufl., Par. 1868), und die ausfübrlicbe
Darstellung der Cartesischen Philosopbie bei Kuno
Fischer, Geschichte der neuern Pbilosopbie, Bd. 1
(3. Aufl., Münch.1878); über die Litteratur: Ueber-
weg-Heinze, Grundriß der Geschichte der Philosophie,
Bd.3 (7. Aufl., Verl. 1888); ferner: Vertrand de
Saint-Germain, v. congiäsi-k coinms pd^iolo-
Fizts 6t comins uiecisciu (Par. 1869); A. Koch,
Die Psychologie D.' (Münch. 1881): Natorp, D.'
Erkenntnistheorie (Marb.1882); Fouille, vsZcartez
<Par. 1893).
Descendent (lat.), Abkömmling(s.d.); D escen-
d 6 n z, die Verwandtschaft in absteigender Linie,
d. b. des Sobnes zum Vater, des Enkels zum
Großvater u. s. f. ^s. Darwinismus.
Descendenzlehre, Descendcnztheorie,
Descendieren (lat.), hinabsteigen; sich herab-
lassen; abstammen. ^statten.
Defcensionstheorie (geologisch), s. Erzlager-
Descente (frz., spr. >ßangt),s. Grabenniedergang.
Deschamps (spr. däschang) deSaint Am and,
Emile, auch bekannt unter dem Namen Emile,
franz. Dichter und Kritiker, ^gev. 20. Febr. 1791
zu Bourges, beendigte seine ^chulstudicn in Paris
und legte hier 1818 den Grund zu seinem lit-
terar. Rufe mit zwei von ihm und seinem Lands-
manne H. de Latouche gemeinschaftlich gearbeiteten
Lustspielen in Versen: "36ini0ur8'> und "1^6 loui-
äs faveur", die im Ooeon eine glänzende Aufnahme
fanden. Als die Nomantiker sich gegen die Herr-
schaft des Klassicismus auflehnten, war D. ein
eifriger Schüler und bald ein angesehener Meister der
neuen Richtung. 1824 gründete er mit V. Hugo
das Journal "I^a ^In36 tran^i36" und schrieb für
dieses Blatt kritische Abhandlungen, Gedichte, No-
vellen, die später zusammen in einem Bande u. d.T.
"1.6MM6 in0iali3t6" herausgegeben wurden. 1828
-35 ersckienen die seitdem häufig wieder aufgeleg-
ten "Ntuäe3 fi'an^ai363 et 6trHNF6r63", eine Samm-
lung von D.' Poesien: Übersetzungen (darunter
Scbillers "Glocke", Goethes "Erlkönig" und "Braut
von Korinth"), Nachahmungen und Originalge-
dichte. Seine bedeutendsten Übersetzungen in Versen,
die von Shakespeares "Romeo und Julie" und "Mac-
beth" mit Vorrede und Kommentar, bilden den
ersten Band von der 1844 angefangenen, aber un-
beendigt gebliebenen Gesamtausgabe seiner Schrif-
ten. Seit 1848 lebte D. zurückgezogen und zuletzt
fast ganz erblindet in Versailles, wo er 22. April
1871 starb. D.' "(Nuvi-68 coiiipi6t68" erschienen als
Gesamtausgabe in 6 Bänden (Par. 1872-74).
- Vgl. Bazin, E. D. (Par. 1874).
Deschamps (spr. däschäng)de Saint Am and,
Antony, bekannt unter dem Namen Antony,
franz. Dichter und Kritiker, geb. 12. März 1800
zu Paris, Bruder des vorigen, gehörte wie dieser
zu der romantischen Schule, deren Principien er
eifrig verteidigte, obgleich er vielfach zum Klassi-
cismus hinneigte. Eine Übersetzung in Versen von
Dantes "Divina, (^0inin6äjH" (1829) ist seine wesent-
lichste litterar. Leistung. Seine "1^013 8atir63 poli-
tihu63" erschienen 1831. Er trug den Keim einer
Geisteskrankbeit seit seiner frühesten Jugend in sich,
die in diesen Jahren zum Ausbruch kam und in oft
erscbütternder Weise in den "I)6ruiei'63 pHroi63"
(1835) den Dichter seinen Schmerz und seine Ver-
zweiflung über sein Leiden aussprechen läßt. D.
starb 29.' Okt. 1869 zu Passy in Paris.
Deschamps (spr. däschang), Leodegar Maria,
franz. Philosoph, geb. 1716 in Poitiers, wurde
Benediktiner, was er auch blieb, nachdem er sich dem
^pinozismus zugeneigt hatte. Er starb 1774. Sein
Briefwechsel mit verschiedenen franz. Freigeistern
der damaligen Zeit ist im 19. Jahrh, von Beaussire